Der spitzeste Steuersatz
- Samstag, 8. Oktober 2011 @ 12:18
Die Diskussion um den Spitzensteuersatz bewegt die politische Landschaft Österreichs. Es ist ein langlebiges Thema, seit im Jahr 1898 die progressive Einkommenssteuer in Österreich eingeführt worden ist.
Schon dem damaligen Beschluss waren mehr als dreißig Jahre Diskussion im Parlament vorausgegangen, um einerseits die Art und Berechtigung einer solchen progressiven Steuer zu erörtern, vor allem aber die Höhe der einzuhebenden Steuersätze zu bestimmen. Mäßig oder radikal?
Man stritt, ob die Progression „mäßig“ sein sollte, von 0,6 bis maximal drei Prozent, oder „radikal“, und darunter verstand man einen Grenzsteuersatz von 15 Prozent. Schlussendlich entschied man sich für ein Modell, das mit 0,5 Prozent Steuer bei einem Jahreseinkommen von 1200 Kronen begann und mit fünf Prozent Steuer bei Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Kronen endete.
Von den Abgeordneten des Herrenhauses, der damals zweiten Kammer, wurde vergeblich versucht, solch „räuberische“ Spitzensteuersätze wieder auf vier Prozent zu senken. Dabei war das Steuersystem der guten alten Zeit der Habsburgermonarchie ohnehin so beschaffen, dass Superreiche wie Rothschild, Gutmann oder Schwarzenberg inklusive aller sonstigen Steuern von ihren Einkommen, die die Millionengrenze weit überschritten, höchstens zehn Prozent Steuer abzuführen hatten.
Jeder Kleinverdiener musste indessen von seinen vielleicht 1000 Kronen Jahreseinkommen sicher mehr als 20 Prozent als Steuer berappen. Denn fast vier Fünftel der Staatseinnahmen aus der Besteuerung von Grundbedürfnissen wie Tabak, Zucker, Salz, Fleisch, Mehl und Petroleum für die Lampen stammten, von denen ein Millionär nicht viel mehr verbrauchte als ein einfacher Haushalt. Im und nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Spitzensteuersätze drastisch erhöht, in Österreich von fünf Prozent 1913 auf 60 Prozent 1920. In den USA stieg der Spitzensteuersatz sogar von sieben Prozent 1913 auf 94 Prozent im Jahr 1944. Der amerikanische Franklin D. Roosevelt forderte sogar einen Spitzensteuersatz von 100 Prozent.
Müdes, reiches Lächeln
In den USA reduzierte man die Höchststeuersätze nach dem Krieg in mehreren Stufen wieder auf heute 33 Prozent, in Österreich im Jahr 1988 auf 50 Prozent. Aber für die wirklich Reichen wurden diese Sätze viel deutlicher gesenkt. Sie werden über die in Österreich ausgebrochene Diskussion müde lächeln, weil sie Kapital längst in eigennützigen Stiftungen geparkt haben und von den reduzierten Steuersätzen und den völlig progressionslosen Quellensteuern profitieren, die das Zinserträgnis des kleinsten Sparbuches gleich behandeln wie die Ausschüttungen eines Milliardenvermögens.
Autor: Roman Sandgruber
Quelle: OÖN, 8.10.2011, www.nachrichten.at
Schon dem damaligen Beschluss waren mehr als dreißig Jahre Diskussion im Parlament vorausgegangen, um einerseits die Art und Berechtigung einer solchen progressiven Steuer zu erörtern, vor allem aber die Höhe der einzuhebenden Steuersätze zu bestimmen. Mäßig oder radikal?
Man stritt, ob die Progression „mäßig“ sein sollte, von 0,6 bis maximal drei Prozent, oder „radikal“, und darunter verstand man einen Grenzsteuersatz von 15 Prozent. Schlussendlich entschied man sich für ein Modell, das mit 0,5 Prozent Steuer bei einem Jahreseinkommen von 1200 Kronen begann und mit fünf Prozent Steuer bei Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Kronen endete.
Von den Abgeordneten des Herrenhauses, der damals zweiten Kammer, wurde vergeblich versucht, solch „räuberische“ Spitzensteuersätze wieder auf vier Prozent zu senken. Dabei war das Steuersystem der guten alten Zeit der Habsburgermonarchie ohnehin so beschaffen, dass Superreiche wie Rothschild, Gutmann oder Schwarzenberg inklusive aller sonstigen Steuern von ihren Einkommen, die die Millionengrenze weit überschritten, höchstens zehn Prozent Steuer abzuführen hatten.
Jeder Kleinverdiener musste indessen von seinen vielleicht 1000 Kronen Jahreseinkommen sicher mehr als 20 Prozent als Steuer berappen. Denn fast vier Fünftel der Staatseinnahmen aus der Besteuerung von Grundbedürfnissen wie Tabak, Zucker, Salz, Fleisch, Mehl und Petroleum für die Lampen stammten, von denen ein Millionär nicht viel mehr verbrauchte als ein einfacher Haushalt. Im und nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Spitzensteuersätze drastisch erhöht, in Österreich von fünf Prozent 1913 auf 60 Prozent 1920. In den USA stieg der Spitzensteuersatz sogar von sieben Prozent 1913 auf 94 Prozent im Jahr 1944. Der amerikanische Franklin D. Roosevelt forderte sogar einen Spitzensteuersatz von 100 Prozent.
Müdes, reiches Lächeln
In den USA reduzierte man die Höchststeuersätze nach dem Krieg in mehreren Stufen wieder auf heute 33 Prozent, in Österreich im Jahr 1988 auf 50 Prozent. Aber für die wirklich Reichen wurden diese Sätze viel deutlicher gesenkt. Sie werden über die in Österreich ausgebrochene Diskussion müde lächeln, weil sie Kapital längst in eigennützigen Stiftungen geparkt haben und von den reduzierten Steuersätzen und den völlig progressionslosen Quellensteuern profitieren, die das Zinserträgnis des kleinsten Sparbuches gleich behandeln wie die Ausschüttungen eines Milliardenvermögens.
Autor: Roman Sandgruber
Quelle: OÖN, 8.10.2011, www.nachrichten.at