Kommunistische Gewerkschaftspolitik heute
- Samstag, 12. November 2011 @ 23:00
Referat von Karin Antlanger beim Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft, des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark und des GLB Steiermark „Klassenkampf und Interessenpolitik. Kommunistische Gewerkschaftspolitik in historischer und aktuell-politischer Perspektive“ am 12. November 2011 in Graz.
Aus mehreren Gründen verstehe ich das Thema „Kommunistische Gewerkschaftspolitik heute“ als Fragestellung für linke Gewerkschaftspolitik im weiteren Sinne. Im „Kommunistischen Manifest“ heißt es: „Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien. […] Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht.“
So gut und richtig diese Erkenntnis ist, so wenig darf sie aber dazu verleiten zu meinen, die KommunistInnen hätten immer und überall einzig und allein Recht und alle anderen seien der personifizierte Klassenfeind oder zumindest nützliche Idioten desselben. Diese im Manifest beschriebene Aufgabe, nämlich theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht zu haben, ist nichts Selbstverständliches, sie muss täglich aufs Neue errungen werden und mir fallen nicht wenige Beispiele dafür ein, dass wir hinter den Anforderungen nach dieser Einsicht zurückgeblieben sind.
Die KPÖ ist zwar eine Gründerpartei des ÖGB und sie hat sich, wenn auch vergeblich, gegen die vor allem von der Sozialdemokratie betriebene Fraktionierung des ÖGB gewendet, sie letztlich aber als solche akzeptieren müssen. Seit Jahrzehnten erfolgt unsere Arbeit in Gewerkschaften, Arbeiterkammern und Betrieben über die sich immer als offen verstehende linke Gewerkschaftsfraktion, also den „Gewerkschaftlichen Linksblock“. Rund 60 Prozent aller gewählten VertreterInnen des GLB sind Menschen, die nicht der KPÖ angehören - zumeist parteilose Linke oder vereinzelt auch anderen Parteien Angehörende, mit denen es solidarisch zusammenzuarbeiten gilt. Auch das spricht dafür, das Thema breiter zu fassen und nicht parteipolitisch einzuengen.
Zum Verständnis der Klasse
Wenn im „Manifest“ von der Einsicht die Rede ist, geht es vor allem um unsere Sicht auf die Klasse und dabei ist es nicht hilfreich einem überholten Verständnis anzuhängen, demzufolge die Klasse an sich und für sich per se als revolutionär gesehen wird oder eine historische Mission heroisiert wird. Ebenso wenig ist es sinnvoll die Klasse auf ihren Kern, nämlich die in der Produktion beschäftigten Arbeiter, und das ist meist ja wirklich nur männlich gemeint, einzuengen.
Die ArbeiterInnenklasse hat sich gerade in den letzten zwei, drei Jahrzehnten unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus, der Entwicklung von Wissenschaft und Technik, der Globalisierung und Internationalisierung von Produktion und Wirtschaft und nicht zuletzt infolge des Scheiterns der Systemalternative mit dem Zusammenbruch des sog. realen Sozialismus gravierend verändert. Als Stichworte für diese Veränderungen der ArbeiterInnenklasse möchte ich nur Prekarisierung, Migration und Feminisierung nennen, ohne dies jetzt näher auszuführen.
Nach dem Auslaufen des fordistischen Modells, für das nicht nur in Österreich die Entwicklung eines weitreichenden Sozialstaates mit relativem Wohlstand, gleichzeitig aber auch der Entwicklung der Sozialpartnerschaft und das Abflauen früher gekannter Klassenauseinandersetzungen steht, haben wir es in den letzten Jahren mit einer Stagnation der Reallöhne, die sich in einer sinkenden Lohnquote ausdrückt, mit massiven Privatisierungen öffentlichen Eigentums und – gestützt auf die Behauptung dass Sozialleistungen nicht mehr finanzierbar seien – mit einem forcierten Trend zur privaten, persönlichen Eigenvorsorge zu tun.
Neoliberale Hegemonie
Die Arbeitswelt hat sich unübersehbar gravierend verändert: Das zahlenmäßige Wachstum der Lohnabhängigen erfolgt durch eine immer stärkere Umschichtung von normalen zu prekarisierten Arbeitsverhältnissen, wie die Entwicklung von Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Werkverträgen, geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen usw. zeigt. Die Konkurrenz und Entfremdung der Lohnabhängigen untereinander führt zur Entsolidarisierung, etwa durch die Auflösung gemeinsamer Arbeitszeit durch Gleitzeit, Teilzeit etc. Der Zwang zur ständigen Erreichbarkeit über Handy oder Internet, ständige Umgliederungen in den Unternehmen desorganisieren die Lohnabhängigen. Die Verdatung der Arbeit verbunden mit verstärkter Vergleichbarkeit bedeutet auch Verlust von Raum für gewerkschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten. Wir müssen also von einer Desorganisierung der Lohnarbeit sprechen, statt einer Formierung wie sie im 19. und 20. Jahrhundert erfolgte.
Das Wesentlichste dabei ist freilich die neoliberale Hegemonie in den Köpfen der Lohnabhängigen: während nämlich die Dogmen des Neoliberalismus spätestens mit der seit 2008 anhaltenden Krise unübersehbar gescheitert sind, behauptet sich in den Köpfen der Menschen der neoliberale Geist, vor allem auch weil es den Herrschenden bislang gelungen ist nach dem Motto von Margret Thatcher „There ist no alternative“ gesellschaftliche Alternativen für unmöglich zu erklären. Wer von uns kennt nicht die abwehrende Reaktion vieler Menschen, wenn sie sagen „Das bringt eh alles nichts, die machen eh was sie wollen.“ Der slowenischer Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek hat dies mit der Aussage „Es ist unschwer für uns, uns das Ende der Welt vorzustellen - siehe die zahllosen Apokalypse-Filme - aber nicht das Ende des Kapitalismus“ recht treffend auf den Punkt gebracht.
