Bald nur mehr Arbeit auf Abruf?
- Montag, 8. Februar 2010 @ 17:02
Von Hubert Schmiedbauer
Wir sind flexibel genug! Auf dem Unterschriftenbogen, den der GLB-Steiermark für die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung aufgelegt hat, wird an die Verschlechterungen des Arbeitszeitrechts erinnert, mit denen die KollegInnen bereits belastet wurden. Schon aus arbeitsmedizinischen Gründen ist eine Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit erforderlich. Und aus konjunkturpolitischen Gründen ist klar abzuleiten: Es darf keinen Lohnverlust geben! Nicht nur der GLB packt dieses Thema traditionsgemäß offensiv an. In den Führungsetagen des ÖBG und der Einzelgewerkschaften sowie in den Medien von ÖGB und AK sowie in anderen Organisationen, die sich sozialpolitisch engagieren, hat die AZV einen Spitzenplatz. Für 27. Februar ist in Graz vom GLB und mehreren Organisationen eine Demonstration angesagt.
Zur Erinnerung: Seit mehr als zwanzig Jahren wird die Forderung nach AZV (35-Stunden-Woche usw.) in unzähligen Programmen und Resolutionen auf Gewerkschaftskongressen und –konferenzen wiederholt. Die Wirklichkeit: Brutale Deregulierungen im Arbeitszeitrecht zugunsten der Unternehmer ohne wirksamen Widerstand der Betroffenen, Kapitulation der Gewerkschaftsführungen vor den Schlagworten „Wettbewerb“ und „Arbeitsplätze“ – und eine sinkende Lohnquote (Anteil der Lohneinkommen an der Gesamtwertschöpfung) bei entsprechend steigenden Kapitalgewinnen. Nicht zu vergessen das Wachstum der Arbeitslosenzahlen auf über 400.000 mit zusätzlich fast 80.000 SchulungsteilnehmerInnen im Jänner 2010.
Kapital und Unternehmer kriegen den Rachen nicht voll
So soll es wohl weitergehen. Krise, Defizite als Vorwand: Sparen im Sozialbereich, im Gesundheitswesen, bei allen öffentlichen Dienstleistungen. Und ja keine Begehrlichkeiten auf der Seite der Lohnabhängigen. Aber wo ist das viele Geld hin? Aktuelles Beispiel: Der Siemens-Weltkonzern meldet für Oktober-Dezember 2009 trotz Rückgang bei Umsätzen und Aufträgen „wegen Kostensenkungen in Vertrieb und Verwaltung“ einen Gewinnzuwachs von einem Viertel auf 1,5 Milliarden Euro.
Beispiel Deutsche Bank: Während der Bankenkrise hat sie nach Verlusten 2008 Jahresgewinn 2009 mit fünf Milliarden Euro (nach Steuern) angegeben und rechnet damit, die Ausschüttung der Dividende um 50% zu steigern. Am stärksten profitierte sie am Investmentbanking, also den Beteiligungen an Industrie und Dienstleistungen. Wie viele Arbeitsplätze für diese Profite vernichtet wurden, fehlt in der Jubelmeldung.
Solche Frohbotschaften machen Appetit. Das Kapital überlässt es gern „seinen“ politischen Hebeln, das Spiel voranzutreiben. Der ÖVP-Wirtschaftsbund ist besonders aktiv. Die Wirtschaftskammer trabt eifrig mit. Deren Präsident Christoph Leitl philosophierte kürzlich über „eine neue Wertehaltung“, zu der „nachhaltiges Wirtschaften vor Gewinnmaximierung und Generationsdenken vor Quartalsdenken“ stehen solle. Das sieht er dann etwa in einer Verwaltungsreform, mit der ab 2013 jährlich sechs Milliarden Euro eingespart werden könnten – über den Daumen sind das mehr als 100.000 Arbeitsplätze.
Der Clou kommt aber noch: Drei von vier Landsleuten holen aus dem Staat mehr heraus als sie einzahlen, behauptete Leitl. „Der eine Mehrzahlende hat ein gutes Recht auf pflegliche Behandlung“ – also keine Steuererhöhungen, sondern mehr Entlastungen. Aus den Ersparnissen der Verwaltungsreform?
