Armutskonferenz: Soziale Investitionen zahlen sich aus, für alle!
- Donnerstag, 25. Februar 2010 @ 21:58
Den sozialen Verteilungskämpfen im Gefolge der Wirtschaftskrise widmete sich die 8. Österreichische Armutskonferenz, die unter dem Titel "Geld. Macht. Glücklich." am 23./24. Februar in Salzburg stattfand. Dabei lag der Fokus nicht nur auf der Verteilung von Geld, sondern auch auf sozialer Balance, Lebensqualität, Wohlbefinden, Chancen, Anerkennung, Gesundheit, Lebenserwartung und Verwirklichungschancen. "Das Ende der Krise ist nicht mit dem Steigen der Aktienkurse anzusetzen, sondern mit dem Sinken der Armut." betont die Armutskonferenz. "Die Krise ist dann vorbei, wenn die Armut sinkt."
"Und wir können viel tun," so die Botschaft der Armutskonferenz.
"Armut ist kein Naturereignis, das es mit jeder frischen Statistik neu zu bestaunen gilt. Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten im Vollzug der Sozialhilfe, in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern. "Grundsätzlich helfen Einkommensarmen Investitionen in Dienstleistungen, die sie im Alltag unterstützen: von der Kinderbetreuung über Qualifizierung am Arbeitsmarkt bis hin zu Pflegehilfen. Hier entstehen Win-win-Situationen zwischen Fraueneinkommen, Arbeitsplätzen, Frühförderung von Kindern und Pflegeentlastung Angehöriger. Auch ein Bildungssystem, das den sozialen Aufstieg fördert und nicht sozial selektiert, wirkt. Auf die neuen sozialen Risken wie prekäre Jobs, psychischen Erkrankungen oder Migration muss angemessen sozialpolitisch reagiert werden. Und nicht zuletzt helfen Jobs, von denen man leben kann", so die Armutskonferenz.
Die Armutskonferenz fasst ihre Diskussionen in vier Ergebnissen
zusammen:
1. Die soziale Schere bringt mehr Gewalt, mehr Stress, weniger Leben und weniger Vertrauen.
Noch mehr soziale Ungleichheit heißt noch mehr Krankheiten und noch geringere Lebenserwartung, mehr Teenager-Schwangerschaften, mehr Status-Stress, weniger Vertrauen, mehr Gewalt und mehr soziale Ghettos. Eine sozial polarisierte Gesellschaft bringt Nachteile nicht nur für die Ärmsten, sondern auch für die Mitte. Es stehen nicht nur die unterprivilegierten Mitglieder schlechter da, sondern auch die Wohlhabenderen. Es konnte aber ein erstaunlich hoher Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und dem Anteil am Volkseinkommen, welchen die ärmeren Haushalte beziehen, nachgewiesen werden. Die Ausgewogenheit von Einkommensverhältnissen und Statusunterschieden wurde als jener Faktor identifiziert, der am stärksten die höhere Erkrankung Ärmerer erklärt. Der Anstieg der Lebenserwartung in einem Zeitraum fiel umso größer aus, je größer der relative Zuwachs an Einkommen der ärmeren Haushalte war. Nicht wie reich wir insgesamt sind, ist hier der entscheidende Punkt, sondern wie die Unterschiede zwischen uns sind.
Wer arm ist und sich materiell verbessert, erhält einen deutlichen Anstieg der Zufriedenheit. Die Effekte sind bei Ärmeren besonders stark. Insgesamt sind Menschen mit höherem Einkommen zufriedener und äußern höheres Wohlbefinden. Allerdings erfolgt ab einem gewissen Einkommen keine Steigerung mehr (Sättigung). Anders bei Gesundheit und Lebenserwartung: Gesundheit und Lebenserwartung steigt mit höherem Einkommen und sozialen Status linear.
2. Die soziale Schere ist teuer und verursacht Kosten für alle
Mehr chronische Krankheiten, mehr Schulabbrecher, mehr Gefängnisinsassen, mehr Gewalt, mehr soziale Probleme verursachen volkswirtschaftliche Kosten anderswo. Mehr Armut und soziale Ungleichheit ist teuer und schadet (fast) allen. Eine höhere Schulabbrecher-Quote beispielsweise verursacht durch steigende Sozialausgaben, höhere Gesundheitskosten und entgangene Steuereinnamen Kosten: 3 Milliarden Euro bei 10.000 Drop-Outs in Österreich.
3. Soziale Investitionen zahlen sich aus. Für alle
Investition in Zukunftssektoren, zu denen Schenk Kinder, Schule und Bildung sowie die Pflege am Lebensende rechnet, zahlen sich aus.
