EGB-Kongress macht Front gegen den Euro-Plus-Pakt
- Mittwoch, 25. Mai 2011 @ 15:09
Für die europäischen Gewerkschaften "völlig unakzeptabel" - Forderung nach "grundlegender Änderung" erhoben. Von Georg Polikeit
Auf dem 12. Kongress des "Europäischen Gewerkschaftsbundes" (EGB), der unter dem Motto "Mobilisierung für ein soziales Europa" vom 16. -19. Mai in Athen stattfand, beschlossen die rund 500 Delegierten von 83 europäischen Gewerkschaften aus 36 Ländern eine deutlichere Frontstellung als bisher gegen die von den EU-Spitzen betriebene neoliberale Ausrichtung der EU-Politik und insbesondere gegen den neuen "Euro-Plus-Pakt". In dem von dem Kongress verabschiedeten "Manifest von Athen" heißt es einleitend, das Hauptproblem für die europäischen Gewerkschaften sei gegenwärtig, "dass die Finanzkrisen, die Griechenland, Irland und Portugal betreffen, und genereller die Durchsetzung der Politik der Austerität (Sparzwang) in anderen Mitgliedsstaaten einen Druck auf die Löhne, die öffentlichen Dienste, die soziale Absicherung, die Renten und die Arbeits- und Lebensbedingungen ausüben".
Die bisherigen EU-"Rettungspakete" hätten nur negative Auswirkungen gehabt und für die betroffenen Länder zu einer "Periode verlängerter Rezession mit wachsender Schuldenlast" geführt. Der EGB fordere daher "dringlich eine grundlegende Änderung in der Herangehensweise der EU, damit sie den Ländern in Schwierigkeiten effektive Hilfe bringt".
Kritik am Euro-Pakt
Darüber hinaus enthält das "Manifest" eine Auflistung der gewerkschaftlichen Kritikpunkte an dem von den EU-Spitzen im März 2011 beschlossenen neuen "Euro-Plus-Pakt". Hervorgehoben werden die darin enthaltenen "Empfehlungen" an die EU-Staaten für einen EU-weiten "Vergleich der Lohnstückkosten" (also eine EU-Kontrolle der Lohnentwicklung), die Ablehnung der Indexierung der Löhne an den Lebenshaltungskosten, die "Bindung der Löhne an die Produktivität ohne Berücksichtigung der Inflation", die Ablehnung von zentralisierten Lohn- und Tarifverhandlungen (zugunsten betrieblicher und lokaler Abschlüsse), die Orientierung auf die Senkung der Löhne in den öffentlichen Diensten mit Folgen für das Lohnniveau auch in der Privatwirtschaft, der Druck auf die Rentensysteme in Richtung genereller Erhöhung des Renteneintrittsalters und gegen Vorruhestandsregelungen sowie die Verpflichtung zur Einführung verfassungsmäßigen oder gesetzlichen"Schuldenbremsen" in den einzelnen Staaten zwecks Begrenzung der öffentlichen Ausgaben.
Europaweite Kampagnen entwickeln
Das "Manifest von Athen" schließt daran die Feststellung an: "Der EGB bekräftigt, dass diese Herangehensweise für die europäischen Gewerkschaften völlig inakzeptabel ist". Deshalb wolle er "auf allen Ebenen Kampagnen entwickeln", um folgende Grundsätze zur Geltung zu bringen (Wortlaut EGB):
"Die Löhne sind nicht der Feind der Wirtschaft, sondern deren Motor, indem sie Wachstum und Beschäftigung bringen.
Die Autonomie der Sozialpartner in Tarif- und Lohnverhandlungen muss respektiert werden, während die Gewerkschaften zugleich die Tarifverhandlungen besser koordinieren müssen.
Die Kaufkraft der Löhne und Arbeitsvergütungen muss durch Erhöhungen verbessert werden, die der Inflation und der Produktivität entsprechen, bei Erhalt der bestehenden Lohnindexierungssysteme und mit dem Gesamtziel einer gerechten Verteilung der Reichtümer.
Der zur Ungleichheit der Einkommen führende Prozess muss wieder umgekehrt werden.
Der Kampf gegen das Lohn- und Steuerdumping muss intensiviert und das Prinzip von gleichem Lohn für gleiche Arbeit angewendet werden.
Das Recht auf Rente und die Rentensysteme müssen geschützt werden und angemessene Lebensbedingungen garantieren.