Zur Funktion von Gewerkschaften
Der aus dem Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital resultierende Kampf um den Preis der Ware Arbeitskraft, für die Verbesserung der Lebensverhältnisse ist eine ureigene Aufgabe der Gewerkschaften als Interessenvertretung der Lohnabhängigen. Obwohl dabei die Kapitaleigentümer in der stärkeren Position sind und laut Karl Marx ein ständiger „Guerillakrieg zwischen Kapital und Arbeit“ herrscht, gibt es wesentlich mehr Spielraum als die Spitzen des ÖGB zuzugeben bereit sind.
Wie für die Linke insgesamt hat sich der neoliberale Kapitalismus auch für die Gewerkschaften unterm Strich sehr negativ bemerkbar gemacht: Der Organisierungsgrad ist gesunken, vor allem auch durch die Schrumpfung von Großbetrieben als früher starke Bastionen. Heute haben die Gewerkschaften ihre stärksten Positionen im öffentlichen Dienst. Die Prekarisierung erschwert die Organisierung, alte Modelle greifen nicht, neue Branchen sind schwer erschließbar, wobei es hier lange große Versäumnisse gab, auf diesen Trend rechtzeitig und richtig zu reagieren. Sinkende Mitgliederzahlen bedeuten natürlich auch weniger Mitgliedsbeiträge und schwächen damit die Gewerkschaft.
Anmerkungen zum Streik
Heute war hier schon verschiedentlich von Arbeitskämpfen die Rede und wird sicher noch sein. Die jahrzehntelange Entwöhnung von einem der selbstverständlichsten Kampfmittel der Lohnabhängigen in Österreich führte zu einer bestimmten Form von Streikromantik, welche die Augen so mancher leuchten lässt, wenn nur die Rede von Streik ist. Vergessen und ignoriert wird dabei aber die Erkenntnis, dass ein Streik nicht aus Jux und Tollerei oder auf Knopfdruck geführt wird, sondern vor allem ein hohes Maß an Überzeugungsarbeit der Betroffenen, ein hohes Maß an Mobilisierung und ein hohes Maß an Disziplin verlangt.
Die oberösterreichischen Sozialvereine „pro mente“ und „EXIT-sozial“ haben 2010 einen zweitägigen Streik gegen eine vom Land verordnete Schließung von Betreuungseinrichtungen durchgeführt und damit zumindest den allergrößten Schaden für die Beschäftigten verhindern können. Eine Erfahrung dabei war und ist, dass letztlich jeder Streik einen politischen Charakter hat, insbesondere wenn er gegen die öffentliche Hand als Subventionsgeber geführt wird.
Ich finde es erfreulich, dass bei den Lohnverhandlungen der Metallindustrie heuer nicht nur die Forderung nach 5,5 Prozent schon bald nach Verhandlungsbeginn öffentlich gemacht wurde, was eindeutig einen klaren Mobilisierungseffekt hatte, sondern dass auch ein Warnstreik erfolgte. Angesichts der allgemeinen Einstellung der ÖsterreicherInnen zu Protesten, Demonstrationen und Streiks ist es auch überraschend, dass laut Umfragen eine Mehrheit den MetallerInnenstreik unterstützt hat. Argumentierten doch in den letzten Jahren gerade führende GewerkschaftsfunktionärInnen gerne damit, dass „die Bevölkerung einen Streik nicht gutheißen würde“. Aber wahrscheinlich setzt man die Meinung der Bevölkerung gerne mit den meinungsmachenden Kleinformaten der Boulevardpresse gleich.
Einmal mehr hat sich freilich gezeigt, wie die Spitzen der Sozialpartnerschaft in Person von Christoph Leitl und Ernst Foglar mit kräftiger Schützenhilfe der Minister Mitterlehner und Hundstorfer mit aller Kraft bemüht waren den Streik so rasch als möglich abzudrehen, obwohl eindeutig mehr als die erreichten 4,2 Prozent drin gewesen wären.
Ziele linker Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Das Ziel linker bzw. kommunistischer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ist es, den Widerspruch zwischen gesellschaftliche Produktion und private Aneignung in der Arbeitswelt erfahrbar zu machen, weil sich nur eine Minderheit dieses Widerspruchs bewusst ist. Diese Bewusstmachung ist Voraussetzung dafür, um die Eigentumsfrage und damit die Frage nach dem Systemwechsel zu stellen. Die Mehrheit empfindet die Auswirkungen des Kapitalismus als Habsucht, Spekulation oder Folge falscher Politik. Die Menschen sind oft anfällig für jede Art von Verschwörungs- und Untergangstheorien. Das hat Auswirkungen auf das Bewusstsein. Ohnmacht, Resignation, Sozialpartnerschaft, Gewerkschaftsfeindlichkeit, linksradikaler Zynismus sind dafür typisch. Ich möchte auch in diesem Zusammenhang noch einmal Slavoj Zizek zitieren, der vor genau einem Monat vor der Occupy-Wall-Street-Protestbewegung am Liberty-Square in New York gesprochen hat. Er hat dort die Frage des Systemwechsels sehr prägnant thematisiert, indem er meinte: „Das Problem ist nicht die Korruption oder die Gier, das Problem ist das System, das uns dazu treibt, korrupt zu werden. Die Lösung heißt nicht „Main-Street statt Wall-Street“, sondern wir müssen das System verändern, das darauf beruht, dass die Main-Street nicht ohne die Wall-Street funktionieren kann.“
Wenn sich die Bedeutung der Arbeitswelt für linke, kommunistische Politik darin erschöpft, sich als die Partei der ArbeiterInnenklasse zu erklären, wird uns das nicht weiterbringen, weil es viel zu weit weg ist von der Lebenswirklichkeit der Angesprochenen. Hingegen ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, dass die Lohnabhängigen der Bezugspunkt unserer Gewerkschafts- und Betriebsarbeit sind. Es geht dabei schließlich um die große Mehrheit der Gesellschaft, sind doch rund 80 Prozent lohnabhängig oder waren es vor ihrer Pensionierung.
