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Darf es ein bisserl weniger sein?

  • Montag, 28. März 2011 @ 10:43
Meinung Von Lutz Holzinger

Die beiden Regierungsparteien legen dafür die Hand ins Feuer, dass die Öffnung des Arbeitsmarkts ab 1. Mai kein zusätzliches Sozial- und Lohndumping auslöst. Dieses Ziel steuern sie ohnehin an – unabhängig von diesem Anlass. Rein formal haben sie mit dem Arbeitskräfteimport aus dem Osten allenfalls verbundenen Lohnkürzungen einen Riegel vorgeschoben. Von Deloitte Tax News, einer der größten Wirtschaftsprüfungskanzleien des Landes, wurde der Inhalt des einschlägigen Gesetzes folgendermaßen zusammengefasst: „Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz soll in Anbetracht des bevorstehenden Auslaufens der siebenjährigen Übergangsfrist für ‚neue’ EU-Beitrittsstaaten – also Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn – am 1. Mai 2011 in Kraft treten.

Da mit diesem Datum Personen aus den im Jahr 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten bewilligungsfrei Zugang auf den österreichischen Arbeitsmarkt haben, soll ein Schutz gegen Lohn- und Sozialdumping geschaffen werden. Im Wesentlichen soll durch Kontrollen sichergestellt werden, dass das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt eingehalten wird.“

„Die Organe der KIAB (die beim Finanzministerium angesiedelte Kontrolle der illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung) haben diesbezüglich Kontrollen und Ermittlungen vor Ort durchzuführen und die Ergebnisse dem bei der Gebietskrankenkasse eingerichteten Dienstleistungszentrum zu übermitteln. Dieses hat im Fall einer Übertretung in weiterer Folge Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten.

Die Erstattung einer Anzeige hat auch dann zu erfolgen, wenn eine Unterentlohnung im Rahmen einer GPLA (Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) festgestellt wird. Vorgesehen ist ein Strafrahmen von € 5.000,00 bis € 50.000,00 sowie im Wiederholungsfall von € 10.000,00 bis € 100.000,00. Zur Vermeidung von Fällen der unterkollektivvertraglichen Entlohnung ist zu empfehlen, sämtliche Dienstverträge einer diesbezüglichen Überprüfung zu unterziehen.“

Zurückhaltung der Unternehmerkammer

Im Zuge der Begutachtung des Gesetzes gab die Wirtschaftskammer folgende Stellungnahme ab: „Die Wirtschaftskammer Österreich verschließt sich nicht Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping, weil die Wirtschaft naturgemäß an einem fairen Wettbewerbs interessiert ist. Die WKÖ lehnt aber eine Reihe von Maßnahmen des Entwurfs ab, weil sie vor allem inländische Betriebe treffen, die ohnehin unter starker Kontrolle stehen, aber gegenüber ausländischen Betrieben nicht durchsetzbar sind.

Während einzelne Maßnahmen mitgetragen werden (Pflicht zur Bereithaltung von Lohnunterlagen, Sicherheitsleistung, Untersagung der Dienstleistung), werden der Verwaltungsstraftatbestand unterkollektivvertragliche Entlohnung, der drakonische Strafrahmen, die extrem lange Verjährungsfrist, die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils und die Verbandsklage abgelehnt. Insbesondere der zweite Straftatbestand (erhebliche Unterschreitung des kollektivvertraglichen Entgelts) hätte fatale Auswirkungen auf das Rechtssystem und die Unternehmen.

Zufriedene Mehrheitsgewerkschafter

Anlässlich des Beschlusses der Gesetzesvorlage zeigte Gewerkschafterin und SPÖ-Abgeordneten Renate Csörgits sich gegenüber dem SPÖ-Pressedienst überzeugt, dass in dieser Frage nun alles paletti sei. Das klang so: „Als ‚bahnbrechend für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer’, bezeichnete SPÖ-Sozialsprecherin Renate Csörgits die im Sozialausschuss zu beschließenden Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping.

„Durch das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping wird sichergestellt, dass alle in Österreich beschäftigten Arbeitnehmer jedenfalls den kollektivvertraglich festgelegten Grundlohn erhalten; der Nivellierung des Lohnniveaus nach unten wird damit ein Riegel vorgeschoben", so Csörgits im Gespräch mit dem SPÖ-Pressedienst.

Nicht Gold, was glänzt

Als allgemein bekannt darf vorausgesetzt werden, wie wirksam die Gesetze gegen illegale Beschäftigung schon bisher sind. Wenn es in dieser Tonart nach dem 1. Mai weitergeht, dann „Gute Nacht!“ In dieser Frage ist – wie bei allen Angriffen auf die schwer erkämpften sozialen Errungenschaften – der Widerstand so schwierig, weil der ÖGB nicht seine Aufgabe als solidarische Kampfgemeinschaft erfüllt.

Er befindet sich fest in der Hand jeweils einer Mehrheitsfraktion, die weniger die Mitglieder vertritt und mehr ihrer jeweiligen Regierungsfraktion die Mauer macht. Dieses Dilemma des ÖGB trat zuletzt in aller Klarheit bei den Massenprotesten gegen die Sozialkürzungen in der Steiermark zu Tage.

Lutz Holzinger ist Journalist und lebt in Wien