Die Regeln bezüglich der öffentlichen Verschuldung müssen an die ökonomischen Realitäten und an die außergewöhnlichen Umstände angepasst werden und dürfen keine Rezession durch Sparmaßnahmen mit entsprechenden sozialen Folgen auslösen."
Damit will der EGB, wie es weiter heißt, zugleich den ansteigenden Einfluss des Rechtsextremismus in den EU-Staaten bekämpfen und bei den nächsten EU-Parlamentswahlen für das Ziel eines "sozialen Europa" aktiv werden. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, zunehmende Ungleichheiten, prekäre Arbeit und Sparzwang-Politik sowie gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit, für nachhaltiges Wachstum, eine bessere Regulierung der Finanzmärkte und die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer sollen "im Mittelpunkt der Arbeit des EGB" in den nächsten Jahren stehen.
Kritik wird schärfer
Sicherlich bedeutet die vom EGB-Kongress in Athen beschlossene Orientierung noch keine grundlegende Abkehr von der bisher verfolgten grundsätzlich "sozialpartnerschaftlichen" Orientierung der EGB-Spitze., die sich, abgesehen von einigen zentralen "Euro-Manifestationen" in großen Abständen, vor allem auf den "sozialen Dialog" im Rahmen der EU-Institutionen und das "Mitwirken" und "Begleiten" der von den großen Kapitalinteressen bestimmten EU-Entscheidungen setzte.
Dennoch ist bemerkenswert, dass der Ton der gewerkschaftlichen Kritik am Kurs der EU-Spitzen deutlich strenger geworden ist und die nun formulierten Forderungen in der Tat stärker dem entsprechen, was auch in Sozialforen und anderen sozialen Bewegungen als Forderungen für eine an den Interessen der Menschen orientierten Alternative zur bisherigen EU-Entwicklung verfochten wird. Das dürfte auch eine Widerspiegelung der Erfahrungen sein, die Gewerkschafter der verschiedensten Länder und Richtungen in der zurückliegenden Zeit mit dem unsozialen, ausschließlich an den Kapital- und Bankeninteressen orientierten Kurs der EU und ihrer eigenen Regierungen europaweit gemacht haben. Leider fehlt in dem "Manifest" die Forderung nach der EU-weiten Einführung gesetzlichen Mindestlöhnen in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Dennoch bieten die Aussagen und Forderungen des "Manifests von Athen" in vielerlei Hinsicht eine Grundlage, auf die sich Gewerkschafter in allen EU-Staaten künftig stützen können, wenn es um die Entwicklung gewerkschaftlicher Kampfprogramme und Aktionen in den einzelnen Ländern und Debatten um die Haltung ihrer eigenen Gewerkschaftsorganisationen geht. Leider ist das "Manifest" noch weit von einer durchgängigen kämpferischen Orientierung für die darin formulierten richtigen Forderungen entfernt.
Es enthält nur in einigen wenigen Punkten die Ankündigung von EGB-eigenen "Kampagnen" bzw. Aktionen zu deren Durchsetzung. Um so mehr wird es in der nächsten Zeit darauf ankommen, gestützt auf die richtigen Aussagen und Forderungen dieses Textes den Druck von unten zur Entwicklung wirkungsvoller gewerkschaftlicher Kampfaktionen für die Realisierung seiner Aussagen zu verstärken.
Neue Führung - CCOO-Generalsekretär an der Spitze
Der EGB-Kongress wählte für die Zeit bis zu seiner nächsten Zusammenkunft (alle vier Jahre) auch eine neue Führungsspitze. Anstelle des ausscheidenden Briten John Monks wurde die Französin Bernadette Segol zur Generalsekretärin des EGB gewählt, die früher im Internationalen Textilarbeiterverband tätig war und seit dem Jahr 2000 an der Spitze des Dachverbands der europäischen Dienstleistungsgewerkschaften UNI Europe stand. Ihre Stellvertreter sind der Belgier Patrick Itschert, Generalsekretär des Internationalen Textilarbeiterverbands, und der Pole Jozef Niemiec von der Gewerkschaft "Solidarnosc".
Zum EGB-Vorsitzenden wurde Ignacio Fernandez Toxo, Generalsekretär des Dachverbands der spanischen Arbeiterkommissionen (CC-OO) gewählt. Die Deutsche Claudia Menne (DGB) wurde zusammen mit drei weiteren Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern aus Großbritannien, Schweden und Italien zu Mitgliedern des Sekretariats des EGB gewählt.