Unser Verständnis von Gewerkschaften
In diesem Zusammenhang sehe ich auch unser Verhältnis zu den Gewerkschaften als umfassendste Klassenorganisation der Lohnabhängigen. Die Gründung eines einheitlichen, überparteilichen ÖGB durch SPÖ, ÖVP und KPÖ als Schlussfolgerung aus der Zersplitterung der Richtungsgewerkschaften der Ersten Republik war ein Fortschritt. Die Entwicklung des ÖGB hat hingegen durch die fraktionelle Zersplitterung, die weitgehende Unterordnung unter die Politik der dominierenden Sozialdemokratie und die Institutionalisierung im Rahmen der Sozialpartnerschaft viele Hoffnungen nicht erfüllt. Dass die Linken im ÖGB dabei immer stärker an den Rand gedrängt wurden und faktisch nur eine geduldete Minderheit darstellen ist vor diesem Hintergrund neben eigenen Fehlern wie etwa der Unterschätzung des wirtschaftlichen Aufschwunges von den 1950er bis in die 1980er Jahre und der damit verbundenen Auswirkung auf das Bewusstsein der Lohnabhängigen nicht überraschend.
Leider wurden auch die Chancen einer gründlichen Reform des ÖGB bei dessen Krise infolge des BAWAG-Skandals von 2006 nicht genutzt, nach einer kurzen Schrecksekunde setzten die bestimmenden Kräfte auf ein Durchtauchen. Unsere Vorschläge wie die nach einer flachen Organisation mit dem ÖGB als Dach und darunter Wirtschaftsbereiche ähnlich dem GPA-Modell, dem Prinzip „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ zur Beendigung der Trennung von ArbeiterInnen und Angestellten und Ausweitung der innergewerkschaftlichen Demokratie durch Urabstimmungen über KV-Abschlüsse usw. wurden leider nicht aufgegriffen. Nicht zuletzt auch, weil die Rivalitäten zwischen den existierenden Machtblöcken der von einst 16 auf mittlerweile nur noch sieben stark fusionierten Gewerkschaften dies verhinderten.
Unsere Kritik an der etablierten Gewerkschaftspolitik zielt vor allem auf die Ein- und Unterordnung des ÖGB als Ordnungsfaktor, so die Eigendefinition, im Rahmen der Sozialpartnerschaft unter Kapital und Regierung ab.
Wir wenden uns ebenso gegen die Akzeptanz der vom Kapital aus recht durchsichtigen Profitinteressen vorgegebenen Standortlogik. Solange sich die Gewerkschaften auf europäischer und internationaler Ebene mit diesem Totschlagargument gegeneinanderstellen und vom Kapital, das bei allen Rivalitäten international hervorragend aufgestellt ist, wovon Legionen von entsprechenden Institutionen wie IWF, Weltbank, EU usw. und Myriaden von Lobbyisten zeugen, solange kann das nur zum Nachteil der Lohnabhängigen sein. Davon zeugen eine sinkende Lohnquote und seit 15 Jahren stagnierende Realeinkommen. Daher gilt es die gewerkschaftlichen Defizite bei Migration, bei Frauenpolitik, bei Prekarisierung und beim Internationalismus konkret anzusprechen und für Alternativen zu wirken.
Internationale Vernetzung
Ich habe schon die Diskrepanz aufgezeigt, dass sich Gewerkschaften durch Unterordnung unter die Standortlogik des Kapitals international gegeneinander ausspielen lassen, während sich das Kapital längst internationalisiert hat. Hier sehe ich auch eine der größten Herausforderungen für linke Gewerkschaftspolitik und auch die größten Defizite. Die sehr unterschiedlichen Bedingungen und Standards bei Löhnen, Sozialleistungen, Arbeitsrecht usw. in den einzelnen EU-Ländern und darüber hinaus werden von Kapitalseite sehr systematisch genutzt um die Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen und nationalistische Momente zugunsten des Profits zu kanalisieren.
Aus meinen Erfahrungen im Rahmen des Gewerkschaftsnetzwerkes der Europäischen Linken in den letzten Jahren lässt sich resümieren, dass es selbst unter linken GewerkschafterInnen schwer ist zu gemeinsamen Positionen zu kommen, etwa wenn sich VertreterInnen der doch relativ starken linken Gewerkschaften in Frankreich oder Italien einer Mitarbeit aus recht durchsichtiger nationaler Ignoranz verweigern. Ähnliches gilt auch für den Weltgewerkschaftsbund, dem der GLB nach wie vor angehört, dessen Tätigkeit aber auch über papierene Erklärungen nicht hinauskommt und zudem mit dem Problem zu kämpfen hat, dass ihm auch Gewerkschaften aus staatssozialistischen Ländern wie China angehören, was dem Verständnis freier, regierungsunabhängiger und nur den Lohnabhängigen verpflichteten Gewerkschaften deutlich widerspricht.
Unsere Positionen in Betrieben und Gewerkschaften
Linke Gewerkschaftspolitik bewegt sich seit Jahrzehnten im Spannungsfeld zwischen einerseits scharf die etablierte Gewerkschaftsbürokratie zu kritisieren und andererseits sich zum einheitlichen ÖGB zu bekennen. Daraus resultiert freilich auch eine in unseren Reihen oft anzutreffende Gewerkschaftsfeindlichkeit, die uns hindert mehr Einfluss zu nehmen. Realistisch betrachtet muss auch festgestellt werden, dass es derzeit keine Alternative zum ÖGB gibt: Verschiedentliche Anläufe wie eine FPÖ-Gewerkschaft oder eine Bildungsgewerkschaft in Vorarlberg sind bekanntlich ziemlich schmählich gescheitert. Daher auch mein Appell an alle Berufstätigen in der KPÖ und in ihrem Umfeld, ihren Frust darüber, dass in Österreich nichts weitergeht nicht in Gewerkschaftsfeindlichkeit auszulassen, sondern sich aktiv in eine linke Gewerkschaftsarbeit einzubringen, wobei dies bei den Strukturen innerhalb der Gewerkschaften nicht immer leicht ist.
Wie ein kleiner Rückblick zeigt, haben sich die Positionen von KPÖ und GLB in den Betrieben im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jahren wesentlich verändert. Damals gab es starke linke Positionen in der Verstaatlichten und bei der Bahn. Infolge der Zerschlagung des öffentlichen Eigentums sind die meisten dieser Positionen verloren gegangen. Heute sind die Positionen viel differenzierter, so hat der GLB in Wien einen Schwerpunkt bei den Wiener Linien, in der Steiermark in der Metallbranche und in Oberösterreich in der Sozialbranche.
