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Armut weiter im Vormarsch

  • Donnerstag, 27. Januar 2011 @ 10:43
Meinung Von Lutz Holzinger

Die Verteilungsverhältnisse in unserer Gesellschaft werden immer ungerechter: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. An diesem Kalauer hat auch 2010 als EU-Jahr des Kampfes gegen Armut und Ausgrenzung nichts geändert.

Was seinerzeit als Auftakt-Rakete im Jahr des Kampfes gegen die Armut gedacht war, erwies sich als Rohrkrepierer. Die Mindestsicherung kam verspätet und auf erbärmlichem Niveau. Seit dem Jahreswechsel wird sie in praktisch allen Bundesländern als bedarfsgeprüfte bundeseinheitliche Leistung (statt der von Bundesland zu Bundesland differenzierten Sozialhilfe) ausbezahlt. Ihr Niveau wurde an die Ausgleichzulage für MindestpensionistInnen angepasst. Im Unterschied zur Pension wird die Mindestsicherung jedoch nicht 14-mal sondern nur 12-mal „gewährt“. Beim Start am 1. September des Vorjahres in Wien betrug die Mindestsicherung 744 Euro.

Ein Schritt vor, zwei zurück

Als zusätzliche Errungenschaft wurde vom Sozialministerium die weitgehende Abschaffung des Regresses angeführt. D. h. der Verzicht auf die Rückzahlung der ausbezahlten Beträge, sobald der oder die Betroffene der Armutsfalle entkommen ist, bzw. auf die Unterhaltspflicht der unmittelbaren Angehörigen. Genau diesen Rückgriff auf die Angehörigen, der in der vergangenen Legislaturperiode unter massiver Mitwirkung der KPÖ vom steirischen Landtag abgeschafft wurde, plant die Landesregierung in Graz wegen leerer Kassen. Unterm Strich kommen Sozialfälle in der Steiermark nach Einführung der „Errungenschaft“ Mindestsicherung schlechter weg als vorher. Die Unterstützung wird statt wie vorher 14 nur mehr 12 Mal ausgezahlt, sofern nicht überhaupt Eltern für ihre Kinder oder Kinder für ihre Eltern ab einem Nettoeinkommen von mehr als 1.500 Euro im Monat blechen müssen.

Obwohl die Armutszahlen der Statistik Austria zwangsläufig hinter der aktuellen Entwicklung herhinken, kann man schon jetzt ruhigen Gewissens sagen, dass die Zahl der armutsgefährdeten oder manifest armen Menschen von bisher rund einer Million nicht geringer geworden ist, sondern höchst wahrscheinlich gestiegen ist. Schon längst ist Armut nicht mehr nur ein Indikator für Langzeitarbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit. Immer mehr Menschen erhalten sogenannte Ergänzungsleistungen aus der Sozialhilfe, weil ihre Einkommen aus prekären Beschäftigungsverhältnissen unter den Richtsätzen für die Sozialhilfe liegen.

Unterstützung prinzipiell unter Armutsgrenze

Der eigentliche Skandal in puncto Armutsbekämpfung durch den österreichischen Staat besteht jedoch darin, dass er die Unterstützungsleistungen sowohl in der Sozialversicherung als auch in der Sozialhilfe für Menschen, die aus der Beschäftigung geschleudert werden und/oder arbeitsunfähig sind, von vornherein deutlich unter der Armutsgrenze ansetzt.

Sie wird durch den Betrag (von derzeit 994 Euro) definiert, bis zu dem Einkommen gerichtlich gepfändet werden dürfen. Arbeiter und Angestellte mit durchschnittlichem Einkommen geraten bei Arbeitslosigkeit aufgrund der Ersatzrate von lediglich 55 Prozent des Nettoaktivbezugs nahezu zwangsläufig in die Armutsfalle. Ganz zu schweigen von denjenigen, die von der Ausgleichszulage oder der Mindestsicherung leben müssen. Daher ist es weiter kein Wunder, dass vor allem Pensionistinnen, Alleinerzieherinnen und Ehepaare mit mehreren Kindern statistisch als akut armutsgefährdet ausgewiesen werden.

Eine besondere Gefahr für die Werktätigen lauert darin, dass die Normalarbeit zunehmend ausgehebelt und durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse ersetzt wird. Diese unter dem Etikett Flexibilität vorgetragene Offensive der Unternehmer drängt immer mehr Menschen – insbesondere Frauen – in Teilzeit, Arbeit auf Abruf, Leiharbeit, Werkvertrag und ähnliche unzureichende Arbeitsverträge.

In einer Gesellschaft, die immer reicher wird, aber immer weniger Vollarbeitsplätze zur Verfügung stellt, müssen gerade die Gewerkschaften sich mit dem Thema des bedingungslosen Grundeinkommens vertraut machen. Immer mehr engagierten ZeitgenossInnen erscheint diese Forderung als Chance, hier und jetzt für eine positive Veränderung der Arbeitsbedingungen zu sorgen.