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Protest der oö ElementarpädagogInnen am 22.10.2010

  • Dienstag, 19. Oktober 2010 @ 11:37
OÖ Die Berufsgruppe in Kinderbetreuungen Oberösterreichs (BPKOÖ) ruft alle ElementarpädagogInnen Oberösterreichs für Freitag, den 22.Oktober um 15:00 Uhr vor dem Landhaus in Linz zu einer Demonstration auf, mit der gegen die Einsparungsmaßnahmen im Elementarbildungsbereich angekämpft (Novelle zum Kinderbetreuungsgesetz) werden soll.

Alle Eltern und KollegInnen aus den anderen Bundesländern sind herzlich eingeladen, an der Demonstration unter dem Titel „Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam zu kämpfen, teilzunehmen: Dazu schreibt der Vorsitzende der Berufsgruppe, Gottfried Zeiner:

Liebe KollegInnen! Nachdem sich in letzter Zeit die Ereignisse überschlagen - und sich trotzdem bisher immer noch nichts für uns getan hat, möchte ich euch kurz einen Überblick geben was seit Anfang Juli alles geschehen ist.

Für Anfang Juli war noch ein Termin der Arbeitsgruppe Dienstrecht angesetzt. 2 Tage vor dem Termin kam eine Absage von Seiten des Landes - ohne Begründung und ohne Ersatztermin. Es war die Zeit in der die Gesetzesnovelle des Kinderbetreuungsgesetzes durchgeboxt wurde. Im Schnellverfahren wurde eine Novelle beschlossen, die sich derzeit als bürokratische Schikane herausstellt und zudem auch schlimme Befürchtungen für die Zukunft unseres weiteren Berufslebens erahnen lässt.

Die Erfassung der Anwesenheitszeiten bzw. der Abholzeiten der Kinder für die Berechnung der Fördergelder stellt nicht nur eine unverhältnismäßige Belastung aller PädagogInnen dar, sondern be- und verhindert auch die eigentliche Arbeit für einen ganzen Monat. Nebenbei degradiert sie uns zu billigem Aufsichtspersonal und lässt unsere Zukunftsperspektiven immer ungewisser erscheinen. Auch wenn es (vielleicht) nicht wirklich der beabsichtigte Hintergrund sein muss, ergibt sich daraus doch ein immer größeres Risiko, dass wir in weiterer Zukunft immer leichter an flexible Arbeitszeiten angepasst werden.

Was könnte das für eine Perspektive sein: Heute sind wenige Kinder da, da kann einer ruhig um drei Uhr nachhause gehen. Morgen wäre der Bedarf dafür vielleicht bis 19 Uhr gegeben, da arbeitet dafür einer um diese Zeit länger.

Sind wir die modernen Sklaven unserer Zeit? Ich bin der Auffassung: ES REICHT! Lassen wir uns das alles doch nicht länger gefallen! Ich fordere euch alle auf: Tretet alle der Gewerkschaft bei und lasst uns endlich für unsere Forderungen kämpfen! Wenn es sein muss mit Streik! Wir können das alles aber nur tun, wenn wir Gewerkschaftsmitglieder sind. Ich will nicht als Werbefigur für die Gewerkschaft dastehen, sehe aber nur eine Möglichkeit, wenn wir wirklich was für uns erreichen wollen. Die bisherige Linie allein reicht nicht mehr. Wir wollen unsere neue Landesrätin nicht für die Fehler ihrer Vorgänger verantwortlich machen, aber wir fordern von ihr umgehend, Maßnahmen für die Verbesserung unserer Arbeitssituation zu unternehmen!

PS.: Seit der Absage des letzten Arbeitskreistermins für das neue Dienstrecht sind mittlerweile schon über drei Monate vergangen, und es gibt noch immer keinen Ersatztermin!

Hintergrund

Novelle zum Kinderbetreuungsgesetz 2010 - Kinderbetreuung aus Sicht des Fachpersonals

Aufschrei in oberösterreichischen Kinderbetreuungseinrichtungen

In Zeiten in denen Politiker von individueller, flexibler Betreuung reden, betreut eine Fachpädagogin mit einer Hilfskraft 23 Kinder und mehr. Bei einem durchschnittlichen Vormittag von 8:00 bis 12:00 Uhr bleibt für jedes Kind gerade 10 Minuten persönliche Betreuung durch die Fachkraft. Normale Alltagsprobleme, wie ein Missgeschick auf der Toilette oder ein ausgeschütteter Saftkrug, sind in diese Zeit noch nicht eingerechnet.

Würde Sie das als Elternteil nicht schockieren?

Im September 2010 wird eine neue Gesetzesnovelle, für die Finanzierung von Kindergärten, Horte und Krabbelstuben in Kraft treten, die schockierende Auswirkungen haben wird. Die Randzeiten (Früh- und Spätdienste) in den Betreuungseinrichtungen werden erst ab 10 Kinder vom Land Oberösterreich finanziert. Die Familien können somit nicht mehr mit flexiblen Öffnungszeiten rechnen. Eltern, besonders AlleinerzieherInnen, werden es in Zukunft schwerer haben, Kind und Beruf zu vereinbaren.

