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Foglar-Appell zum Kompromiss ist kontraproduktiv

  • Donnerstag, 14. Oktober 2010 @ 10:41
News Als überflüssig und kontraproduktiv sieht die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) den Aufruf von ÖGB-Präsident Erich Foglar zum Kompromiss bei den anlaufenden Kollektivvertragsverhandlungen für die Metallindustrie: „Wenn Foglar schon vor Beginn der eigentlichen KV-Verhandlungen – die bekanntlich als Leitlinie für alle weiteren KV-Abschlüsse dienen – fordert Arbeitszeitverkürzung und Flexibilisierung zu kombinieren unterläuft er die Linie der verhandelnden Gewerkschaften PROGE und GPA-djp nicht nur eine Reallohnerhöhung sondern auch eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverlust durchzusetzen“ kritisiert der stellvertretende GLB-Bundesvorsitzende Josef Stingl. Es ist höchste Zeit, die jahrelang auch von den Gewerkschaften akzeptierte Unternehmerforderung nach immer mehr Flexibilisierung zu durchbrechen, als deren Ergebnis Österreich mit 40,6 Stunden heute im Spitzenfeld der längsten realen Wochenarbeitszeit in der EU rangiert. Der EU-Durchschnitt liegt mit 39,7 Stunden um rund eine Stunde unter dem österreichischen Wert, in Finnland beträgt die Wochenarbeitszeit sogar nur 37,6 Stunden. Auch die hohe Zahl von 155 Millionen Überstunden im ersten Halbjahr 2010 – davon 21 Prozent unbezahlt – die rund 700.000 Beschäftigte leisten müssen zeigt das enorme Potential einer Arbeitszeitverkürzung.

Wie Markus Marterbauer (Wifo) treffend feststellt, wird es ohne Arbeitszeitverkürzung nicht gelingen die krisenbedingt gestiegene hohe Sockelarbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Ansage von Jörg Flecker (FORBA) bei der Tagung „Arbeit fair teilen“ der oö Arbeiterkammer am 11. Oktober 2010 mit Verweis auf die enorme Produktivität einen „neuen gesellschaftlichen Arbeitszeitstandard“ bei 30 Stunden pro Woche anzusetzen um tendenziell Teilzeitarbeit überflüssig zu machen deckt sich mit der Auffassung des GLB.

Laut einer Statistik der Arbeiterkammer OÖ ist von 1994 bis 2010 die Produktivität um 21,4 Prozent gestiegen, die Bruttolöhne hingegen nur um 6,1 Prozent und die Nettolöhne gar nur um 0,6 Prozent. Es gibt also einen großen Nachholbedarf. Zu geringe Lohnabschlüsse in den letzten Jahren haben sich nicht in mehr Arbeitsplätzen niedergeschlagen wie die hohe Arbeitslosenzahl beweist.

Die seit vielen Jahren sinkende Lohnquote und die Stagnation der Realeinkommen bei gleichzeitig stark gestiegenen Gewinnen dokumentieren, dass die Lohnpolitik als „Kerngeschäft“ der Gewerkschaften in den letzten Jahren viel zu defensiv war. Der GLB tritt daher für einen offensiven Kurs bei den laufenden KV-Verhandlungen ein und sieht als Leitlinie die Abgeltung der Inflation sowie des Produktivitätswachstums.

„KV-Verhandlungen dürfen sich nicht auf Gespräche am grünen Tisch beschränken, sondern brauchen eine breite Mobilisierung der Betroffenen. Daher fordert der GLB eine umfangreiche Information bei Betriebsversammlungen sowie eine Urabstimmung zum Abschluss, wie das in Deutschland selbstverständlich ist“, so Stingl abschließend.