Das FremdenUNrechtspaket 2011
- Montag, 6. Juni 2011 @ 11:10
Von Mümtaz Karakurt
Ein weiteres Kapitel im menschenunwürdigen und wirtschaftspolitisch fragwürdigen Umgang mit MigrantInnen wurde aufgeschlagen:
Österreich steht wieder mal vor einer Novellierung des Fremdenrechts und wer eigentlich schon nicht mehr an die Möglichkeit einer Verschlechterung geglaubt hat, der wurde erneut eines Besseren belehrt. Am 29. April 2011 wurde mit den Stimmen der SPÖ und der ÖVP das FremdenUNrechtspaket beschlossen. Gründe für eine weitere Novellierung des Fremdenrechts waren va EU-Richtlinien, die Österreich umzusetzen hat und die Forderung der Sozialpartner nach einem neuen Modell der Arbeitsmigration. Im Zuge dessen nutzte Ex-Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) die Gunst der Stunde und nahm gleich noch ein paar weitere Verschärfungen – wie die so genannte „Mitwirkungspflicht“ für AsylwerberInnen – mit hinein.
Punkte statt Quoten
Ein Großteil der Veränderungen betrifft den Bereich der Zuwanderung von Arbeitskräften und deren Familienangehörigen. Bisher wurde diese durch Quoten geregelt. In Zukunft sollen Kriterien wie etwa Sprache, Alter oder Qualifikation entscheidend sein. Der Abgang von Quoten und die Einführung eines Punktesystems kann prinzipiell als positiv bewertet werden, die konkrete Ausgestaltung lässt leider zu wünschen übrig:
Einwanderungswillige Personen erhalten aufgrund unterschiedlicher Kriterien (Alter, Qualifikation, Deutschkenntnisse, etc.) eine bestimmte Anzahl an Punkten. Erfüllen sie eine Mindestanzahl, bekommen sie Aufenthalt und Arbeitsmarktzugang (Rot-Weiß-Rot Card).
Problematisch hierbei ist va die Schaffung eines Zweiklassensystems von ZuwanderInnen. Jene mit besonders hohen Qualifikationen sind in vielen Belangen besser gestellt (es müssen vorab keine Deutschkenntnisse nachgewiesen werden, rascherer Familiennachzug, Familienangehörige müssen auch keine Deutschkenntnisse nachweisen etc.).
Die drei Hürden
Eine weitere Verschärfung sieht die gesamte Neuregelung der Sprachpflichten vor. Es wurden drei Hürden geschaffen:
Erste Hürde ist die Absolvierung von A1-Prüfungen (Europäischer Sprachreferenzrahmen) für Familienangehörige bereits im Herkunftsland. Diese Regelung wird es va Frauen maßgeblich erschweren, ihren in Österreich arbeitenden Männern nachzufolgen. Die Gründe dafür sind va mangelnde Ressourcen (Finanzen, Kinderbetreuung, Zeit, Bildung, etc.). Ganze Familien werden dadurch dauerhaft getrennt.
Die zweite Hürde ist die Absolvierung von A2-Prüfungen innerhalb von zwei Jahren in Österreich. Diese Voraussetzung wird von vielen Personen nicht zu erfüllen sein. Wie soll man sich innerhalb von zwei Jahren einfinden, zurechtfinden, Vollzeit arbeiten und nebenher noch einen A2-Sprachkurs positiv abschließen?
Die dritte Hürde ist die Voraussetzung von B1 für dauerhaften Aufenthalt und den Zugang zur Staatsbürgerschaft. Eine Methode um ewige Fremdheit per Gesetz zu erzeugen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Plan der Sozialpartner, nämlich Anwerbung gut qualifizierter Personen, nicht aufgehen kann. Denn gut Qualifizierte werden in Zukunft entscheiden, welches Land ihnen und ihren Familien die besseren Lebensbedingungen bietet und da schneidet Österreich schlecht ab.
Frauen ausgeschlossen
Zudem muss darauf verwiesen werden, dass die Novelle insbesondere das Leben von migrantischen Frauen verschlechtern wird. Es ist kein „emanzipatorisches Fremdenrecht“ wie von der ehemaligen Innenministerin Fekter polemisch bezeichnet. Es ist ein Fremdenrecht, das Frauen von Familiennachzug ausschließt, ihnen Aufenthaltssicherheit und politische Mitbestimmung verwehrt und sie einer großen Unsicherheit aussetzt.
Weitere von der Novellierung betroffene Gesetzesmaterien sind das Fremdenpolizei- und das Asylgesetz. Notwendig wurden die Neuregelungen va wegen vorliegender EU-Richtlinien die es umzusetzen gilt. Die konkrete Ausgestaltung ist aber auch hier von fragwürdig bis schikanös und gleicht der allgemeinen Tendenz, nämlich einer möglichst restriktiven Ausschöpfung des vorhandenen Spielraums.