Quelle: www.kommunisten.eu
Auf dem 12. Kongress des "Europäischen Gewerkschaftsbundes" (EGB), der unter dem Motto "Mobilisierung für ein soziales Europa" vom 16. -19. Mai in Athen stattfand, beschlossen die rund 500 Delegierten von 83 europäischen Gewerkschaften aus 36 Ländern eine deutlichere Frontstellung als bisher gegen die von den EU-Spitzen betriebene neoliberale Ausrichtung der EU-Politik und insbesondere gegen den neuen "Euro-Plus-Pakt". In dem von dem Kongress verabschiedeten "Manifest von Athen" heißt es einleitend, das Hauptproblem für die europäischen Gewerkschaften sei gegenwärtig, "dass die Finanzkrisen, die Griechenland, Irland und Portugal betreffen, und genereller die Durchsetzung der Politik der Austerität (Sparzwang) in anderen Mitgliedsstaaten einen Druck auf die Löhne, die öffentlichen Dienste, die soziale Absicherung, die Renten und die Arbeits- und Lebensbedingungen ausüben".
Die bisherigen EU-"Rettungspakete" hätten nur negative Auswirkungen gehabt und für die betroffenen Länder zu einer "Periode verlängerter Rezession mit wachsender Schuldenlast" geführt. Der EGB fordere daher "dringlich eine grundlegende Änderung in der Herangehensweise der EU, damit sie den Ländern in Schwierigkeiten effektive Hilfe bringt".
Kritik am Euro-Pakt
Darüber hinaus enthält das "Manifest" eine Auflistung der gewerkschaftlichen Kritikpunkte an dem von den EU-Spitzen im März 2011 beschlossenen neuen "Euro-Plus-Pakt". Hervorgehoben werden die darin enthaltenen "Empfehlungen" an die EU-Staaten für einen EU-weiten "Vergleich der Lohnstückkosten" (also eine EU-Kontrolle der Lohnentwicklung), die Ablehnung der Indexierung der Löhne an den Lebenshaltungskosten, die "Bindung der Löhne an die Produktivität ohne Berücksichtigung der Inflation", die Ablehnung von zentralisierten Lohn- und Tarifverhandlungen (zugunsten betrieblicher und lokaler Abschlüsse), die Orientierung auf die Senkung der Löhne in den öffentlichen Diensten mit Folgen für das Lohnniveau auch in der Privatwirtschaft, der Druck auf die Rentensysteme in Richtung genereller Erhöhung des Renteneintrittsalters und gegen Vorruhestandsregelungen sowie die Verpflichtung zur Einführung verfassungsmäßigen oder gesetzlichen"Schuldenbremsen" in den einzelnen Staaten zwecks Begrenzung der öffentlichen Ausgaben.
Europaweite Kampagnen entwickeln
Das "Manifest von Athen" schließt daran die Feststellung an: "Der EGB bekräftigt, dass diese Herangehensweise für die europäischen Gewerkschaften völlig inakzeptabel ist". Deshalb wolle er "auf allen Ebenen Kampagnen entwickeln", um folgende Grundsätze zur Geltung zu bringen (Wortlaut EGB):
"Die Löhne sind nicht der Feind der Wirtschaft, sondern deren Motor, indem sie Wachstum und Beschäftigung bringen.
Die Autonomie der Sozialpartner in Tarif- und Lohnverhandlungen muss respektiert werden, während die Gewerkschaften zugleich die Tarifverhandlungen besser koordinieren müssen.
Die Kaufkraft der Löhne und Arbeitsvergütungen muss durch Erhöhungen verbessert werden, die der Inflation und der Produktivität entsprechen, bei Erhalt der bestehenden Lohnindexierungssysteme und mit dem Gesamtziel einer gerechten Verteilung der Reichtümer.
Der zur Ungleichheit der Einkommen führende Prozess muss wieder umgekehrt werden.
Der Kampf gegen das Lohn- und Steuerdumping muss intensiviert und das Prinzip von gleichem Lohn für gleiche Arbeit angewendet werden.
Das Recht auf Rente und die Rentensysteme müssen geschützt werden und angemessene Lebensbedingungen garantieren.