Die früheren starken Positionen in den Großbetrieben sind weitgehend verloren gegangen, nicht nur aus den genannten objektiven Gründen wie Zerschlagung der Verstaatlichten und Privatisierung, sondern oft auch weil es nicht gelungen ist Nachfolge bei Pensionierungen zu finden. Natürlich spielt dabei mit auch eine Rolle, dass die Großbetriebe weitgehend von der SPÖ dominiert sind, dort das sogenannte Betriebskaisertum mit seinen autoritären Auswirkungen herrscht, Fraktionslisten die Regel sind und für scharfe zwischenfraktionelle Auseinandersetzungen oft mehr Energie aufgewendet wird als im Kampf gegen Vorstand und Regierung. Das färbte oft auch auf unsere Betriebsräte ab, die sich einer paternalistischen Sozialisierung in einem solchen Umfeld oft nicht entziehen konnten, wie der Umgang in der eigenen Fraktion gezeigt hat.
Hingegen gibt es in kleineren Betrieben eine spürbar andere gewerkschaftliche Kultur, mit einem solidarischeren Umgang und hier sind auch Betriebs- oder Namenslisten statt Fraktionslisten die Regel. Laut WKO-Statistik haben von 294.397 Unternehmen (ohne den öffentlichen Dienst) 57.387 mehr als fünf Beschäftigte, kommen also für eine Betriebsratswahl in Frage. Rechnerisch müsste es demnach für die hier 1,98 Millionen Beschäftigten rund 117.000 BetriebsrätInnen geben, tatsächlich werden aber laut ÖGB nur rund 50.000 BetriebsrätInnen bzw. PersonalvertreterInnen in rund 10.000 Betrieben gewählt. Hier liegen also große Reserven, die auch wir nützen können und sollen.
Wenn sich Betriebsrat, Personalvertretung und Gewerkschaft nur als Kümmerer verstehen, ist das zu wenig. Das praktiziert die in vielen Betrieben allmächtige FSG immer noch mit Hingabe um die Politik der SPÖ-geführten Regierung zu verschleiern. Das Kümmern gehört natürlich bis zu einem bestimmten Ausmaß zum Kerngeschäft, gleichzeitig wird damit aber Stellvertreterdenken und Servicementalität tradiert. Das Bestreben linker Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit muss es hingegen sein, soweit wie möglich Partizipation und Selbsttätigkeit im Sinne von Selbstermächtigung zu fördern. Dabei geht es vorrangig um Inhalte, wir sollten daher Betriebsratswahlen mit Argumenten schlagen und nicht mit teuren Wahlgeschenken eine falsche Konkurrenz mit FSG und Konsorten betreiben.
Erfahrungen aus der Arbeit in Gremien
Für unser Agieren in betrieblichen und gewerkschaftlichen Gremien sowie in Arbeiterkammern stellen sich ähnliche Anforderungen wie in parlamentarischen Körperschaften. Wobei anzumerken wäre, dass SpitzengewerkschafterInnen in gesetzgebenden Körperschaften fehl am Platz sind, wenn sie dort nicht die Interessen der Lohnabhängigen bzw. der Gewerkschaftsmitglieder vertreten sondern aus Parteiräson und Fraktionszwang Belastungspakete wie im Dezember 2010 im Nationalrat mitbeschließen oder Lohnkürzungen wie im oberösterreichischen Landtag kürzlich geschehen absegnen.
Wir brauchen keine Illusionen darüber zu entfachen, was in Gewerkschaftsgremien oder Arbeiterkammern, zudem meist als EinzelkämpferInnen, denn groß an Veränderungen bewirkt werden kann. Und dennoch gilt es sich der Auseinandersetzung zu stellen, ist sie doch ein wesentlicher Maßstab für den Einfluss den wir erreichen können, wobei das Zusammenspiel von Gremienarbeit mit Aktionen außerhalb der Gremien wichtig ist.
Wir sind keine Neinsager aus Prinzip, aber wenn es notwendig ist, ist ein deutliches Nein angebracht, etwa bei Lohn- oder Gehaltsabschlüssen die wir angesichts jahrelanger Reallohnverluste als ungenügend einschätzen. Und dabei bleiben wir oft gar nicht allein, wie meine Erfahrungen bei den Verhandlungen um den BAGS-KV zeigen.
Aus meinen Erfahrungen in gewerkschaftlichen Gremien, vor allem im Bereich der GPA, kann ich aber auch berichten, dass sich das politische Klima in den Gewerkschaften doch etwas verändert hat. Es wird mehr auf uns gehört, es gibt -wenn oft auch außerhalb der Tagesordnung - Zustimmung von FSGlerInnen und weitgehende Übereinstimmung mit der UG. Erfreulich ist auch, dass Themen, die wir seit Jahren forcieren, wie ein gesetzlicher Mindestlohn, die Arbeitszeitverkürzung oder die Wertschöpfungsabgabe jetzt auch von ÖGB und AK zumindest teilweise aufgegriffen werden.
Immer wieder finden Forderungen, die wir seit Jahren erheben und für die wir uns seit Jahren von den Mehrheitsfraktionen anfeinden lassen mussten, dann doch Eingang in offizielle Gewerkschaftspapiere- oder Forderungskataloge. So beginnt in letzter Zeit das strikte ÖGB-Nein zu einem gesetzlichen Mindestlohn schon langsam aufzubrechen. Wir könnten nun sagen: Das ist unser Erfolg – oder: Die haben unsere Forderung gestohlen. Je nach Persönlichkeitsstruktur wird es hier unterschiedliche Sichtweisen geben.
Unterm Strich jedoch bleibt, dass die eingangs zitierte Passage aus dem Kommunistischen Manifest, nämlich dass die KommunistInnen „theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht“ haben, doch immer wieder Realität werden kann, wenn wir sie ohne unangebrachtem Hochmut und ohne abschreckender Besserwisserei ständig weiter entwickeln und mit den Menschen im Kontakt und in Beziehung sind.