Die Orientierungsphase am Morgen wird für das einzelne Kind zum Spießrutenlauf, da es unter Umständen möglich ist, dass es öfter die Gruppe wechseln muss, bis es in der Stammgruppe ankommt. Dabei geht wertvolle pädagogische Zeit verloren und die Eingewöhnungsphase wird erschwert.

Im Hort wurden bisher die fehlenden PädagogInnen durch Lehrer ersetzt. Durch den bevorstehenden Lehrermangel, werden diese vom Hort in die Schule wechseln. Wer betreut die Hortkinder in Zukunft? Maturanten die keine pädagogische Ausbildung haben? Die derzeit angefangenen „Schnellausbildungen“ dienen bestenfalls als Feuerwehraktionen, scheinen aber aus dem Blickpunkt einer nötigen Aufwertung und Verbesserung auf Hochschulniveau eher kontraproduktiv und nicht wirklich zielführend. In den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik wurde schon bisher nicht der notwendige Bedarf an Fachpersonal ausgebildet. Wie soll das in der Zukunft gelingen?

Der allgemeine Pädagogenmangel lässt sich unter anderem durch die schlechte Bezahlung erklären. Besonders Männer schreckt diese Tatsache ab, obwohl gerade sie in Zeiten getrennt lebender Eltern unerlässliche Vorbilder für unsere Kinder wären. Ein weiterer Grund für die Unattraktivität des Berufes liegt bei der Unsicherheit über das Stundenausmaß der Anstellung. Die Vollzeitanstellungen werden immer weniger und damit auch die Möglichkeit für ein ausreichendes Familieneinkommen zu sorgen. Die Unsicherheit, über die jährlichen Änderungen im Stundenausmaß der Anstellungen ist nicht gerade ein Anreiz für die Berufswahl.

Ein weiterer Brennpunkt ist die Tatsache, dass zusätzliche Ausbildungen meist nicht honoriert werden und somit keine finanzielle Aufstiegschance gegeben ist.

Die ständige Lärmbelastung, der nervliche Stress, der immer mehr werdende bürokratische Aufwand und die zusätzliche Verantwortung, auf Grund des Fachkräftemangels, führen zu extremen Burn-out Raten. Es wird selbstverständlich erwartet, dass wir die uns anvertrauten Kinder möglichst umfangreich, und ganzheitlich auf das Leben vorbereiten. Die Vorschriften, was wir alles aber nicht dürfen, werden aber mit jedem Arbeitsjahr mehr und lässt uns immer öfter fragen, wie wir unseren Anforderungen gerecht werden sollen, ohne ständig mit einem Fuß vor Gericht oder gar im Gefängnis zu stehen.

Bei der Einführung des beitragsfreien Kindergartens (wie der Gratiskindergarten im Politikjargon bezeichnet wird) spielten die Kosten keine Rolle. Die Überlegungen wie weit überhaupt benötigtes Personal verfügbar ist, wurden ausgeblendet – oder mangelhaft berücksichtigt – obgleich es von grundlegender Bedeutung ist wer, und wie die zusätzliche Arbeit erledigt werden soll. Die Anforderungen an die PädagogInnen steigen mit jeder Reform und es ist der Zeitpunkt gekommen, wo es für unsere Berufsgruppe reicht.

Die Arbeitsgruppe für ein neues Dienstrecht war bis jetzt eine Beschäftigungstherapie bei der es bis heute keine Ergebnisse gibt. Der letzte Termin wurde überhaupt ohne Ersatztermin verschoben, und es ist abzuwarten, bis wann es einen neuen geben wird.

Ein gravierendes Unrecht besteht auch darin, dass dieses Dienstrecht nur für die gemeindebediensteten KollegInnen wirklich Gesetzesgültigkeit hat. Alle anderen arbeiten im luftleeren Raum und haben nicht einmal einen Kollektivvertrag. Alle arbeitsrechtlichen Angelegenheiten sind Gnadenakte der Erhalter bzw. des Landes und es besteht so gut wie für nichts ein Rechtsanspruch. So ist es auch möglich, dass in unserer Sparte Verhältnisse vorherrschen, die überall anders als Zumutung empfunden werden und nur mit der Güte und der Duldsamkeit der überwiegenden Mehrheit von Frauen in unserem Bereich erklärt werden kann.

Wir fordern endlich eine Entlohnung, die den Wert unserer Arbeit spiegelt, die es auch für Männer interessant macht sich die Arbeit in einer Kinderbetreuungseinrichtung zu überlegen – wohl betont, dass diese Entlohnung nicht nur für Männer besser sein soll, sondern für alle. Bessere Gehälter für NeueinsteigerInnen allein reicht nicht aus. Außerdem brauchen wir eine Freizeitregelung, die es uns ermöglicht, wirklich immer wieder Kraft zu tanken und die „Batterien aufzuladen“. Von Seiten der Politik wird keine Gelegenheit ausgelassen zu betonen, dass die Kinderbetreuungseinrichtungen Bildungseinrichtungen sind. Als solches ist es notwendig, dass wir auch entsprechende Erholungszeiten haben. Wir brauchen über das Arbeitsjahr verteilt zumindest 9 Wochen, die wenigstens teilweise (Vorschlag 4 Wochen) flexibel eingeteilt werden können, damit auch die Öffnungszeiten für die Eltern gewährleistet werden können. Die Ferienzeiten in der Schule sind nicht umsonst länger als in allen anderen Bereichen, wir sehen es aber nicht als nötig, dass wir gleich lang wie die Schule Ferien haben müssen (ist in Zeiten wie diesen ohnehin unrealistisch).

