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Der Weg zu Freiwilligentätigkeit

  • Dienstag, 5. April 2011 @ 08:00
Meinung Von Josef Stingl

Wer einen Pflegeberuf ergreift hat es nicht leicht: Personalmangel, unregelmäßige Arbeitszeiten, Zeitdruck, schlechter Führungsstil und Inkompetenz sind die häufigsten Probleme mit denen sie in Wien zu kämpfen haben, stellt eine aktuelle Umfrage fest. Als Folge dieser Bedingungen stehen Erschöpfungszustände und das Burnout-Syndrom auf der Tagesordnung. Wie reagiert darauf die dafür verantwortliche Politik? Versucht sie wenigstens in Ansätzen diesen inhumanen Zuständen (mit ihren volkswirtschaftlichen Folgekosten) entgegenzuwirken? Weit gefehlt!

In Wien sollten bei „Sozial Global“ 385 Angestellte – „selbstverständlich“ vorwiegend Frauen – gekündigt werden! -... um danach wieder im gleichen Verein zu noch schlechteren Bedingungen arbeiten zu „dürfen“.

In Oberösterreich wurden für die Bereiche „sozialpsychiatrische und psychosoziale Krisenintervention, Beratung und betreute Freizeitangebote“ die Zuschüsse um ein Drittel gekürzt: über einhundert Planstellen mussten zur „Kündigung ausgeschrieben werden“.

Das neue steirische „rot/schwarze Liebesduett“ Voves-Schützenhofer verordnen mit ihrem „Sparbudget“ laut „Dachverband der steirischen Behindertenhilfe“ allein im Behindertenbereich ca. 1.000 Kündigungen. Weitere 500 befürchtet der „Dachverband der steirischen Jugendwohlfahrt“, und ein Minus zwischen 700 und 1.400 Stellen der Zentralbetriebsrat der KAGes.

Heuer ist „das europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit“. Bei jeder erdenklichen Möglichkeit wird dafür propagiert: „Freiwilligkeit und Ehrenamt stellen einen unverzichtbaren Bestandteil jeder Gesellschaft und ihrer Wirtschaft dar! … und uns suggeriert: „Geld soll doch nicht immer die große Rolle spielen!“ Und dies von neoliberalen BeutelschneiderInnen, die meist selbst nicht bereit sind, auf nur auf einen Cent zu verzichten.

Nicht verwunderlich, wird doch die Arbeit in erwähnten Bereichen nicht weniger. Was man in den letzten Jahren durch Teilzeit-u. Geringfügigkeitsverträge etc. immer mehr prekarisiert wurde, soll nunmehr gleich „kostenfrei“ gestellt werden. Personalmangel, Zeitdruck und Burn-Out sind damit Schnee von gestern, denn wer gratis buggelt, darf sich vielleicht auch etwas mehr Zeit lassen bei seiner Arbeit.

Tirol zeigt vor, wie's danach weitergeht: ehrenamtlich arbeitenden, politisch nicht genehmen Vereinen (z.B. das Autonome Frauen Lesbenzentrum) sollen durch gänzliche Subventionsstreichungen ausgelöscht werden.

Josef Stingl ist Koch, Betriebsrat in den „Lamerer Stuben“ in Innsbruck und Bundesvorsitzender des GLB