Abschaffung des Sozialstaates auf österreichisch
- Montag, 4. April 2011 @ 08:00
Von Thomas Erlach
Zurzeit erleben wir in Österreich einen Höhepunkt von Einsparungen im Sozialbereich. So wird zum Beispiel in der Steiermark das Sozialbudget um 25 Prozent gekürzt. In Wien und Salzburg gibt es auch besonders kräftige Einschnitte. In Oberösterreich wurden in einigen Bereichen der psychiatrischen Nachsorge Leistungen bei steigendem Bedarf um 20 Prozent gekürzt. Die jährliche KV-Erhöhung wird vom Geldgeber nicht finanziert, was wiederum zwei Prozent weniger bedeutet. Außerdem wird es im sogenannten Verwendungsgruppenmix Verschlechterungen in den Bereichen mobile Betreuung, persönliche Assistenz und Hauskrankenpflege geben. Das heißt, dass in diesen Bereichen BerufsanfängerInnen in Zukunft nach vier bis sieben Jahren nicht mehr finanzierbar sind. Im Behindertenbereich sind für 2011 Kürzungen von zehn Prozent angekündigt.
Die MitarbeiterInnen geraten von Jahr zu Jahr mehr unter Druck. Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich deutlich. Die Leistungsverdichtung hat bereits bedrohliche Ausmaße angenommen. Burn-Out wird zur Berufskrankheit. Arbeitsverhältnisse werden zunehmend prekär. Langjährige und hochqualifizierte Beschäftigte werden als zu teuer diskriminiert und müssen mit dem Gefühl leben, dass sie eine Last für ihre Organisationen und letztendlich auch für die Gesellschaft sind.
Die neue Qualität der sozialen Arbeit besteht darin, die jährlich neuen Kürzungen irgendwie in den Arbeitsalltag zu integrieren und die dazu passenden Zahlen begleitet von einer für berufsfremde verständlichen Dokumentation abzuliefern. Arbeitsaufträge kommen nun von außen, von der Politik. Die ProfessionistInnen wurden zu HandlangerInnen der öffentlichen Verwaltungen reduziert. Die Kontrolle erfolgt ebenfalls von außen, so dass wir nicht einmal mehr die Beurteilung unserer Arbeit selber in der Hand haben.
Angesichts dieser Vorgehensweise zeigt sich, dass es nicht mehr darum geht die Mittel für den Sozialbereich im Zaum zu halten. Vielmehr geht es klar um Sozialabbau, beziehungsweise um eine schrittweise Auflösung des Sozialstaates. Während in den 1970er Jahren ein Konsens darüber bestand, dass ein gut ausgebauter Sozialstaat auch gut für die Wirtschaft ist, was auch empirisch belegt war, so verkehrte sich dieser Standpunkt in den 1980er Jahren ins Gegenteil.
Schon vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurden die Weichen für die heutige Auflösung des Sozialstaates gestellt, der nun als Belastung für die Gesellschaft und sogar als Grund für die gegenwärtige Krise gesehen wird. Da eine sofortige Abschaffung nicht umsetzbar ist, immerhin kann die Bevölkerung ganz gut mit diesem Konzept leben, erfolgt die Abschaffung eben scheibchenweise.
Dabei ist die gewählte Strategie besonders perfide. Der dazu verwendete Ansatz des New Public Management bringt einerseits die Steuerungsgewalt und die Kontrollrechte in die Hand der öffentlichen Verwaltungen. Anderseits wird den Sozialvereinen die Umsetzung der Sparziele als unternehmerische Freiheit verkauft, so dass die ProfessionistInnen in den Versuchen die jährlich schrumpfenden Budgets um zu setzten, letztendlich sich selbst wegrationalisieren.
Dabei ist aber schon seit Jahrzehnten bekannt, dass dieses Rationalisierungskonzept keinerlei Einsparung bringt, sondern aufgrund der höheren Kontrollkosten teurer kommt und zugleich durch den hohen Verwaltungsaufwand die Entscheidungsgeschwindigkeit und die Entwicklungsfähigkeit des Systems hemmt. Daher hat sich die Wirtschaft auch schon vor Jahren von solchen Konzepten verabschiedet und geht nun andere Wege.
New Public Management taugt als Rationalisierungsinstrument wenig, als Mittel zur Abschaffung des Sozialstaates eignet es sich aber schon. Da ist unseren Politikerinnen und Politiker offensichtlich nichts zu teuer. Beraterfirmen haben auch schon viel Geld für die Erstellung entsprechender Konzepte erhalten. Die Bundesregierung und die Landesregierungen lassen uns Bürgerinnen und Bürger im Ungewissen über ihre wahren Pläne. Das ist die Abschaffung des Sozialstaates auf österreichisch.