Karin Antlanger, Mag.a, geb. 1958, Juristin und Sozialpädagogin, Betriebsratsvorsitzende EXIT-Sozial Linz, stv. Bundesvorsitzende des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB).
Aus mehreren Gründen verstehe ich das Thema „Kommunistische Gewerkschaftspolitik heute“ als Fragestellung für linke Gewerkschaftspolitik im weiteren Sinne. Im „Kommunistischen Manifest“ heißt es: „Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien. […] Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht.“
So gut und richtig diese Erkenntnis ist, so wenig darf sie aber dazu verleiten zu meinen, die KommunistInnen hätten immer und überall einzig und allein Recht und alle anderen seien der personifizierte Klassenfeind oder zumindest nützliche Idioten desselben. Diese im Manifest beschriebene Aufgabe, nämlich theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht zu haben, ist nichts Selbstverständliches, sie muss täglich aufs Neue errungen werden und mir fallen nicht wenige Beispiele dafür ein, dass wir hinter den Anforderungen nach dieser Einsicht zurückgeblieben sind.
Die KPÖ ist zwar eine Gründerpartei des ÖGB und sie hat sich, wenn auch vergeblich, gegen die vor allem von der Sozialdemokratie betriebene Fraktionierung des ÖGB gewendet, sie letztlich aber als solche akzeptieren müssen. Seit Jahrzehnten erfolgt unsere Arbeit in Gewerkschaften, Arbeiterkammern und Betrieben über die sich immer als offen verstehende linke Gewerkschaftsfraktion, also den „Gewerkschaftlichen Linksblock“. Rund 60 Prozent aller gewählten VertreterInnen des GLB sind Menschen, die nicht der KPÖ angehören - zumeist parteilose Linke oder vereinzelt auch anderen Parteien Angehörende, mit denen es solidarisch zusammenzuarbeiten gilt. Auch das spricht dafür, das Thema breiter zu fassen und nicht parteipolitisch einzuengen.
Zum Verständnis der Klasse
Wenn im „Manifest“ von der Einsicht die Rede ist, geht es vor allem um unsere Sicht auf die Klasse und dabei ist es nicht hilfreich einem überholten Verständnis anzuhängen, demzufolge die Klasse an sich und für sich per se als revolutionär gesehen wird oder eine historische Mission heroisiert wird. Ebenso wenig ist es sinnvoll die Klasse auf ihren Kern, nämlich die in der Produktion beschäftigten Arbeiter, und das ist meist ja wirklich nur männlich gemeint, einzuengen.
Die ArbeiterInnenklasse hat sich gerade in den letzten zwei, drei Jahrzehnten unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus, der Entwicklung von Wissenschaft und Technik, der Globalisierung und Internationalisierung von Produktion und Wirtschaft und nicht zuletzt infolge des Scheiterns der Systemalternative mit dem Zusammenbruch des sog. realen Sozialismus gravierend verändert. Als Stichworte für diese Veränderungen der ArbeiterInnenklasse möchte ich nur Prekarisierung, Migration und Feminisierung nennen, ohne dies jetzt näher auszuführen.
Nach dem Auslaufen des fordistischen Modells, für das nicht nur in Österreich die Entwicklung eines weitreichenden Sozialstaates mit relativem Wohlstand, gleichzeitig aber auch der Entwicklung der Sozialpartnerschaft und das Abflauen früher gekannter Klassenauseinandersetzungen steht, haben wir es in den letzten Jahren mit einer Stagnation der Reallöhne, die sich in einer sinkenden Lohnquote ausdrückt, mit massiven Privatisierungen öffentlichen Eigentums und – gestützt auf die Behauptung dass Sozialleistungen nicht mehr finanzierbar seien – mit einem forcierten Trend zur privaten, persönlichen Eigenvorsorge zu tun.
Neoliberale Hegemonie
Die Arbeitswelt hat sich unübersehbar gravierend verändert: Das zahlenmäßige Wachstum der Lohnabhängigen erfolgt durch eine immer stärkere Umschichtung von normalen zu prekarisierten Arbeitsverhältnissen, wie die Entwicklung von Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Werkverträgen, geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen usw. zeigt. Die Konkurrenz und Entfremdung der Lohnabhängigen untereinander führt zur Entsolidarisierung, etwa durch die Auflösung gemeinsamer Arbeitszeit durch Gleitzeit, Teilzeit etc. Der Zwang zur ständigen Erreichbarkeit über Handy oder Internet, ständige Umgliederungen in den Unternehmen desorganisieren die Lohnabhängigen. Die Verdatung der Arbeit verbunden mit verstärkter Vergleichbarkeit bedeutet auch Verlust von Raum für gewerkschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten. Wir müssen also von einer Desorganisierung der Lohnarbeit sprechen, statt einer Formierung wie sie im 19. und 20. Jahrhundert erfolgte.
Das Wesentlichste dabei ist freilich die neoliberale Hegemonie in den Köpfen der Lohnabhängigen: während nämlich die Dogmen des Neoliberalismus spätestens mit der seit 2008 anhaltenden Krise unübersehbar gescheitert sind, behauptet sich in den Köpfen der Menschen der neoliberale Geist, vor allem auch weil es den Herrschenden bislang gelungen ist nach dem Motto von Margret Thatcher „There ist no alternative“ gesellschaftliche Alternativen für unmöglich zu erklären. Wer von uns kennt nicht die abwehrende Reaktion vieler Menschen, wenn sie sagen „Das bringt eh alles nichts, die machen eh was sie wollen.“ Der slowenischer Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek hat dies mit der Aussage „Es ist unschwer für uns, uns das Ende der Welt vorzustellen - siehe die zahllosen Apokalypse-Filme - aber nicht das Ende des Kapitalismus“ recht treffend auf den Punkt gebracht.
Zur Funktion von Gewerkschaften
Der aus dem Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital resultierende Kampf um den Preis der Ware Arbeitskraft, für die Verbesserung der Lebensverhältnisse ist eine ureigene Aufgabe der Gewerkschaften als Interessenvertretung der Lohnabhängigen. Obwohl dabei die Kapitaleigentümer in der stärkeren Position sind und laut Karl Marx ein ständiger „Guerillakrieg zwischen Kapital und Arbeit“ herrscht, gibt es wesentlich mehr Spielraum als die Spitzen des ÖGB zuzugeben bereit sind.