Soziale Dienstleistungen sind eine Produktivkraft. Die Hilfen für die Pflege der Oma und der Betreuung des kleinen Sohns sorgen für Wachstum, stabilisieren die Wirtschaft und stiften sozialen Ausgleich. Sie haben Wachstumsfunktion bei Beschäftigung. Sie haben stabilisierende Funktion, weil sie Teilhabe sichern und Nachfrage über den Konjunkturzyklus bereitstellen. Und sie erfüllen die Funktion des sozialen Ausgleichs. Besonders die Dienstleistungen in Pflege, Kinderbetreuung und Bildung reduzieren das Armutsrisiko und verteilen zu den Schwächeren um. Österreich liegt mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt. Hier gibt es viel ungenütztes Potential, das brach liegen gelassen wird.
4. Die soziale Schere droht nach Krisen weiter auseinander zu gehen - deshalb müssen wir gegensteuern
Die soziale Ungleichheit wird in und nach Wirtschaftskrisen größer, wie der renommierte britische Sozialwissenschafter Tony Atkinson anhand von vierzig Wirtschaftskrisen beobachtet hat. Wir sehen eine zunehmende Ungleichheit innerhalb der Arbeitseinkommen und gleichzeitig eine wachsende Schere durch wieder steigende Vermögenseinkommen bei wenigen ganz oben. Bei Reichtum ist vorrangig nicht Einkommen das Thema, sondern Vermögen. Der Gini-Koeffizient, ein Maß für Ungleichheit zwischen 0 und 1 (0 heißt alle haben genau gleich viel, 1 heißt einer hat alles) beträgt bei den Haushalteinkommen europaweit geringe 0,33, Da schlagen sich die sozialstaatlichen Sozial- und Dienstleistungen nieder. Bei den Geldvermögen springt der Gini-Koeffizient auf hohe 0,66 hinauf, bei Immobilienvermögen auf 0,76, bei Unternehmensbeteiligungen auf 0,88 und bei der angeblichen Mittelschichtssache "Erbschaften" auf 0,94.
Vererben tun ganz wenige fast alles an ganz wenige.
Wer Leistung belohnen will, muss Vermögen stärker besteuern, und den Faktor Arbeit entlasten. Wer sozialer Polarisierung mit all ihren negativen Folgen für die ganze Gesellschaft gegensteuern will, muss nicht nur für die Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors eintreten, sondern auch für die Stabilisierung des sozialen Ausgleichs.
Was jedenfalls nicht hilft: Die Opfer der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit zu Schuldigen ihres Schicksals zu stempeln. Was nicht hilft für eine Gesellschaft mit sozialer Balance ist die untersten Einkommensschichten aufeinander zu hetzen", warnt die Armutskonferenz davor, die Verteilungsdebatte gegen die Ärmsten zu richten.
Armut ist nicht nur ein Mangel an Geld und Gütern, sondern auch an Freiheiten und Möglichkeiten, die diese Güter in unserer Gesellschaft verschaffen. Armut ist ein Mangel an Verwirklichungschancen.", so die Armutskonferenz abschließend.
Quelle: www.armutskonferenz.at
"Und wir können viel tun," so die Botschaft der Armutskonferenz.
"Armut ist kein Naturereignis, das es mit jeder frischen Statistik neu zu bestaunen gilt. Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten im Vollzug der Sozialhilfe, in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern. "Grundsätzlich helfen Einkommensarmen Investitionen in Dienstleistungen, die sie im Alltag unterstützen: von der Kinderbetreuung über Qualifizierung am Arbeitsmarkt bis hin zu Pflegehilfen. Hier entstehen Win-win-Situationen zwischen Fraueneinkommen, Arbeitsplätzen, Frühförderung von Kindern und Pflegeentlastung Angehöriger. Auch ein Bildungssystem, das den sozialen Aufstieg fördert und nicht sozial selektiert, wirkt. Auf die neuen sozialen Risken wie prekäre Jobs, psychischen Erkrankungen oder Migration muss angemessen sozialpolitisch reagiert werden. Und nicht zuletzt helfen Jobs, von denen man leben kann", so die Armutskonferenz.
Die Armutskonferenz fasst ihre Diskussionen in vier Ergebnissen
zusammen:
1. Die soziale Schere bringt mehr Gewalt, mehr Stress, weniger Leben und weniger Vertrauen.
Noch mehr soziale Ungleichheit heißt noch mehr Krankheiten und noch geringere Lebenserwartung, mehr Teenager-Schwangerschaften, mehr Status-Stress, weniger Vertrauen, mehr Gewalt und mehr soziale Ghettos. Eine sozial polarisierte Gesellschaft bringt Nachteile nicht nur für die Ärmsten, sondern auch für die Mitte. Es stehen nicht nur die unterprivilegierten Mitglieder schlechter da, sondern auch die Wohlhabenderen. Es konnte aber ein erstaunlich hoher Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und dem Anteil am Volkseinkommen, welchen die ärmeren Haushalte beziehen, nachgewiesen werden. Die Ausgewogenheit von Einkommensverhältnissen und Statusunterschieden wurde als jener Faktor identifiziert, der am stärksten die höhere Erkrankung Ärmerer erklärt. Der Anstieg der Lebenserwartung in einem Zeitraum fiel umso größer aus, je größer der relative Zuwachs an Einkommen der ärmeren Haushalte war. Nicht wie reich wir insgesamt sind, ist hier der entscheidende Punkt, sondern wie die Unterschiede zwischen uns sind.