Die im Vorfeld von vielen Seiten scharf kritisierte „Mitwirkungspflicht“ für AsylwerberInnen wurde beschlossen. Dahinter versteckt sich ein unbegründeter befristeter Freiheitsentzug für AsylwerberInnen, eine völlig unnötige Schikane.
Auch Kinder dürfen weiterhin in Haft genommen werden. Der Passus „kindergerechte Unterbringung“ wird die dadurch ausgelösten Traumatisierungen für Kinder wohl nicht verhindern. Auch die Möglichkeiten zur Inhaftierung von unbegleiteten Minderjährigen wurden ausgeweitet.
Neu ist auch das automatische Aufenthaltsverbot im Zuge einer Ausweisung. Unabhängig davon ob die Betroffenen selbst ausreisen, abgeschoben werden oder welche familiären Bindungen sie in Österreich haben, wird ein mind. 18-monatiges Aufenthaltsverbot erlassen.
Nur kleine Erleichterungen
Nicht außer Acht gelassen werden sollen auch jene Neuregelungen, die als positiv zu bewerten sind. Sie werden in Einzelfällen kleinere Erleichterungen bringen, verändern aber nicht die Gesamtbewertung der geplanten Novellierung.
Drittstaatsangehörige die eine österreichische Universität oder Fachhochschule absolviert haben, werden einen etwas leichteren Arbeitsmarktzugang geben soll.
Trotz vieler offener Punkte ist auch die kostenlose Rechtsberatung bei Ausweisungsentscheidungen und im Asylverfahren eine positive Änderung.
Positiv ist auch die Möglichkeit des rascheren Arbeitsmarktzugangs für nachkommende Familienangehörige. Diese Erleichterung wird aber durch die Hürde „Deutsch vor Zuzug“ wieder aufgehoben.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass dieses Paket keine Verbesserungen im Zusammenleben von Einheimischen mit und ohne Migrationshintergrund bringen wird. Würden uns Restriktionen zum Ziel führen, so müssten wir schon eines der Integrations-Vorzeige-Länder sein. Es fehlt an einem ganzheitlichen Integrationskonzept, das MigrantInnen eine gleichberechtigte Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht. Stattdessen wird ein schon unüberschaubares Gesetzeswerk noch verkompliziert.
Mümtaz Karakurt ist Geschäftsführer von migrare – Zentrum für MigrantInnen OÖ, Infos www.migrare.at
Ein weiteres Kapitel im menschenunwürdigen und wirtschaftspolitisch fragwürdigen Umgang mit MigrantInnen wurde aufgeschlagen:
Österreich steht wieder mal vor einer Novellierung des Fremdenrechts und wer eigentlich schon nicht mehr an die Möglichkeit einer Verschlechterung geglaubt hat, der wurde erneut eines Besseren belehrt. Am 29. April 2011 wurde mit den Stimmen der SPÖ und der ÖVP das FremdenUNrechtspaket beschlossen. Gründe für eine weitere Novellierung des Fremdenrechts waren va EU-Richtlinien, die Österreich umzusetzen hat und die Forderung der Sozialpartner nach einem neuen Modell der Arbeitsmigration. Im Zuge dessen nutzte Ex-Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) die Gunst der Stunde und nahm gleich noch ein paar weitere Verschärfungen – wie die so genannte „Mitwirkungspflicht“ für AsylwerberInnen – mit hinein.
Punkte statt Quoten
Ein Großteil der Veränderungen betrifft den Bereich der Zuwanderung von Arbeitskräften und deren Familienangehörigen. Bisher wurde diese durch Quoten geregelt. In Zukunft sollen Kriterien wie etwa Sprache, Alter oder Qualifikation entscheidend sein. Der Abgang von Quoten und die Einführung eines Punktesystems kann prinzipiell als positiv bewertet werden, die konkrete Ausgestaltung lässt leider zu wünschen übrig:
Einwanderungswillige Personen erhalten aufgrund unterschiedlicher Kriterien (Alter, Qualifikation, Deutschkenntnisse, etc.) eine bestimmte Anzahl an Punkten. Erfüllen sie eine Mindestanzahl, bekommen sie Aufenthalt und Arbeitsmarktzugang (Rot-Weiß-Rot Card).
Problematisch hierbei ist va die Schaffung eines Zweiklassensystems von ZuwanderInnen. Jene mit besonders hohen Qualifikationen sind in vielen Belangen besser gestellt (es müssen vorab keine Deutschkenntnisse nachgewiesen werden, rascherer Familiennachzug, Familienangehörige müssen auch keine Deutschkenntnisse nachweisen etc.).