Wie für die Linke insgesamt hat sich der neoliberale Kapitalismus auch für die Gewerkschaften unterm Strich sehr negativ bemerkbar gemacht: Der Organisierungsgrad ist gesunken, vor allem auch durch die Schrumpfung von Großbetrieben als früher starke Bastionen. Heute haben die Gewerkschaften ihre stärksten Positionen im öffentlichen Dienst. Die Prekarisierung erschwert die Organisierung, alte Modelle greifen nicht, neue Branchen sind schwer erschließbar, wobei es hier lange große Versäumnisse gab, auf diesen Trend rechtzeitig und richtig zu reagieren. Sinkende Mitgliederzahlen bedeuten natürlich auch weniger Mitgliedsbeiträge und schwächen damit die Gewerkschaft.
Anmerkungen zum Streik
Heute war hier schon verschiedentlich von Arbeitskämpfen die Rede und wird sicher noch sein. Die jahrzehntelange Entwöhnung von einem der selbstverständlichsten Kampfmittel der Lohnabhängigen in Österreich führte zu einer bestimmten Form von Streikromantik, welche die Augen so mancher leuchten lässt, wenn nur die Rede von Streik ist. Vergessen und ignoriert wird dabei aber die Erkenntnis, dass ein Streik nicht aus Jux und Tollerei oder auf Knopfdruck geführt wird, sondern vor allem ein hohes Maß an Überzeugungsarbeit der Betroffenen, ein hohes Maß an Mobilisierung und ein hohes Maß an Disziplin verlangt.
Die oberösterreichischen Sozialvereine „pro mente“ und „EXIT-sozial“ haben 2010 einen zweitägigen Streik gegen eine vom Land verordnete Schließung von Betreuungseinrichtungen durchgeführt und damit zumindest den allergrößten Schaden für die Beschäftigten verhindern können. Eine Erfahrung dabei war und ist, dass letztlich jeder Streik einen politischen Charakter hat, insbesondere wenn er gegen die öffentliche Hand als Subventionsgeber geführt wird.
Ich finde es erfreulich, dass bei den Lohnverhandlungen der Metallindustrie heuer nicht nur die Forderung nach 5,5 Prozent schon bald nach Verhandlungsbeginn öffentlich gemacht wurde, was eindeutig einen klaren Mobilisierungseffekt hatte, sondern dass auch ein Warnstreik erfolgte. Angesichts der allgemeinen Einstellung der ÖsterreicherInnen zu Protesten, Demonstrationen und Streiks ist es auch überraschend, dass laut Umfragen eine Mehrheit den MetallerInnenstreik unterstützt hat. Argumentierten doch in den letzten Jahren gerade führende GewerkschaftsfunktionärInnen gerne damit, dass „die Bevölkerung einen Streik nicht gutheißen würde“. Aber wahrscheinlich setzt man die Meinung der Bevölkerung gerne mit den meinungsmachenden Kleinformaten der Boulevardpresse gleich.
Einmal mehr hat sich freilich gezeigt, wie die Spitzen der Sozialpartnerschaft in Person von Christoph Leitl und Ernst Foglar mit kräftiger Schützenhilfe der Minister Mitterlehner und Hundstorfer mit aller Kraft bemüht waren den Streik so rasch als möglich abzudrehen, obwohl eindeutig mehr als die erreichten 4,2 Prozent drin gewesen wären.
Ziele linker Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Das Ziel linker bzw. kommunistischer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ist es, den Widerspruch zwischen gesellschaftliche Produktion und private Aneignung in der Arbeitswelt erfahrbar zu machen, weil sich nur eine Minderheit dieses Widerspruchs bewusst ist. Diese Bewusstmachung ist Voraussetzung dafür, um die Eigentumsfrage und damit die Frage nach dem Systemwechsel zu stellen. Die Mehrheit empfindet die Auswirkungen des Kapitalismus als Habsucht, Spekulation oder Folge falscher Politik. Die Menschen sind oft anfällig für jede Art von Verschwörungs- und Untergangstheorien. Das hat Auswirkungen auf das Bewusstsein. Ohnmacht, Resignation, Sozialpartnerschaft, Gewerkschaftsfeindlichkeit, linksradikaler Zynismus sind dafür typisch. Ich möchte auch in diesem Zusammenhang noch einmal Slavoj Zizek zitieren, der vor genau einem Monat vor der Occupy-Wall-Street-Protestbewegung am Liberty-Square in New York gesprochen hat. Er hat dort die Frage des Systemwechsels sehr prägnant thematisiert, indem er meinte: „Das Problem ist nicht die Korruption oder die Gier, das Problem ist das System, das uns dazu treibt, korrupt zu werden. Die Lösung heißt nicht „Main-Street statt Wall-Street“, sondern wir müssen das System verändern, das darauf beruht, dass die Main-Street nicht ohne die Wall-Street funktionieren kann.“
Wenn sich die Bedeutung der Arbeitswelt für linke, kommunistische Politik darin erschöpft, sich als die Partei der ArbeiterInnenklasse zu erklären, wird uns das nicht weiterbringen, weil es viel zu weit weg ist von der Lebenswirklichkeit der Angesprochenen. Hingegen ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, dass die Lohnabhängigen der Bezugspunkt unserer Gewerkschafts- und Betriebsarbeit sind. Es geht dabei schließlich um die große Mehrheit der Gesellschaft, sind doch rund 80 Prozent lohnabhängig oder waren es vor ihrer Pensionierung.
