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Tabakprivatisierung: Weg mit Schaden

  • Montag, 6. Juni 2011 @ 08:00
Meinung Von Lutz Holzinger

Staatliche Monopolbetriebe waren einst die ökonomische Voraussetzung für den Aufstieg der Donaumonarchie zu einer Weltmacht. Die Privatisierung dieser Unternehmen ist heute die Begleitmusik zur wirtschaftlichen Entmachtung der politischen Entscheidungsträger, die deshalb immer weniger zu bestimmen haben. Es kam wie es kommen musste: Im Mai gab die Japan Tobacco International (JTI) als Eigentümer der Austria Tabak (1784 als Tabakregie gegründet) die Schließung der letzten Produktionsstätte für Zigaretten in Österreich bekannt. Hainburg soll bis Ende 2012 zugesperrt werden. Damit verlieren 240 Beschäftigte ihre Anstellung.

Diesem Schachzug der JTI ging der stümperhafte Umgang von unterschiedlich zusammengesetzten Koalitionsregierungen mit einem Teil des Tafelsilbers der 2. Republik voraus. Unter anderem wurde die Austria Tabak zunächst zitzerlweise und schließlich zur Gänze auf den Markt geworfen, ohne verbindliche Standortgarantien einzufordern. Bei der vollen Veräußerung von Unternehmen sind derartige Zusagen allerdings ohnehin Schall und Rauch. Deshalb hätte es sich empfohlen, eine Sperrminorität der Republik zu behalten.

Ohne Not und unter dem Vorwand, eines illusorischen „Nulldefizits“ hat die Regierung Schüssel die traditionsreiche ehemalige Tabakregie zur Gänze auf den Markt geworfen. Die Chronologie dieses Trauerspiels schließt das von SPÖ und ÖVP gebildete Kabinett Victor Klima ein. Es begann damit, dass die Republik 1997 sämtliche Anteile an der Austria Tabak AG an die Industrieholding ÖAIG übertrug. Diese verkaufte bereits am 5. November desselben Jahres 49,5 Prozent der Anteile an institutionelle und private Aktionäre.

Briten von Japanern geschluckt

Im März 1999 wurden weitere 9,4 Prozent an institutionelle Anleger verscherbelt. Aus einer öffentlichen Ausschreibung, die im März 2001 schlagend wurde, ging der britische Tabakkonzern Gallaher Group als Sieger hervor, Er übernahm die restlichen 41,1 Prozent Anteile für rund 770 Millionen Euro und kaufte zu einem Vorzugspreis das Gros der übrigen Aktien. Am 18. April 2007 wurde die Gallaher Group – und mit ihr die Austria Tabak – von der JTI geschluckt.

Die „Sanierung“ durch Zusperren nahm unter beiden Eigentümern ihren Lauf. 2005 wurde die Zigarettenfabrik in Schwaz und die Zigarrenfertigung in Fürstenfeld geschlossen. Nach der Modernisierung der Werke in Linz und Hainburg und der damit verbundenen vermeintlichen Standortsicherung stieg die Zigarettenproduktion von 25,4 Milliarden Stück im Jahr 2000 auf 36,4 Milliarden Stück im Jahr 2005. Dennoch wurde zum Jahresende 2009 die Fertigung in Linz eingestellt. Und Ende 2012 geht es Hainburg an den Kragen. Damit wird ein stolzes Kapitel heimsicher Industriegeschichte geschlossen. Neben den 240 Beschäftigten vor Ort geht es überdies 80 MitarbeiterInnen mit produktionsorientierten Aufgaben in der Wiener Zentrale an den Kragen.

Mit der Einstellung der Produktion bleibt dem JTI Tochterbetrieb Austria Tabak lediglich der Großhandel in Österreich. Endgültig vernichtet sind die Arbeitsplätze nicht nur in der Tabakproduktion sondern auch im Zulieferbereich. Aufgrund des hohen Automatisierungsgrad in der Zigarettenfertigung zieht nicht einmal das Argument von der gesetzmäßigen Abwanderung lohnintensiver Produktionen in Billiglohnländer. Durch die Preisgabe der Eigentümerrechte hat die schwarz-blaue Koalition für gesorgt, dass hunderte hochwertige Arbeitsplätze unwiderruflich verloren gingen.

Der Aufbau der Tabakregie hatte ursprünglich mit dem Bedarf der aufstrebenden Kontinentalmacht Österreich-Ungarn (Stichwort: Prinz Eugen) an stabilen Einnahmequellen für die Unterhaltung eines stehenden Heeres zu tun. Aus diesem Grund gab es im frühen 18. Jahrhundert nach dem Muster der immer schon der „Kammer“ (also dem Finanzministerium) unterstellten Salzproduktion eine Tendenz zur Monopolisierung. Ein gefundenes Fressen war dafür der Tabakanbau und seine Verarbeitung. Um 1700 wurde der Tabakanbau außerhalb von Hausgärten verboten; ab 1723 waren Anbaulizenzen erforderlich; gleichzeitig wurde der freie Tabakverkauf verboten; 1964 wurde unter Maria Theresia ein Tabakmonopol für Nieder- und Oberösterreich erlassen und seine Verwaltung einer Privatfirma überlassen.

Monopol seit 1784

1784 schließlich wurde die staatliche Österreichische Tabakregie als Monopol in allen österreichischen Ländern unter Joseph II. etabliert. Neben als Geldquelle für den Staatshaushalt diente sie zur Versorgung von Kriegsinvaliden: Trafiken waren für einfache Soldaten und der Großhandel für Offiziere vorgesehen. Erst „1979 wurden“ – laut Wikipedia – „Zivilbehinderte in den Kreis der bei der Trafik-Vergabe bevorzugten Personen aufgenommen.“ Die Einrichtung hat einige gesetzliche Satzungsänderungen überlebt und als Melkkuh des Finanzministeriums gedient. Zwar stammt das Gros der Einnahmen aus den Sondersteuern, die auf Tabakwaren eingehoben werden; aber der Ertrag eines derartigen Monopolbetriebs ist ebenfalls nicht zu verachten.

Dazu kommen die sicheren Einnahmen aus der Lohnsteuer und den Sozialabgaben der Beschäftigten, sofern die Inlandsarbeitsplätze gesichert sind. Genau die sind jedoch im Begriff mit der Einstellung der Produktion der Austria Tabak in Österreich futsch zu gehen. Dabei war nie eine wirtschaftliche Notwendigkeit erkennbar, das Unternehmen mit seinen langfristig unbezahlbaren Vorteilen willkürlich aus der Hand zu geben.

Lutz Holzinger ist Journalist und lebt in Wien