Das Kinderhaus der Glanzstoffwerke
- Dienstag, 26. Januar 2010 @ 09:41
Von Roman Gutsch
Am 18. Jänner 2010 jährt sich der Tod von Margarete Schütte-Lihotzky zum zehnten Mal. Sie verstarb nur wenige Tage vor ihrem 103. Geburtstag.
1897 in Wien geboren war Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky die erste Frau, die an der Wiener Kunstgewerbeschule (heute Universität für Angewandte Kunst) studierte. 1917 gewann sie den ersten Preis in einem Wettbewerb für die beste Lösung „Eine Wohnküche in der äußeren Vorstadt“. Bereits mit zwanzig Jahren hatte sie also ihren Weg gefunden: soziale Bedürfnisse und Architektur zusammenzubringen.
Anläßlich des zehnten Todestages erschien nun eine kleine Dokumentation über das Kinderhaus der Glanzstoffwerke St. Pölten, das von Schütte-Lihotzky 1953 geplant und verwirklicht wurde. Die AutorInnen der Broschüre hatten zu Schütte-Lihotzky eine persönliche und zum Teil arbeitsmäßige Beziehung und so entstand eine knappe aber doch sehr aufschlussreiche Dokumentation über einen architektonisch sehr innovativen Betriebskindergarten, der Anfang der 1990er Jahre geschlossen wurde. Das Gebäude wurde verändert und die sehr interessanten Einbauten und Möbel verschwanden. Daher trägt die Dokumentation auch den Untertitel „Aktuelle Gedanken zu einem verschwundenen Projekt“.
Die Architektin Christine Zwingl kann anhand den Plänen zu dem Kinderhaus der Glanzstoffwerke in St. Pölten aufzeigen, dass Margarethe Schütte-Lihotzky, die ihre maßgeblichen Entwürfe für Kindergärten bereits 1929 entwarf, in Einrichtungen für Kinder keine „Bewahranstalten“ sah. Ihr Anspruch war es, „Häuser der Kinder“ zu bauen, die „alle Heiterkeit und Frohsinn einer glücklichen Kindheit ausstrahlen.“
Anna Zwingl stellt in der Broschüre Objekte vor, die sich in der Grundstruktur auf Möbelentwürfe von Schütte-Lihotzky zurückführen lassen, während Michael Graber die Geschichte der Glanzstoff-Fabrik rekonstruiert. Auffallend ist, dass in der Werkgeschichte mehrmals der öffentliche Haushalt zugunsten privater Investitionen geplündert wurde. Kritisch beleuchtet der Autor auch die Selbstdarstellung, die in einer Festschrift zum 60. Jahrestag der Gründung der Glanzstoff zu lesen ist.
In dieser Schrift wurde die Kriegsproduktion mit Zwangsarbeitern schöngeschrieben und der Wiederaufbau durch die sowjetische Wirtschaftsverwaltung (U.S.I.A.) als „wenig günstig“ bezeichnet, obwohl in dieser Zeit, die Gewerkschaftliche Einheit (aus welcher später der Gewerkschaftliche Linksblock hervorging) hatte damals großen Einfluß in der Belegschaft und im Betriebsrat, u.a. der vorbildliche Werkskindergarten von Schütte-Lihotzky realisiert wurde.
Im letzten Beitrag der Dokumentation unternimmt die Kleinkindpädagogin Vera Modjawer einen Streifzug durch ihre beruflichen und persönlichen Erinnerungen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass sich Bildungseinrichtungen – und der Kindergarten ist ein solcher – immer am politischen Geschehen orientieren, zeigt sie in einigen Beispielen auf, was sich im pädagogischen Alltag geändert hat, auch in der Architektur: der Schlafsaal für 40 bis 60 Kinder, die schlafen müssen, gehört der Vergangenheit an.
Die Dokumentation ist beim Bundesvorstand der KPÖ (buvo@kpoe.at) erhältlich.