Die Regeln bezüglich der öffentlichen Verschuldung müssen an die ökonomischen Realitäten und an die außergewöhnlichen Umstände angepasst werden und dürfen keine Rezession durch Sparmaßnahmen mit entsprechenden sozialen Folgen auslösen."
Damit will der EGB, wie es weiter heißt, zugleich den ansteigenden Einfluss des Rechtsextremismus in den EU-Staaten bekämpfen und bei den nächsten EU-Parlamentswahlen für das Ziel eines "sozialen Europa" aktiv werden. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, zunehmende Ungleichheiten, prekäre Arbeit und Sparzwang-Politik sowie gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit, für nachhaltiges Wachstum, eine bessere Regulierung der Finanzmärkte und die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer sollen "im Mittelpunkt der Arbeit des EGB" in den nächsten Jahren stehen.
Kritik wird schärfer
Sicherlich bedeutet die vom EGB-Kongress in Athen beschlossene Orientierung noch keine grundlegende Abkehr von der bisher verfolgten grundsätzlich "sozialpartnerschaftlichen" Orientierung der EGB-Spitze., die sich, abgesehen von einigen zentralen "Euro-Manifestationen" in großen Abständen, vor allem auf den "sozialen Dialog" im Rahmen der EU-Institutionen und das "Mitwirken" und "Begleiten" der von den großen Kapitalinteressen bestimmten EU-Entscheidungen setzte.
Dennoch ist bemerkenswert, dass der Ton der gewerkschaftlichen Kritik am Kurs der EU-Spitzen deutlich strenger geworden ist und die nun formulierten Forderungen in der Tat stärker dem entsprechen, was auch in Sozialforen und anderen sozialen Bewegungen als Forderungen für eine an den Interessen der Menschen orientierten Alternative zur bisherigen EU-Entwicklung verfochten wird. Das dürfte auch eine Widerspiegelung der Erfahrungen sein, die Gewerkschafter der verschiedensten Länder und Richtungen in der zurückliegenden Zeit mit dem unsozialen, ausschließlich an den Kapital- und Bankeninteressen orientierten Kurs der EU und ihrer eigenen Regierungen europaweit gemacht haben. Leider fehlt in dem "Manifest" die Forderung nach der EU-weiten Einführung gesetzlichen Mindestlöhnen in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Dennoch bieten die Aussagen und Forderungen des "Manifests von Athen" in vielerlei Hinsicht eine Grundlage, auf die sich Gewerkschafter in allen EU-Staaten künftig stützen können, wenn es um die Entwicklung gewerkschaftlicher Kampfprogramme und Aktionen in den einzelnen Ländern und Debatten um die Haltung ihrer eigenen Gewerkschaftsorganisationen geht. Leider ist das "Manifest" noch weit von einer durchgängigen kämpferischen Orientierung für die darin formulierten richtigen Forderungen entfernt.
Es enthält nur in einigen wenigen Punkten die Ankündigung von EGB-eigenen "Kampagnen" bzw. Aktionen zu deren Durchsetzung. Um so mehr wird es in der nächsten Zeit darauf ankommen, gestützt auf die richtigen Aussagen und Forderungen dieses Textes den Druck von unten zur Entwicklung wirkungsvoller gewerkschaftlicher Kampfaktionen für die Realisierung seiner Aussagen zu verstärken.
Neue Führung - CCOO-Generalsekretär an der Spitze
Der EGB-Kongress wählte für die Zeit bis zu seiner nächsten Zusammenkunft (alle vier Jahre) auch eine neue Führungsspitze. Anstelle des ausscheidenden Briten John Monks wurde die Französin Bernadette Segol zur Generalsekretärin des EGB gewählt, die früher im Internationalen Textilarbeiterverband tätig war und seit dem Jahr 2000 an der Spitze des Dachverbands der europäischen Dienstleistungsgewerkschaften UNI Europe stand. Ihre Stellvertreter sind der Belgier Patrick Itschert, Generalsekretär des Internationalen Textilarbeiterverbands, und der Pole Jozef Niemiec von der Gewerkschaft "Solidarnosc".
Zum EGB-Vorsitzenden wurde Ignacio Fernandez Toxo, Generalsekretär des Dachverbands der spanischen Arbeiterkommissionen (CC-OO) gewählt. Die Deutsche Claudia Menne (DGB) wurde zusammen mit drei weiteren Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern aus Großbritannien, Schweden und Italien zu Mitgliedern des Sekretariats des EGB gewählt.
Quelle: www.kommunisten.eu