Unser Verständnis von Gewerkschaften
In diesem Zusammenhang sehe ich auch unser Verhältnis zu den Gewerkschaften als umfassendste Klassenorganisation der Lohnabhängigen. Die Gründung eines einheitlichen, überparteilichen ÖGB durch SPÖ, ÖVP und KPÖ als Schlussfolgerung aus der Zersplitterung der Richtungsgewerkschaften der Ersten Republik war ein Fortschritt. Die Entwicklung des ÖGB hat hingegen durch die fraktionelle Zersplitterung, die weitgehende Unterordnung unter die Politik der dominierenden Sozialdemokratie und die Institutionalisierung im Rahmen der Sozialpartnerschaft viele Hoffnungen nicht erfüllt. Dass die Linken im ÖGB dabei immer stärker an den Rand gedrängt wurden und faktisch nur eine geduldete Minderheit darstellen ist vor diesem Hintergrund neben eigenen Fehlern wie etwa der Unterschätzung des wirtschaftlichen Aufschwunges von den 1950er bis in die 1980er Jahre und der damit verbundenen Auswirkung auf das Bewusstsein der Lohnabhängigen nicht überraschend.
Leider wurden auch die Chancen einer gründlichen Reform des ÖGB bei dessen Krise infolge des BAWAG-Skandals von 2006 nicht genutzt, nach einer kurzen Schrecksekunde setzten die bestimmenden Kräfte auf ein Durchtauchen. Unsere Vorschläge wie die nach einer flachen Organisation mit dem ÖGB als Dach und darunter Wirtschaftsbereiche ähnlich dem GPA-Modell, dem Prinzip „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ zur Beendigung der Trennung von ArbeiterInnen und Angestellten und Ausweitung der innergewerkschaftlichen Demokratie durch Urabstimmungen über KV-Abschlüsse usw. wurden leider nicht aufgegriffen. Nicht zuletzt auch, weil die Rivalitäten zwischen den existierenden Machtblöcken der von einst 16 auf mittlerweile nur noch sieben stark fusionierten Gewerkschaften dies verhinderten.
Unsere Kritik an der etablierten Gewerkschaftspolitik zielt vor allem auf die Ein- und Unterordnung des ÖGB als Ordnungsfaktor, so die Eigendefinition, im Rahmen der Sozialpartnerschaft unter Kapital und Regierung ab.
Wir wenden uns ebenso gegen die Akzeptanz der vom Kapital aus recht durchsichtigen Profitinteressen vorgegebenen Standortlogik. Solange sich die Gewerkschaften auf europäischer und internationaler Ebene mit diesem Totschlagargument gegeneinanderstellen und vom Kapital, das bei allen Rivalitäten international hervorragend aufgestellt ist, wovon Legionen von entsprechenden Institutionen wie IWF, Weltbank, EU usw. und Myriaden von Lobbyisten zeugen, solange kann das nur zum Nachteil der Lohnabhängigen sein. Davon zeugen eine sinkende Lohnquote und seit 15 Jahren stagnierende Realeinkommen. Daher gilt es die gewerkschaftlichen Defizite bei Migration, bei Frauenpolitik, bei Prekarisierung und beim Internationalismus konkret anzusprechen und für Alternativen zu wirken.
Internationale Vernetzung
Ich habe schon die Diskrepanz aufgezeigt, dass sich Gewerkschaften durch Unterordnung unter die Standortlogik des Kapitals international gegeneinander ausspielen lassen, während sich das Kapital längst internationalisiert hat. Hier sehe ich auch eine der größten Herausforderungen für linke Gewerkschaftspolitik und auch die größten Defizite. Die sehr unterschiedlichen Bedingungen und Standards bei Löhnen, Sozialleistungen, Arbeitsrecht usw. in den einzelnen EU-Ländern und darüber hinaus werden von Kapitalseite sehr systematisch genutzt um die Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen und nationalistische Momente zugunsten des Profits zu kanalisieren.
Aus meinen Erfahrungen im Rahmen des Gewerkschaftsnetzwerkes der Europäischen Linken in den letzten Jahren lässt sich resümieren, dass es selbst unter linken GewerkschafterInnen schwer ist zu gemeinsamen Positionen zu kommen, etwa wenn sich VertreterInnen der doch relativ starken linken Gewerkschaften in Frankreich oder Italien einer Mitarbeit aus recht durchsichtiger nationaler Ignoranz verweigern. Ähnliches gilt auch für den Weltgewerkschaftsbund, dem der GLB nach wie vor angehört, dessen Tätigkeit aber auch über papierene Erklärungen nicht hinauskommt und zudem mit dem Problem zu kämpfen hat, dass ihm auch Gewerkschaften aus staatssozialistischen Ländern wie China angehören, was dem Verständnis freier, regierungsunabhängiger und nur den Lohnabhängigen verpflichteten Gewerkschaften deutlich widerspricht.
Unsere Positionen in Betrieben und Gewerkschaften
Linke Gewerkschaftspolitik bewegt sich seit Jahrzehnten im Spannungsfeld zwischen einerseits scharf die etablierte Gewerkschaftsbürokratie zu kritisieren und andererseits sich zum einheitlichen ÖGB zu bekennen. Daraus resultiert freilich auch eine in unseren Reihen oft anzutreffende Gewerkschaftsfeindlichkeit, die uns hindert mehr Einfluss zu nehmen. Realistisch betrachtet muss auch festgestellt werden, dass es derzeit keine Alternative zum ÖGB gibt: Verschiedentliche Anläufe wie eine FPÖ-Gewerkschaft oder eine Bildungsgewerkschaft in Vorarlberg sind bekanntlich ziemlich schmählich gescheitert. Daher auch mein Appell an alle Berufstätigen in der KPÖ und in ihrem Umfeld, ihren Frust darüber, dass in Österreich nichts weitergeht nicht in Gewerkschaftsfeindlichkeit auszulassen, sondern sich aktiv in eine linke Gewerkschaftsarbeit einzubringen, wobei dies bei den Strukturen innerhalb der Gewerkschaften nicht immer leicht ist.
Wie ein kleiner Rückblick zeigt, haben sich die Positionen von KPÖ und GLB in den Betrieben im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jahren wesentlich verändert. Damals gab es starke linke Positionen in der Verstaatlichten und bei der Bahn. Infolge der Zerschlagung des öffentlichen Eigentums sind die meisten dieser Positionen verloren gegangen. Heute sind die Positionen viel differenzierter, so hat der GLB in Wien einen Schwerpunkt bei den Wiener Linien, in der Steiermark in der Metallbranche und in Oberösterreich in der Sozialbranche.
