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Lohnschere schließt sich nicht von selbst

  • Freitag, 19. Februar 2010 @ 10:24
Meinung Von Karin Antlanger

Die Lohnschere wird immer größer und weiter, die KV-Politik der Gewerkschaften tut das ihre dazu und die Frauenabteilungen haben in den letzten zwanzig Jahren das Meiste brav mitgetragen oder bestenfalls ein kurzes Aufbegehren aus Fraktionsdisziplin wieder zurück genommen. Seit dem letzten ÖGB-Bundeskongress im Herbst vorigen Jahres hat die ÖGB-Frauenabteilung eine neue Bundesvorsitzende. Auffallend ist, dass unter Brigitte Ruprecht ein anderer Stil bei Frauenpositionspapieren Einzug gehalten hat: Weg vom allgemeinen Gesülze, Schluss mit der Verherrlichung (welch passendes Wort!) von Teilzeitarbeit für Frauen und hin zu einer analytischeren Herangehensweise an gesellschaftspolitische Themen aus Frauensicht. Daraus ergibt sich logischerweise auch eine radikalere Formulierung von Veränderungsmöglichkeiten – aber: der ÖGB als Dachorganisation ist davon noch Lichtjahre entfernt.

Denn wie ließe es sich sonst erklären, dass in einem Positionspapierentwurf der ÖGB-Frauen zum Thema „Frauen und Armut“ vom Oktober 2009 die Forderung nach einem Mindestlohn von 1.300 Euro erhoben wird – der ÖGB-Bundesvorstand aber im Jänner 2010 ein Papier derselben Frauenabteilung zum Thema „Auswege aus der Krise“ beschließt, in dem ein Mindestlohn von tausend Euro per Generalkollektivvertrag gefordert wird. Tausend Euro brutto sind in Wahrheit nur 848 Euro netto für 40 Stunden pro Woche - und damit schrammt man in Österreich an der offiziellen Armutsgefährdungsgrenze!

Bei Teilzeitarbeit wird Sozialhilfe fällig

Der ÖGB hat es über seine sozialpartnerschaftliche KV-Politik über Jahrzehnte nicht geschafft, in manchen Branchen, meist sogenannten Frauenbranchen, für ordentliche Mindestlöhne zu sorgen. Dennoch sträubt er sich mit allen unsinnigen Argumenten gegen die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn und fürchtet, durch einen solchen an Durchsetzungskraft, Ansehen, Macht, Einflussnahme usw. zu verlieren.

Wenn GLB-VertreterInnen auf gesetzliche Mindestlöhne in 20 von 27 EU-Ländern verweisen, dann kommt von ÖGB-FunktionärInnen rasch die Frage „Wollt ihr leicht Mindestlöhne wie in Bulgarien?“ Diese kampfrhetorischen Pseudoargumente sind ein politisches Armutszeugnis, denn immerhin sprechen wir von gesetzlichen Mindestlöhnen in mit Österreich vergleichbaren Ländern wie Luxemburg (1.610 Euro), Irland (1.462 Euro), Niederlande (1.357 Euro), Belgien (1.336 Euro) und Frankreich (1.321 Euro).

ÖGB setzt weiterhin auf Billiglohnbranchen für Frauen:

Mit der Forderung nach dem „Arbeitsmarktpaket III - Schwerpunkt Frauenbeschäftigung“ meint der ÖGB einen Vorrang für Investitionen in den Bereichen Bildung, Soziales, Gesundheit und Pflege – also für Bereiche, die aus einem klassischen Rollenverständnis heraus Frauen zugeschrieben werden – es sei denn, es geht um Führungspositionen. Übersehen wird dabei, dass mit diesen vier Bereichen kaum der öffentliche Dienst mit seinen Schulen, Ämtern und Krankenhäusern gemeint ist, sondern vielmehr die in den letzten Jahrzehnten in private Vereine oder Gesellschaften ausgegliederten Einrichtungen, die den Versorgungsauftrag der öffentlichen Hand erfüllen und aufgrund der leeren öffentlichen Kassen immer mehr bei den Personalkosten drücken, mehrheitlich nur Teilzeitarbeitsplätzchen vergeben und damit die mehrheitlich weiblichen Beschäftigten (bis zu 80 Prozent) auf Perspektive wieder in die Armutsfalle treiben.

Was ist an der Lohnschere hausgemacht?

Die österreichweit größten Unterschiede zwischen Männer- und Frauenerwerbseinkommen gibt es in Oberösterreich. Wen wundert`s, treffen doch in diesem Bundesland die Stahlkocher der Voest auf die bestenfalls teilzeitbeschäftigten Frauen im Mühlviertel aufeinander. Die gut bezahlten Metallerberufe sind für Frauen noch immer eine arbeitsmarktpolitische Nomenklatura. Gleichzeitig ist aber auch unser Bildungssystem noch immer einem alten Rollenverständnis verhaftet, wodurch junge Frauen weiterhin in Berufe wie Friseurin, Verkäuferin oder Bürokraft streben.

Und die in den letzten Jahren stattfindende Nivellierung der Sozial-und Gesundheitsberufe nach unten wird von den Dienstgebern nicht zuletzt auch deswegen so stark betrieben, weil absehbar ist, dass der Bedarf an Arbeitskräften in diesen Bereichen steigen wird – da wird der Politik, die ja für die Finanzierung dieser Angebote zu sorgen hat, ein Liebesdienst erwiesen: KV-Verhandlungen für diese Branchen sind meist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl Dienstgeber als auch GewerkschaftsfunktionärInnen ein „hohes Maß an Verständnis für die Finanzierungsprobleme“ der Auftraggeber, also der öffentlichen Hand, haben.

Karin Antlanger ist BRV von EXIT-sozial Linz und GLB-Bundesvorsitzende