Die drei Hürden
Eine weitere Verschärfung sieht die gesamte Neuregelung der Sprachpflichten vor. Es wurden drei Hürden geschaffen:
Erste Hürde ist die Absolvierung von A1-Prüfungen (Europäischer Sprachreferenzrahmen) für Familienangehörige bereits im Herkunftsland. Diese Regelung wird es va Frauen maßgeblich erschweren, ihren in Österreich arbeitenden Männern nachzufolgen. Die Gründe dafür sind va mangelnde Ressourcen (Finanzen, Kinderbetreuung, Zeit, Bildung, etc.). Ganze Familien werden dadurch dauerhaft getrennt.
Die zweite Hürde ist die Absolvierung von A2-Prüfungen innerhalb von zwei Jahren in Österreich. Diese Voraussetzung wird von vielen Personen nicht zu erfüllen sein. Wie soll man sich innerhalb von zwei Jahren einfinden, zurechtfinden, Vollzeit arbeiten und nebenher noch einen A2-Sprachkurs positiv abschließen?
Die dritte Hürde ist die Voraussetzung von B1 für dauerhaften Aufenthalt und den Zugang zur Staatsbürgerschaft. Eine Methode um ewige Fremdheit per Gesetz zu erzeugen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Plan der Sozialpartner, nämlich Anwerbung gut qualifizierter Personen, nicht aufgehen kann. Denn gut Qualifizierte werden in Zukunft entscheiden, welches Land ihnen und ihren Familien die besseren Lebensbedingungen bietet und da schneidet Österreich schlecht ab.
Frauen ausgeschlossen
Zudem muss darauf verwiesen werden, dass die Novelle insbesondere das Leben von migrantischen Frauen verschlechtern wird. Es ist kein „emanzipatorisches Fremdenrecht“ wie von der ehemaligen Innenministerin Fekter polemisch bezeichnet. Es ist ein Fremdenrecht, das Frauen von Familiennachzug ausschließt, ihnen Aufenthaltssicherheit und politische Mitbestimmung verwehrt und sie einer großen Unsicherheit aussetzt.
Weitere von der Novellierung betroffene Gesetzesmaterien sind das Fremdenpolizei- und das Asylgesetz. Notwendig wurden die Neuregelungen va wegen vorliegender EU-Richtlinien die es umzusetzen gilt. Die konkrete Ausgestaltung ist aber auch hier von fragwürdig bis schikanös und gleicht der allgemeinen Tendenz, nämlich einer möglichst restriktiven Ausschöpfung des vorhandenen Spielraums.
Die im Vorfeld von vielen Seiten scharf kritisierte „Mitwirkungspflicht“ für AsylwerberInnen wurde beschlossen. Dahinter versteckt sich ein unbegründeter befristeter Freiheitsentzug für AsylwerberInnen, eine völlig unnötige Schikane.
Auch Kinder dürfen weiterhin in Haft genommen werden. Der Passus „kindergerechte Unterbringung“ wird die dadurch ausgelösten Traumatisierungen für Kinder wohl nicht verhindern. Auch die Möglichkeiten zur Inhaftierung von unbegleiteten Minderjährigen wurden ausgeweitet.
Neu ist auch das automatische Aufenthaltsverbot im Zuge einer Ausweisung. Unabhängig davon ob die Betroffenen selbst ausreisen, abgeschoben werden oder welche familiären Bindungen sie in Österreich haben, wird ein mind. 18-monatiges Aufenthaltsverbot erlassen.
Nur kleine Erleichterungen
Nicht außer Acht gelassen werden sollen auch jene Neuregelungen, die als positiv zu bewerten sind. Sie werden in Einzelfällen kleinere Erleichterungen bringen, verändern aber nicht die Gesamtbewertung der geplanten Novellierung.
Drittstaatsangehörige die eine österreichische Universität oder Fachhochschule absolviert haben, werden einen etwas leichteren Arbeitsmarktzugang geben soll.
Trotz vieler offener Punkte ist auch die kostenlose Rechtsberatung bei Ausweisungsentscheidungen und im Asylverfahren eine positive Änderung.
Positiv ist auch die Möglichkeit des rascheren Arbeitsmarktzugangs für nachkommende Familienangehörige. Diese Erleichterung wird aber durch die Hürde „Deutsch vor Zuzug“ wieder aufgehoben.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass dieses Paket keine Verbesserungen im Zusammenleben von Einheimischen mit und ohne Migrationshintergrund bringen wird. Würden uns Restriktionen zum Ziel führen, so müssten wir schon eines der Integrations-Vorzeige-Länder sein. Es fehlt an einem ganzheitlichen Integrationskonzept, das MigrantInnen eine gleichberechtigte Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht. Stattdessen wird ein schon unüberschaubares Gesetzeswerk noch verkompliziert.
Mümtaz Karakurt ist Geschäftsführer von migrare – Zentrum für MigrantInnen OÖ, Infos www.migrare.at