Die Industriellenvereinigung prescht bereits vor und hat einige neoliberal infizierte „Experten“ mobilisiert, die (wieder einmal) die Abschaffung oder Schwächung demokratischer Strukturen (z.B. Zusammenlegung hunderter Gemeinden) erfinden. Demokratie-Abbau (z.B. weniger Abgeordnete) statt Abbau der Kapital- und Politikerprivilegien. Statt Offenlegung der Profite und Millioneneinkommen infame Konstruktionen eines „Transferkontos“ oder einer jährlichen „Bürgerbilanz“ der schwachen und schwächsten Glieder unserer Gesellschaft.
Wünsche nach noch mehr Flexibilisierung
Obwohl die Arbeitsproduktivität ständig wächst, wächst auch von Jahr zu Jahr die Wunschliste weiterer Flexibilisierungen in der Arbeitswelt. Die Modelle von längerer Normalarbeitszeit und längerer Einteilung zu Überstunden haben schon bisher – ohne große Widerstände – zu entmenschlichten Arbeitsverhältnissen als Normalfall geführt. Es sollen die Durchrechnungszeiträume für die flexiblen Arbeitszeiten verlängert werden. es fallen immer mehr Entgelte für Mehrarbeit weg.
Vermehrt werden „Experten“ angesetzt, für die menschliche Arbeitskraft ganz im Sinne ihrer Auftraggeber nur mehr ein mathematisches Zeichen ist. Da kommt etwa die Idee auf, sogenannte All-in-Verträge (mit Überstundenpauschalen) so zu formulieren, dass diese Pauschalen auch widerruf bar sind oder „sich auf vorübergehende Verringerung von Normalarbeitszeit und Entgelt zu einigen“. In welcher Position bei diesem „Einigen“ der oder die Lohnabhängige gegenüber dem Unternehmen ist, muss hier wohl nicht erklärt werden. Arbeit auf Abruf ist das Fernziel. Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverlust ist die logische Gegenstrategie.
Hubert Schmiedbauer ist Journalist und lebt in Graz
Wir sind flexibel genug! Auf dem Unterschriftenbogen, den der GLB-Steiermark für die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung aufgelegt hat, wird an die Verschlechterungen des Arbeitszeitrechts erinnert, mit denen die KollegInnen bereits belastet wurden. Schon aus arbeitsmedizinischen Gründen ist eine Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit erforderlich. Und aus konjunkturpolitischen Gründen ist klar abzuleiten: Es darf keinen Lohnverlust geben! Nicht nur der GLB packt dieses Thema traditionsgemäß offensiv an. In den Führungsetagen des ÖBG und der Einzelgewerkschaften sowie in den Medien von ÖGB und AK sowie in anderen Organisationen, die sich sozialpolitisch engagieren, hat die AZV einen Spitzenplatz. Für 27. Februar ist in Graz vom GLB und mehreren Organisationen eine Demonstration angesagt.
Zur Erinnerung: Seit mehr als zwanzig Jahren wird die Forderung nach AZV (35-Stunden-Woche usw.) in unzähligen Programmen und Resolutionen auf Gewerkschaftskongressen und –konferenzen wiederholt. Die Wirklichkeit: Brutale Deregulierungen im Arbeitszeitrecht zugunsten der Unternehmer ohne wirksamen Widerstand der Betroffenen, Kapitulation der Gewerkschaftsführungen vor den Schlagworten „Wettbewerb“ und „Arbeitsplätze“ – und eine sinkende Lohnquote (Anteil der Lohneinkommen an der Gesamtwertschöpfung) bei entsprechend steigenden Kapitalgewinnen. Nicht zu vergessen das Wachstum der Arbeitslosenzahlen auf über 400.000 mit zusätzlich fast 80.000 SchulungsteilnehmerInnen im Jänner 2010.