Roman Gutsch ist Betriebsrat bei Caritas Socialis in Wien
Am 18. Jänner 2010 jährt sich der Tod von Margarete Schütte-Lihotzky zum zehnten Mal. Sie verstarb nur wenige Tage vor ihrem 103. Geburtstag.
1897 in Wien geboren war Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky die erste Frau, die an der Wiener Kunstgewerbeschule (heute Universität für Angewandte Kunst) studierte. 1917 gewann sie den ersten Preis in einem Wettbewerb für die beste Lösung „Eine Wohnküche in der äußeren Vorstadt“. Bereits mit zwanzig Jahren hatte sie also ihren Weg gefunden: soziale Bedürfnisse und Architektur zusammenzubringen.
Anläßlich des zehnten Todestages erschien nun eine kleine Dokumentation über das Kinderhaus der Glanzstoffwerke St. Pölten, das von Schütte-Lihotzky 1953 geplant und verwirklicht wurde. Die AutorInnen der Broschüre hatten zu Schütte-Lihotzky eine persönliche und zum Teil arbeitsmäßige Beziehung und so entstand eine knappe aber doch sehr aufschlussreiche Dokumentation über einen architektonisch sehr innovativen Betriebskindergarten, der Anfang der 1990er Jahre geschlossen wurde. Das Gebäude wurde verändert und die sehr interessanten Einbauten und Möbel verschwanden. Daher trägt die Dokumentation auch den Untertitel „Aktuelle Gedanken zu einem verschwundenen Projekt“.
Die Architektin Christine Zwingl kann anhand den Plänen zu dem Kinderhaus der Glanzstoffwerke in St. Pölten aufzeigen, dass Margarethe Schütte-Lihotzky, die ihre maßgeblichen Entwürfe für Kindergärten bereits 1929 entwarf, in Einrichtungen für Kinder keine „Bewahranstalten“ sah. Ihr Anspruch war es, „Häuser der Kinder“ zu bauen, die „alle Heiterkeit und Frohsinn einer glücklichen Kindheit ausstrahlen.“
Anna Zwingl stellt in der Broschüre Objekte vor, die sich in der Grundstruktur auf Möbelentwürfe von Schütte-Lihotzky zurückführen lassen, während Michael Graber die Geschichte der Glanzstoff-Fabrik rekonstruiert. Auffallend ist, dass in der Werkgeschichte mehrmals der öffentliche Haushalt zugunsten privater Investitionen geplündert wurde. Kritisch beleuchtet der Autor auch die Selbstdarstellung, die in einer Festschrift zum 60. Jahrestag der Gründung der Glanzstoff zu lesen ist.
In dieser Schrift wurde die Kriegsproduktion mit Zwangsarbeitern schöngeschrieben und der Wiederaufbau durch die sowjetische Wirtschaftsverwaltung (U.S.I.A.) als „wenig günstig“ bezeichnet, obwohl in dieser Zeit, die Gewerkschaftliche Einheit (aus welcher später der Gewerkschaftliche Linksblock hervorging) hatte damals großen Einfluß in der Belegschaft und im Betriebsrat, u.a. der vorbildliche Werkskindergarten von Schütte-Lihotzky realisiert wurde.
Im letzten Beitrag der Dokumentation unternimmt die Kleinkindpädagogin Vera Modjawer einen Streifzug durch ihre beruflichen und persönlichen Erinnerungen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass sich Bildungseinrichtungen – und der Kindergarten ist ein solcher – immer am politischen Geschehen orientieren, zeigt sie in einigen Beispielen auf, was sich im pädagogischen Alltag geändert hat, auch in der Architektur: der Schlafsaal für 40 bis 60 Kinder, die schlafen müssen, gehört der Vergangenheit an.
Die Dokumentation ist beim Bundesvorstand der KPÖ (buvo@kpoe.at) erhältlich.
Roman Gutsch ist Betriebsrat bei Caritas Socialis in Wien