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Aktueller denn je

  • Freitag, 8. April 2011 @ 14:21
Geschichte Fast ein Jahrzehnt ist es schon her, als das Sozialstaatsvolksbegehren die politische Diskussion bewegte. Die Anliegen dieses Volksbegehrens sind freilich aktueller denn je.

In der Eintragungswoche vom 3. bis 10. April 2002 unterstützten 678.690 Menschen, das waren immerhin 11,55 Prozent der Wahlberechtigten, das Sozialstaatsvolksbegehren, womit dieses Volksbegehren auf Rang 7 aller bisher stattgefundenen Volksbegehrens rangiert. Verlangt wurde dabei dem Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung folgenden Absatz hinzuzufügen: „Österreich ist ein Sozialstaat. Gesetzgebung und Vollziehung berücksichtigen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele. Vor Beschluss eines Gesetzes wird geprüft, wie sich dieses auf die soziale Lage der Betroffenen, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirkt (Sozialverträglichkeitsprüfung). Die Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut erfolgt solidarisch durch öffentlich-rechtliche soziale Sicherungssysteme. Die Finanzierung der Staatsausgaben orientiert sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.“

Erläutert wurde dies damit, es gehe um „die verfassungsmäßige Deklarierung, dass Österreich ein Sozialstaat ist (Staatszielbestimmung), die Verankerung sozialer Sicherheit und Chancengleichheit als eigenständige Ziele, verbunden mit einer Sozialverträglichkeitsprüfung von Gesetzesvorhaben, die Untermauerung, dass die Riskenabsicherung solidarisch durch öffentlich rechtliche Sicherungssysteme erfolgt, die Betonung, dass es einer gerechten Finanzierung des Sozialstaates bedarf“.

Unter den InitiatorInnen des Volksbegehrens befanden sich namhafte Persönlichkeiten die für soziale Anliegen standen (und stehen): Der Kinder- und Jugendpsychiater Ernst Berger, die ehemalige Frauenministerin Johanna Dohnal, die christliche Gewerkschafterin Christine Gubitzer, die Evangelische Gertraud Knoll, der Rechtsanwalt Alfred J. Noll, die Familienrechtsexpertin Elisabeth Paschinger, die Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger, die Journalistin Renata Schmidtkunz, der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister, der Politikwissenschafter Emmerich Talos sowie der Arzt und Publizist Werner Vogt.

Obwohl formal von einem unabhängigen Personenkomitee getragen, machten sich für die Unterstützung des Sozialstaatsvolksbegehrens 2002 vor allem die SPÖ und der ÖGB stark. Kein Wunder, ging die Stoßrichtung doch vor allem gegen die schwarzblaue Regierung und deren „soziale Kälte“. Um nicht als Anhängsel einer Partei verstanden zu werden wurde daher von den InitiatorInnen des Sozialstaatsvolksbegehrens abschließend betont „Eine derartige Verankerung sozialer Verantwortung des Staates würde jede Regierung und jedes Parlament binden. Sie ist nicht gegen eine spezifische Regierungskonstellation gerichtet“.

Wenn man sich die Anliegen des Sozialstaatsvolksbegehrens ansieht, wird man unschwer feststellen, dass sie durchwegs bis heute nicht erfüllt sind, obwohl die SPÖ seit 2006 wieder den Kanzler stellt. Schlimmer noch, in manchen Aspekten hat sich die sozialpolitische Lage gegenüber 2002 sogar sichtbar verschlechtert und die damals erhobene Kritik an der Zerstörung des Sozialstaates ist von beängstigender Aktualität.

So gesehen wäre es höchste Zeit für eine neue Initiative, welche das Anliegen dieses Volksbegehrens wieder aufgreift und ohne Rücksichtnahme auf Parteiinteressen von SPÖ und ÖGB eine Offensive für den Sozialstaat startet.