Thomas Erlach ist Sozialarbeiter und Stv. BRV von EXIT-sozial Linz und Autor des Buches „Worte verändern die Welt. Die Macht der Sprache in der ökonomisierten sozialen Arbeit“ (2009)
Zurzeit erleben wir in Österreich einen Höhepunkt von Einsparungen im Sozialbereich. So wird zum Beispiel in der Steiermark das Sozialbudget um 25 Prozent gekürzt. In Wien und Salzburg gibt es auch besonders kräftige Einschnitte. In Oberösterreich wurden in einigen Bereichen der psychiatrischen Nachsorge Leistungen bei steigendem Bedarf um 20 Prozent gekürzt. Die jährliche KV-Erhöhung wird vom Geldgeber nicht finanziert, was wiederum zwei Prozent weniger bedeutet. Außerdem wird es im sogenannten Verwendungsgruppenmix Verschlechterungen in den Bereichen mobile Betreuung, persönliche Assistenz und Hauskrankenpflege geben. Das heißt, dass in diesen Bereichen BerufsanfängerInnen in Zukunft nach vier bis sieben Jahren nicht mehr finanzierbar sind. Im Behindertenbereich sind für 2011 Kürzungen von zehn Prozent angekündigt.
Die MitarbeiterInnen geraten von Jahr zu Jahr mehr unter Druck. Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich deutlich. Die Leistungsverdichtung hat bereits bedrohliche Ausmaße angenommen. Burn-Out wird zur Berufskrankheit. Arbeitsverhältnisse werden zunehmend prekär. Langjährige und hochqualifizierte Beschäftigte werden als zu teuer diskriminiert und müssen mit dem Gefühl leben, dass sie eine Last für ihre Organisationen und letztendlich auch für die Gesellschaft sind.
Die neue Qualität der sozialen Arbeit besteht darin, die jährlich neuen Kürzungen irgendwie in den Arbeitsalltag zu integrieren und die dazu passenden Zahlen begleitet von einer für berufsfremde verständlichen Dokumentation abzuliefern. Arbeitsaufträge kommen nun von außen, von der Politik. Die ProfessionistInnen wurden zu HandlangerInnen der öffentlichen Verwaltungen reduziert. Die Kontrolle erfolgt ebenfalls von außen, so dass wir nicht einmal mehr die Beurteilung unserer Arbeit selber in der Hand haben.
Angesichts dieser Vorgehensweise zeigt sich, dass es nicht mehr darum geht die Mittel für den Sozialbereich im Zaum zu halten. Vielmehr geht es klar um Sozialabbau, beziehungsweise um eine schrittweise Auflösung des Sozialstaates. Während in den 1970er Jahren ein Konsens darüber bestand, dass ein gut ausgebauter Sozialstaat auch gut für die Wirtschaft ist, was auch empirisch belegt war, so verkehrte sich dieser Standpunkt in den 1980er Jahren ins Gegenteil.
Schon vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurden die Weichen für die heutige Auflösung des Sozialstaates gestellt, der nun als Belastung für die Gesellschaft und sogar als Grund für die gegenwärtige Krise gesehen wird. Da eine sofortige Abschaffung nicht umsetzbar ist, immerhin kann die Bevölkerung ganz gut mit diesem Konzept leben, erfolgt die Abschaffung eben scheibchenweise.
Dabei ist die gewählte Strategie besonders perfide. Der dazu verwendete Ansatz des New Public Management bringt einerseits die Steuerungsgewalt und die Kontrollrechte in die Hand der öffentlichen Verwaltungen. Anderseits wird den Sozialvereinen die Umsetzung der Sparziele als unternehmerische Freiheit verkauft, so dass die ProfessionistInnen in den Versuchen die jährlich schrumpfenden Budgets um zu setzten, letztendlich sich selbst wegrationalisieren.
Dabei ist aber schon seit Jahrzehnten bekannt, dass dieses Rationalisierungskonzept keinerlei Einsparung bringt, sondern aufgrund der höheren Kontrollkosten teurer kommt und zugleich durch den hohen Verwaltungsaufwand die Entscheidungsgeschwindigkeit und die Entwicklungsfähigkeit des Systems hemmt. Daher hat sich die Wirtschaft auch schon vor Jahren von solchen Konzepten verabschiedet und geht nun andere Wege.
New Public Management taugt als Rationalisierungsinstrument wenig, als Mittel zur Abschaffung des Sozialstaates eignet es sich aber schon. Da ist unseren Politikerinnen und Politiker offensichtlich nichts zu teuer. Beraterfirmen haben auch schon viel Geld für die Erstellung entsprechender Konzepte erhalten. Die Bundesregierung und die Landesregierungen lassen uns Bürgerinnen und Bürger im Ungewissen über ihre wahren Pläne. Das ist die Abschaffung des Sozialstaates auf österreichisch.
Thomas Erlach ist Sozialarbeiter und Stv. BRV von EXIT-sozial Linz und Autor des Buches „Worte verändern die Welt. Die Macht der Sprache in der ökonomisierten sozialen Arbeit“ (2009)