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Service-Tipp: Privatkonkurs in Österreich

  • Mittwoch, 1. Dezember 2010 @ 16:27
Service Von Marco Fegerl

Mitte dieses Jahres ist in Österreich das Insolvenzrechtsänderungsgesetz in Kraft getreten. Ziel dieser Novelle war es, überschuldete Unternehmer zu einer zeitlich früheren Antragstellung zu motivieren. Unternehmer sollten nun nicht mehr warten und hoffen, sondern frühzeitig selbst einen Antrag auf Ausgleich oder Konkurs stellen. Man änderte Begriffe wie Ausgleich und Konkurs in Sanierung, übergab dem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen die Eigenverwaltung und beschränkte die Kündigungsmöglichkeiten von Verträgen durch die Gläubiger. Selbst die Konkursordnung wurde in Insolvenzordnung umbenannt, um dem Schuldner ein besseres Gefühl bei der Antragstellung zu geben. Konkurs wäre doch kein anreizendes Wort für einen Schuldner.

All dies wurde ohne weiteres für Unternehmer getan, um den Erhalt der bestehenden Unternehmen so weit als möglich zu unterstützen.

Interessanter Weise findet sich in der genannten Novelle keine Änderung für Privatkonkurse, obwohl gerade hier großer Bedarf an einer positiven Reform besteht. Man müsste dafür bei weitem das Rad nicht neu erfinden, wie man es teilweise für Unternehmer getan hat. Für eine Besserung in diesem Bereich reicht ein Blick nach England. Dort dauert ein Privatkonkurs grundsätzlich nicht länger als 12 Monate. Es gibt keine Mindestquote und daher ist eine Restschuldbefreiung im Vergleich sehr einfach zu erreichen.

In Österreich muss vorerst ein außergerichtlicher Vergleichsversuch statt finden, sofern dies nicht ohnehin aussichtslos ist. Durch die gewöhnlich größere Anzahl an Gläubigern, kann ein solcher Versuch ohne weiteres mehrere Monate dauern.

Danach kann ein Antrag beim Bezirksgericht eingebracht werden. Das Verfahren dauert grundsätzlich 7 Jahre und erfordert eine Mindestquote von 10 % der offenen Verbindlichkeiten. Dies bedeutet für den Schuldner für etwa 8 Jahre ein Leben in Armut. Darüber hinaus will kaum ein Unternehmer einem tief verschuldeten Menschen Arbeit geben. Als möglichen Anreiz kann der Schuldner seine Arbeitsleitung nur noch zum Kollektivvertrag anbieten.

Verliert er dann seinen Job ist für gewöhnlich der gesamte Privatkonkurs gescheitert. Sollte zu diesem Zeitpunkt bereits das Abschöpfungsverfahren laufen, so darf ein neuerlicher Antrag auf Privatkonkurs erst nach Ablauf von 20 Jahren gestellt werden. Für diese Zeit lebt der Schuldner mit dem Existenzminimum. Sollte es dann noch unterhaltsberechtigte Kinder geben, so verfügt er überhaupt nur noch über 75% seines Existenzminimums. Diese bedeutet für viele Menschen, in diesem Fall meinst Männer, Obdachlosigkeit und volle soziale Ausgrenzung.

Während diese Menschen kaum mehr eine Chance auf Rückkehr in das System haben, bieten Unternehmen spezielle Dienstleistungen für ausreichend vermögende Schuldner an. Der wohlhabende Schuldner erhält nicht nur eine Anleitung für einen schnellen Konkurs in England. Es wird für ihn geplant und er wird begleitet. Anwälte leiten alles für Ihn in die Wege.

Die Existenz solcher Unternehmen zeigt nicht nur die Schieflage in diesem Rechtsbereich. Es zeigt auch, dass sich ein konkursreifer Schuldner mit ausreichendem Kapital viel einfacher seiner Schulden entledigen kann, als dies ein „gewöhnlicher“ Schuldner jemals könnte.

Eine deutliche Reduktion der Verfahrensdauer auf 12 Monate und die Aufhebung der Mindestquoten wären die wichtigsten Änderungen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Oder besser, sie sollte es zumindest sein!

Marco Fegerl ist GLB-Aktivist in Niederösterreich