Kapital und Unternehmer kriegen den Rachen nicht voll
So soll es wohl weitergehen. Krise, Defizite als Vorwand: Sparen im Sozialbereich, im Gesundheitswesen, bei allen öffentlichen Dienstleistungen. Und ja keine Begehrlichkeiten auf der Seite der Lohnabhängigen. Aber wo ist das viele Geld hin? Aktuelles Beispiel: Der Siemens-Weltkonzern meldet für Oktober-Dezember 2009 trotz Rückgang bei Umsätzen und Aufträgen „wegen Kostensenkungen in Vertrieb und Verwaltung“ einen Gewinnzuwachs von einem Viertel auf 1,5 Milliarden Euro.
Beispiel Deutsche Bank: Während der Bankenkrise hat sie nach Verlusten 2008 Jahresgewinn 2009 mit fünf Milliarden Euro (nach Steuern) angegeben und rechnet damit, die Ausschüttung der Dividende um 50% zu steigern. Am stärksten profitierte sie am Investmentbanking, also den Beteiligungen an Industrie und Dienstleistungen. Wie viele Arbeitsplätze für diese Profite vernichtet wurden, fehlt in der Jubelmeldung.
Solche Frohbotschaften machen Appetit. Das Kapital überlässt es gern „seinen“ politischen Hebeln, das Spiel voranzutreiben. Der ÖVP-Wirtschaftsbund ist besonders aktiv. Die Wirtschaftskammer trabt eifrig mit. Deren Präsident Christoph Leitl philosophierte kürzlich über „eine neue Wertehaltung“, zu der „nachhaltiges Wirtschaften vor Gewinnmaximierung und Generationsdenken vor Quartalsdenken“ stehen solle. Das sieht er dann etwa in einer Verwaltungsreform, mit der ab 2013 jährlich sechs Milliarden Euro eingespart werden könnten – über den Daumen sind das mehr als 100.000 Arbeitsplätze.
Der Clou kommt aber noch: Drei von vier Landsleuten holen aus dem Staat mehr heraus als sie einzahlen, behauptete Leitl. „Der eine Mehrzahlende hat ein gutes Recht auf pflegliche Behandlung“ – also keine Steuererhöhungen, sondern mehr Entlastungen. Aus den Ersparnissen der Verwaltungsreform?
Die Industriellenvereinigung prescht bereits vor und hat einige neoliberal infizierte „Experten“ mobilisiert, die (wieder einmal) die Abschaffung oder Schwächung demokratischer Strukturen (z.B. Zusammenlegung hunderter Gemeinden) erfinden. Demokratie-Abbau (z.B. weniger Abgeordnete) statt Abbau der Kapital- und Politikerprivilegien. Statt Offenlegung der Profite und Millioneneinkommen infame Konstruktionen eines „Transferkontos“ oder einer jährlichen „Bürgerbilanz“ der schwachen und schwächsten Glieder unserer Gesellschaft.
Wünsche nach noch mehr Flexibilisierung
Obwohl die Arbeitsproduktivität ständig wächst, wächst auch von Jahr zu Jahr die Wunschliste weiterer Flexibilisierungen in der Arbeitswelt. Die Modelle von längerer Normalarbeitszeit und längerer Einteilung zu Überstunden haben schon bisher – ohne große Widerstände – zu entmenschlichten Arbeitsverhältnissen als Normalfall geführt. Es sollen die Durchrechnungszeiträume für die flexiblen Arbeitszeiten verlängert werden. es fallen immer mehr Entgelte für Mehrarbeit weg.
Vermehrt werden „Experten“ angesetzt, für die menschliche Arbeitskraft ganz im Sinne ihrer Auftraggeber nur mehr ein mathematisches Zeichen ist. Da kommt etwa die Idee auf, sogenannte All-in-Verträge (mit Überstundenpauschalen) so zu formulieren, dass diese Pauschalen auch widerruf bar sind oder „sich auf vorübergehende Verringerung von Normalarbeitszeit und Entgelt zu einigen“. In welcher Position bei diesem „Einigen“ der oder die Lohnabhängige gegenüber dem Unternehmen ist, muss hier wohl nicht erklärt werden. Arbeit auf Abruf ist das Fernziel. Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverlust ist die logische Gegenstrategie.
Hubert Schmiedbauer ist Journalist und lebt in Graz