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Nur zwei Drittel

  • Samstag, 29. Oktober 2011 @ 08:00
Meinung Von Heike Fischer

Obwohl Frauen heute häufig die gleichen Qualifikationen besitzen oder gleiche Leistungen erbringen wie ihre männlichen Kollegen, werden sie doch in fast allen beruflichen Tätigkeiten schlechter bezahlt.

Österreich im Frühsommer 2011: Frauen in der Privatwirtschaft verdienen nur zwei Drittel des Gehalts ihrer männlichen Kollegen, oder anders gesagt: Bei gleichwertiger Arbeit erhalten Männer im Angestelltenbereich durchschnittlich ein Drittel mehr Gehalt als Frauen. Zentraler Grund sind geschlechterspezifische Diskriminierungen, nach denen die Arbeitsleistung von Frauen immer noch als „minderwertiger“ angesehen wird. Frauen – so die Klischees – sind schlechter gebildet, psychisch und körperlich weniger belastbar, nicht durchsetzungsfähig. Sie müssen nicht wie Männer „eine Familie ernähren“.

Ein weiterer Grund für die schlechte Bezahlung von Frauen ist, dass die „typisch“ weiblichen Berufe meist zu den Berufen mit den geringsten Verdienstmöglichkeiten zählen. Vergleicht frau/man die Gehaltstabellen der Angestellten im Handel, im Sozial- und Gesundheitswesen, überhaupt im Dienstleistungssektor mit den Löhnen und Gehältern im nach wie vor männlich dominierten Produktionsbereich, dann werden die Einkommensunterschiede besonders deutlich. Das hat zur Folge, dass Branchen wie Pflege, Betreuung usw. für Männer auch weiterhin nicht attraktiv genug sind, was die Spirale noch weiter nach unten treibt. Und die öffentliche Hand trägt mit ihren Kürzungsmaßnahmen noch dazu bei.

Auch die Argumente, dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Berufen und Branchen arbeiten, oft nur teilzeitbeschäftigt sind, weniger Führungspositionen besetzen oder eher in kleinen und mittelständischen Unternehmen arbeiten, können die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede nur teilweise erklären.

Eine bedeutende Ursache für die Einkommensunterschiede sind dagegen die beruflichen Unterbrechungen von Frauen in den Karenz- und Kindererziehungszeiten. Sie verlieren während ihrer Abwesenheit oft Vorrückungen oder Biennalsprünge. In meiner Sozial- und heilpädagogischen Einrichtung werden beispielsweise die jeweils ersten zwölf Monate dieser Zeiten nicht für Vorrückungen angerechnet. Beim Wechsel in eine andere Einrichtung gehen häufig sogar die gesamten Zeiten der Karenz und Kindererziehung verloren.

Auch die Väterkarenz ändert bislang an diesem Umstand nichts, denn in den meisten Familien ist es selbstverständlich, dass der besser verdienende Partner, also meistens der Mann, weiterhin arbeiten geht, um Einkommenseinbußen für die Familie zu vermeiden.

Des Weiteren verhalten sich Frauen in Gehaltsverhandlungen zurückhaltender und wechseln seltener ihre Arbeitsstelle, um ein besseres Gehalt zu bekommen. Frauen sind deshalb aber nicht generell unflexibler als Männer. Grund dafür ist vielmehr, dass die meisten Frauen froh sind, eine Stelle gefunden zu haben, bei der sie Berufstätigkeit und Familienleben vereinbaren können, und sie diesen Vorteil nicht verlieren wollen.

Dass Frauen geringere Einkommen als Männer beziehen, zieht sich wie ein roter Faden durch den lebenslangen Erwerbsverlauf. Die Ursachen für die geringere Entlohnung sind, angefangen bereits bei niedrigen Einstiegsgehältern, vielfältig, daher muss auch mit verschiedenen Maßnahmen gegengesteuert werden – über Gesetze, Regelungen in den Kollektivverträgen und betriebliche Maßnahmen.

Ein bedeutender Schritt wäre der verstärkte Ausbau einer hochwertigen sozialen Infrastruktur. In Ländern, wo Frauen bessere Erwerbs- und Einkommenschancen haben als in Österreich, gibt es beispielhafte Kinderbetreuungsangebote mit Öffnungszeiten, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zulassen. Der hohe volkswirtschaftliche Nutzen ist unbestreitbar, wenn beiden Elternteilen Erwerbsbeteiligung ermöglicht wird. Es braucht also bessere Rahmenbedingungen, damit Frauen auch nach der Geburt ihrer Kinder weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgehen können.

Wesentlicher Faktor für Einkommensnachteile von Frauen sind Teilzeitbeschäftigung und andere prekäre Dienstverhältnisse. Dabei ist der Einkommensunterschied nicht nur durch die geringere Arbeitszeit bedingt, sondern auch auf schlechtere Karrierechancen zurückzuführen. So kommen Teilzeitbeschäftigte in qualifizierten und Führungspositionen nur selten vor. Sie werden in der betrieblichen Weiterbildung- und Karriereplanung wenig berücksichtigt. Es genügt nicht, möglichst Mehrarbeitszuschläge analog zu Überstundenzuschlägen einzuführen, sondern eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich schafft sowohl für Frauen als auch für Männer neue Arbeitsplätze und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Um die Einkommensschere zu schließen bedarf es einer massiven Anhebung der Gehaltstabellen, insbesondere der Einstiegsgehälter in den frauendominierten Branchen, und eine Erhöhung des Frauenanteils in den noch „männlichen“ industriellen Branchen und in den oberen Hierarchieebenen. Warum also nicht eine Quotenregelung für Führungsetagen von Unternehmen oder für Aufsichtsräte einführen? Die Frauen von heute haben bei der Bildung aufgeholt und sind immer häufiger hervorragend qualifiziert.

Heike Fischer ist Diplompädagogin und BRV im Zentrum Spattstraße in Linz