Wer arm ist und sich materiell verbessert, erhält einen deutlichen Anstieg der Zufriedenheit. Die Effekte sind bei Ärmeren besonders stark. Insgesamt sind Menschen mit höherem Einkommen zufriedener und äußern höheres Wohlbefinden. Allerdings erfolgt ab einem gewissen Einkommen keine Steigerung mehr (Sättigung). Anders bei Gesundheit und Lebenserwartung: Gesundheit und Lebenserwartung steigt mit höherem Einkommen und sozialen Status linear.
2. Die soziale Schere ist teuer und verursacht Kosten für alle
Mehr chronische Krankheiten, mehr Schulabbrecher, mehr Gefängnisinsassen, mehr Gewalt, mehr soziale Probleme verursachen volkswirtschaftliche Kosten anderswo. Mehr Armut und soziale Ungleichheit ist teuer und schadet (fast) allen. Eine höhere Schulabbrecher-Quote beispielsweise verursacht durch steigende Sozialausgaben, höhere Gesundheitskosten und entgangene Steuereinnamen Kosten: 3 Milliarden Euro bei 10.000 Drop-Outs in Österreich.
3. Soziale Investitionen zahlen sich aus. Für alle
Investition in Zukunftssektoren, zu denen Schenk Kinder, Schule und Bildung sowie die Pflege am Lebensende rechnet, zahlen sich aus.
Soziale Dienstleistungen sind eine Produktivkraft. Die Hilfen für die Pflege der Oma und der Betreuung des kleinen Sohns sorgen für Wachstum, stabilisieren die Wirtschaft und stiften sozialen Ausgleich. Sie haben Wachstumsfunktion bei Beschäftigung. Sie haben stabilisierende Funktion, weil sie Teilhabe sichern und Nachfrage über den Konjunkturzyklus bereitstellen. Und sie erfüllen die Funktion des sozialen Ausgleichs. Besonders die Dienstleistungen in Pflege, Kinderbetreuung und Bildung reduzieren das Armutsrisiko und verteilen zu den Schwächeren um. Österreich liegt mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt. Hier gibt es viel ungenütztes Potential, das brach liegen gelassen wird.
4. Die soziale Schere droht nach Krisen weiter auseinander zu gehen - deshalb müssen wir gegensteuern
Die soziale Ungleichheit wird in und nach Wirtschaftskrisen größer, wie der renommierte britische Sozialwissenschafter Tony Atkinson anhand von vierzig Wirtschaftskrisen beobachtet hat. Wir sehen eine zunehmende Ungleichheit innerhalb der Arbeitseinkommen und gleichzeitig eine wachsende Schere durch wieder steigende Vermögenseinkommen bei wenigen ganz oben. Bei Reichtum ist vorrangig nicht Einkommen das Thema, sondern Vermögen. Der Gini-Koeffizient, ein Maß für Ungleichheit zwischen 0 und 1 (0 heißt alle haben genau gleich viel, 1 heißt einer hat alles) beträgt bei den Haushalteinkommen europaweit geringe 0,33, Da schlagen sich die sozialstaatlichen Sozial- und Dienstleistungen nieder. Bei den Geldvermögen springt der Gini-Koeffizient auf hohe 0,66 hinauf, bei Immobilienvermögen auf 0,76, bei Unternehmensbeteiligungen auf 0,88 und bei der angeblichen Mittelschichtssache "Erbschaften" auf 0,94.
Vererben tun ganz wenige fast alles an ganz wenige.
Wer Leistung belohnen will, muss Vermögen stärker besteuern, und den Faktor Arbeit entlasten. Wer sozialer Polarisierung mit all ihren negativen Folgen für die ganze Gesellschaft gegensteuern will, muss nicht nur für die Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors eintreten, sondern auch für die Stabilisierung des sozialen Ausgleichs.
Was jedenfalls nicht hilft: Die Opfer der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit zu Schuldigen ihres Schicksals zu stempeln. Was nicht hilft für eine Gesellschaft mit sozialer Balance ist die untersten Einkommensschichten aufeinander zu hetzen", warnt die Armutskonferenz davor, die Verteilungsdebatte gegen die Ärmsten zu richten.
Armut ist nicht nur ein Mangel an Geld und Gütern, sondern auch an Freiheiten und Möglichkeiten, die diese Güter in unserer Gesellschaft verschaffen. Armut ist ein Mangel an Verwirklichungschancen.", so die Armutskonferenz abschließend.
Quelle: www.armutskonferenz.at