Ein radikales Umdenken der Politiker ist dringend notwendig, um die Qualität in unseren Kinderbetreuungseinrichtungen zu halten bzw. zu verbessern. Unter den derzeitigen Bedingungen wird Oberösterreich die scheinbare Vorreiterrolle ganz schnell verlieren und wir werden zu den Schlusslichtern in einem pädagogischen Niemandsland verkommen.

Überarbeitung der Novelle zum Kinderbetreuungsgesetz!

Nach der Verlagerung der Agenden der Kinderbetreuung in das zuständige Ressort für Bildung von Landesrätin Doris Hummer fordert die Berufsgruppe der PädagogInnen in den Kinderbetreuungseinrichtungen Oberösterreichs (BPKOÖ) die Rücknahme von Teilen der gerade erst beschlossenen Novelle des Kinderbetreuungsgesetzes.

Bei jeder Gelegenheit wird betont, wie wichtig die Kinderbetreuungseinrichtungen in unserem Bildungssystem sind. Die faktische Umgangsweise der Politiker lassen einen sehr populistischen und verantwortungslosen Umgang mit den Strukturen für die Entwicklung unserer Kleinsten und Kleinen erkennen.

So ist die Gesetzesnovelle bei weitem nicht der große Wurf, als den ihn der LR Stockinger hinstellen möchte. Die Änderung der Förderbedingungen bewirken, dass nicht mehr die Qualität der Betreuung, sondern nur noch das Betreuungsausmaß maßgeblich ist, um Förderungsgelder des Landes zu erhalten. Dies hat zur Konsequenz, dass unsere Einrichtungen von Bildungseinrichtungen zu Aufbewahrungsanstalten verkommen. Qualität ist zwar in Sonntagsreden von Bedeutung aber in der gesetzlichen Umsetzung ist es zweitrangig. Die Kinderbetreuungseinrichtungen werden zu Tode gespart - obwohl es vordergründig den Anschein hat, dass mehr Geld ausgegeben wird als je zuvor.

Für die Situation des Personals bedeutet die jüngste Novelle, dass es immer weniger Planungssicherheit bedeutet und die Ungewissheit über Anstellungsausmaß und Arbeitszeit immer größer werden und so die Attraktivität unseres Berufes weiter abnehmen wird. Woher dann das Personal genommen werden soll um eine qualitätsvolle Betreuung zu gewährleisten ist fraglich - und wenn man die Förderkriterien betrachtet - auch gar nicht vorgesehen.

Wir fordern daher eine Veränderung der Förderrichtlinien hin zu mehr Qualitätskriterien - auch was die Arbeitsbedingungen für das Personal betrifft.

Die Aktivitäten für ein neues Dienstrecht sind scheinbar ins Stocken geraten, seit dem Frühjahr gab es keinen Termin des Arbeitskreises mehr. Der letzte Anfang Juli wurde ohne Angabe von Gründen und ohne Ersatztermin abgesagt.

Die Einführung des beitragsfreien Kindergartens hat die Möglichkeiten des Landes weit mehr überlastet als das im Vorhinein mit einkalkuliert worden ist. Dass ausgerechnet jene, die das riesige Ausmaß an zusätzlicher Belastung und Arbeit bewältigen müssen, auch noch in ihren Bemühungen weiter be- und überlastet werden, ist nicht nur dem Personal gegenüber, sondern auch den Kindern gegenüber verantwortungslos und grob fahrlässig.

Wir fordern daher eine sofortige Überarbeitung der eben beschlossenen Gesetzesnovelle und eine Korrektur, bei der qualitative Kriterien im Zentrum stehen!

Weiters fordern wir als Förderrichtlinie eine verpflichtende Teilnahme der Trägerorganisationen bei der Dienstgebervereinigung um endlich eine Verhandlungsbasis zur Schaffung eines Kollektivvertrages für das Kinderbetreuungspersonal zu erreichen.

Die Berufsgruppe für PädagogInnen in den Kinderbetreuungseinrichtungen Oberösterreichs (BPKOÖ) ist die überparteilich und überkonfessionell organisierte Interessensvertretung des Fachpersonals in den Kinderbetreuungseinrichtungen Oberösterreichs. Vorsitzender der BPKOÖ ist Gottfried Zeiner, Hortleiter in Pasching/ Langholzfeld. Er vertritt ~ 500 KollegInnen landesweit.

Quelle und Infos. http://www.Plattform-EduCare.org