Die früheren starken Positionen in den Großbetrieben sind weitgehend verloren gegangen, nicht nur aus den genannten objektiven Gründen wie Zerschlagung der Verstaatlichten und Privatisierung, sondern oft auch weil es nicht gelungen ist Nachfolge bei Pensionierungen zu finden. Natürlich spielt dabei mit auch eine Rolle, dass die Großbetriebe weitgehend von der SPÖ dominiert sind, dort das sogenannte Betriebskaisertum mit seinen autoritären Auswirkungen herrscht, Fraktionslisten die Regel sind und für scharfe zwischenfraktionelle Auseinandersetzungen oft mehr Energie aufgewendet wird als im Kampf gegen Vorstand und Regierung. Das färbte oft auch auf unsere Betriebsräte ab, die sich einer paternalistischen Sozialisierung in einem solchen Umfeld oft nicht entziehen konnten, wie der Umgang in der eigenen Fraktion gezeigt hat.
Hingegen gibt es in kleineren Betrieben eine spürbar andere gewerkschaftliche Kultur, mit einem solidarischeren Umgang und hier sind auch Betriebs- oder Namenslisten statt Fraktionslisten die Regel. Laut WKO-Statistik haben von 294.397 Unternehmen (ohne den öffentlichen Dienst) 57.387 mehr als fünf Beschäftigte, kommen also für eine Betriebsratswahl in Frage. Rechnerisch müsste es demnach für die hier 1,98 Millionen Beschäftigten rund 117.000 BetriebsrätInnen geben, tatsächlich werden aber laut ÖGB nur rund 50.000 BetriebsrätInnen bzw. PersonalvertreterInnen in rund 10.000 Betrieben gewählt. Hier liegen also große Reserven, die auch wir nützen können und sollen.
Wenn sich Betriebsrat, Personalvertretung und Gewerkschaft nur als Kümmerer verstehen, ist das zu wenig. Das praktiziert die in vielen Betrieben allmächtige FSG immer noch mit Hingabe um die Politik der SPÖ-geführten Regierung zu verschleiern. Das Kümmern gehört natürlich bis zu einem bestimmten Ausmaß zum Kerngeschäft, gleichzeitig wird damit aber Stellvertreterdenken und Servicementalität tradiert. Das Bestreben linker Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit muss es hingegen sein, soweit wie möglich Partizipation und Selbsttätigkeit im Sinne von Selbstermächtigung zu fördern. Dabei geht es vorrangig um Inhalte, wir sollten daher Betriebsratswahlen mit Argumenten schlagen und nicht mit teuren Wahlgeschenken eine falsche Konkurrenz mit FSG und Konsorten betreiben.
Erfahrungen aus der Arbeit in Gremien
Für unser Agieren in betrieblichen und gewerkschaftlichen Gremien sowie in Arbeiterkammern stellen sich ähnliche Anforderungen wie in parlamentarischen Körperschaften. Wobei anzumerken wäre, dass SpitzengewerkschafterInnen in gesetzgebenden Körperschaften fehl am Platz sind, wenn sie dort nicht die Interessen der Lohnabhängigen bzw. der Gewerkschaftsmitglieder vertreten sondern aus Parteiräson und Fraktionszwang Belastungspakete wie im Dezember 2010 im Nationalrat mitbeschließen oder Lohnkürzungen wie im oberösterreichischen Landtag kürzlich geschehen absegnen.
Wir brauchen keine Illusionen darüber zu entfachen, was in Gewerkschaftsgremien oder Arbeiterkammern, zudem meist als EinzelkämpferInnen, denn groß an Veränderungen bewirkt werden kann. Und dennoch gilt es sich der Auseinandersetzung zu stellen, ist sie doch ein wesentlicher Maßstab für den Einfluss den wir erreichen können, wobei das Zusammenspiel von Gremienarbeit mit Aktionen außerhalb der Gremien wichtig ist.
Wir sind keine Neinsager aus Prinzip, aber wenn es notwendig ist, ist ein deutliches Nein angebracht, etwa bei Lohn- oder Gehaltsabschlüssen die wir angesichts jahrelanger Reallohnverluste als ungenügend einschätzen. Und dabei bleiben wir oft gar nicht allein, wie meine Erfahrungen bei den Verhandlungen um den BAGS-KV zeigen.
Aus meinen Erfahrungen in gewerkschaftlichen Gremien, vor allem im Bereich der GPA, kann ich aber auch berichten, dass sich das politische Klima in den Gewerkschaften doch etwas verändert hat. Es wird mehr auf uns gehört, es gibt -wenn oft auch außerhalb der Tagesordnung - Zustimmung von FSGlerInnen und weitgehende Übereinstimmung mit der UG. Erfreulich ist auch, dass Themen, die wir seit Jahren forcieren, wie ein gesetzlicher Mindestlohn, die Arbeitszeitverkürzung oder die Wertschöpfungsabgabe jetzt auch von ÖGB und AK zumindest teilweise aufgegriffen werden.
Immer wieder finden Forderungen, die wir seit Jahren erheben und für die wir uns seit Jahren von den Mehrheitsfraktionen anfeinden lassen mussten, dann doch Eingang in offizielle Gewerkschaftspapiere- oder Forderungskataloge. So beginnt in letzter Zeit das strikte ÖGB-Nein zu einem gesetzlichen Mindestlohn schon langsam aufzubrechen. Wir könnten nun sagen: Das ist unser Erfolg – oder: Die haben unsere Forderung gestohlen. Je nach Persönlichkeitsstruktur wird es hier unterschiedliche Sichtweisen geben.
Unterm Strich jedoch bleibt, dass die eingangs zitierte Passage aus dem Kommunistischen Manifest, nämlich dass die KommunistInnen „theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht“ haben, doch immer wieder Realität werden kann, wenn wir sie ohne unangebrachtem Hochmut und ohne abschreckender Besserwisserei ständig weiter entwickeln und mit den Menschen im Kontakt und in Beziehung sind.
Karin Antlanger, Mag.a, geb. 1958, Juristin und Sozialpädagogin, Betriebsratsvorsitzende EXIT-Sozial Linz, stv. Bundesvorsitzende des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB).