Der Schwindel mit dem Wort „Leistung“
- Dienstag, 3. November 2009 @ 08:56
Von Hubert Schmiedbauer
Was ist die Arbeitskraft wert? Angeblich gibt es eine Bewertung nach Leistung. Nun in der Krise wollen die UnternehmerInnen einen anderen Maßstab: Das Betriebsergebnis, die Auftragsbücher des Konzerns, den Markt, den Wettbewerb - einen Wettbewerb um die jeweils schlechteren Löhne, sozialen Sicherheiten, Rechtssysteme und Umweltbedingungen. Da gibt die Arbeitskraft was her! Das ist die Leistung, die sie meinen. Die tatsächliche Leistung des Arbeiters, der Angestellten ist stets im Wachsen. Doch von der Unternehmerseite heißt es: Ihr bekommt eine geringere Lohnerhöhung; denn wir haben ein geringeres Auftragspolster. Oder: Die Löhne und Gehälter werden vom „Betriebserfolg“ abhängig gemacht. Der KV soll möglichst nur ganz allgemein gelten, ein gewisser Prozentsatz steht dem Unternehmen zu Verfügung, das nach eigenem Ermessen verteilt – nach welchen Kriterien? - und den Betriebsrat bestenfalls „mitbestimmen“ lässt. Es gibt noch eine Variante: Ein Konzern schickt tausende in Kurzarbeit und versucht die verbleibende Belegschaft zum Lohnverzicht zu zwingen, obwohl sie für die verringerte Produktion dieselbe Leistung erbringt.
Leider haben sich viele Gewerkschafter und Betriebsräte auf dieses Spiel eingelassen, weil sie der Erpressung mit Massenkündigungen und Kurzarbeit ausgesetzt sind. Schon vor Jahren wurden z.B. „Öffnungsklauseln“ vereinbart, nach denen Beschäftigte aus einzelnen Betrieben höhere Lohnzuwächse bekommen als andere. Wegen der vielfältigen Unterschiede bei den unzähligen Zulieferfirmen von „Kernbetrieben“ und der differenzierten Infrastruktur (Standortvorteile durch Sponsoring von Gemeinden, Verkehrsanbindung, Energiehaushalt, Zugang zu Forschung und Entwicklung, Personalqualifizierung usw.) wird eine von solchen Faktoren abhängige Produktivität dazu missbraucht, die Zulieferer und deren Beschäftigte oder sogar einzelne Abteilungen des Kernbetriebes unter Druck zu setzen, zu diskriminieren und vor allem die Solidarität zu zerschlagen..
Maßstab Produktivität
Die Menschen produzieren Waren, um ihre Lebensbedürfnisse zu decken. Zu diesem Zweck wird Arbeitskraft eingesetzt, die unter kapitalistischen Bedingungen wie jede andere Ware gehandelt wird. Jetzt kommt die Frage: Was ist Arbeitskraft wert? Um welchen Preis muss sie gekauft werden? Der gesellschaftliche Wert der Arbeitskraft misst sich an den Kosten ihrer Erhaltung und Wiederherstellung. Nahrung, Bekleidung, Wohnung entsprechend dem kulturellen Standard, Ausbildung auf allen Ebenen, Erholung einschließlich Sportausübung, und – als Feld der Auseinandersetzung - die Gesundheit, die Sicherung des Nachwuchses sowie eine menschenwürdige letzte Etappe der ausgedienten Arbeitskraft einschließlich ihrer sozialen und kulturellen Existenz. Grundlage ist die gesamtgesellschaftliche Produktivität.
Ein Teil dieser Kosten wird in kollektiver Selbstverwaltung abgewickelt – Gesundheitssystem (Krankenkassen), Pensionsversicherung, Unfall- und Arbeitslosenversicherung, einige Fonds. Diese Gemeinschaftskassen werden auf unterschiedliche Weise aufgefüllt: Teile des Arbeitseinkommens, „Arbeitgeber“beiträge – aus der Wertschöpfung der Arbeitenden! -, schließlich Mittel aus dem Staatshaushalt – ebenfalls überwiegend gespeist aus Steuern der Lohnabhängigen (Lohnsteuer, Mehrwertsteuer u.a.).
Darum sind die Beiträge zu diesen Systemen keine Lohnnebenkosten, sondern sie gehören zum Wert und somit zum Preis für die Arbeitskraft. Damit ist auch der „Generationenvertrag“ definiert: Aus der täglichen Wertschöpfung sind alle Bedürfnisse zu decken. Die Umstellung der Unternehmerbeiträge zum Sozialsystem auf die Wertschöpfung ist notwendig, weil die Gesamtproduktivität zum Maßstab wird, der alle Gewinne erfasst.
Wer ist Leistungsträger?
Stets werden neue Finessen erfunden, um die Ware Arbeitskraft billiger zu machen. Deregulierung der Arbeitszeit ist ebenso gewinnbringend wie (relative) Lohnsenkung. Natürlich haben verschiedene Qualifikationen unterschiedliche Bewertung in der Lohntabelle. Auch Wissenschaft und Technik sind Produktivkraft, also Leistung. Andererseits trumpfen etliche privilegierte SchwerverdienerInnen auf und bezeichnen sich als „Leistungsträger“, weil sie höhere Einkommen zugeschanzt bekommen.
Wer kann nachvollziehen, dass jemand angeblich die zehn-, zwanzig- oder fünfzigfache Leistung als ein/e andere/r erbringt? Die Ausschüttungen der Aktiengesellschaften sind seit 1995 auf das Fünffache gestiegen. Im mittleren und höheren Management werden trotz Krise die Gehälter durch Bonuszahlungen vervielfacht. Abgetakelte PolitikerInnen und pensionierte Manager bekommen „Beraterhonorare“ aus dubiosen Bank- oder Industriegeschäften in Millionenhöhe. Alles Leistung?
Das Kapital mit seinen Managements und PolitikerInnen kann nicht anders funktionieren, das ist ein System, eine verflochtene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Getragen wird sie von der Leistung der Arbeitenden. Erst durch deren Produktivität kann Geldkapital sich vermehren. Die produktive Arbeit verweigern ist daher ein Mittel, die wahren Schmarotzer unserer Gesellschaft vom Tropf der Privilegierung als Besitzende und Machthabende abzuschneiden. Dazu braucht es geschlossene Solidarität. Dem chaotischen Krisenmanagement des Kapitalismus ist eine neue Demokratie gegenüber zu stellen, in der die Millionen wahren Leistungsträger das Häufchen Millionenträger nicht vermissen werden.
Hubert Schmiedbauer ist Journalist und lebt in Graz
Was ist die Arbeitskraft wert? Angeblich gibt es eine Bewertung nach Leistung. Nun in der Krise wollen die UnternehmerInnen einen anderen Maßstab: Das Betriebsergebnis, die Auftragsbücher des Konzerns, den Markt, den Wettbewerb - einen Wettbewerb um die jeweils schlechteren Löhne, sozialen Sicherheiten, Rechtssysteme und Umweltbedingungen. Da gibt die Arbeitskraft was her! Das ist die Leistung, die sie meinen. Die tatsächliche Leistung des Arbeiters, der Angestellten ist stets im Wachsen. Doch von der Unternehmerseite heißt es: Ihr bekommt eine geringere Lohnerhöhung; denn wir haben ein geringeres Auftragspolster. Oder: Die Löhne und Gehälter werden vom „Betriebserfolg“ abhängig gemacht. Der KV soll möglichst nur ganz allgemein gelten, ein gewisser Prozentsatz steht dem Unternehmen zu Verfügung, das nach eigenem Ermessen verteilt – nach welchen Kriterien? - und den Betriebsrat bestenfalls „mitbestimmen“ lässt. Es gibt noch eine Variante: Ein Konzern schickt tausende in Kurzarbeit und versucht die verbleibende Belegschaft zum Lohnverzicht zu zwingen, obwohl sie für die verringerte Produktion dieselbe Leistung erbringt.
Leider haben sich viele Gewerkschafter und Betriebsräte auf dieses Spiel eingelassen, weil sie der Erpressung mit Massenkündigungen und Kurzarbeit ausgesetzt sind. Schon vor Jahren wurden z.B. „Öffnungsklauseln“ vereinbart, nach denen Beschäftigte aus einzelnen Betrieben höhere Lohnzuwächse bekommen als andere. Wegen der vielfältigen Unterschiede bei den unzähligen Zulieferfirmen von „Kernbetrieben“ und der differenzierten Infrastruktur (Standortvorteile durch Sponsoring von Gemeinden, Verkehrsanbindung, Energiehaushalt, Zugang zu Forschung und Entwicklung, Personalqualifizierung usw.) wird eine von solchen Faktoren abhängige Produktivität dazu missbraucht, die Zulieferer und deren Beschäftigte oder sogar einzelne Abteilungen des Kernbetriebes unter Druck zu setzen, zu diskriminieren und vor allem die Solidarität zu zerschlagen..
Maßstab Produktivität
Die Menschen produzieren Waren, um ihre Lebensbedürfnisse zu decken. Zu diesem Zweck wird Arbeitskraft eingesetzt, die unter kapitalistischen Bedingungen wie jede andere Ware gehandelt wird. Jetzt kommt die Frage: Was ist Arbeitskraft wert? Um welchen Preis muss sie gekauft werden? Der gesellschaftliche Wert der Arbeitskraft misst sich an den Kosten ihrer Erhaltung und Wiederherstellung. Nahrung, Bekleidung, Wohnung entsprechend dem kulturellen Standard, Ausbildung auf allen Ebenen, Erholung einschließlich Sportausübung, und – als Feld der Auseinandersetzung - die Gesundheit, die Sicherung des Nachwuchses sowie eine menschenwürdige letzte Etappe der ausgedienten Arbeitskraft einschließlich ihrer sozialen und kulturellen Existenz. Grundlage ist die gesamtgesellschaftliche Produktivität.
Ein Teil dieser Kosten wird in kollektiver Selbstverwaltung abgewickelt – Gesundheitssystem (Krankenkassen), Pensionsversicherung, Unfall- und Arbeitslosenversicherung, einige Fonds. Diese Gemeinschaftskassen werden auf unterschiedliche Weise aufgefüllt: Teile des Arbeitseinkommens, „Arbeitgeber“beiträge – aus der Wertschöpfung der Arbeitenden! -, schließlich Mittel aus dem Staatshaushalt – ebenfalls überwiegend gespeist aus Steuern der Lohnabhängigen (Lohnsteuer, Mehrwertsteuer u.a.).
Darum sind die Beiträge zu diesen Systemen keine Lohnnebenkosten, sondern sie gehören zum Wert und somit zum Preis für die Arbeitskraft. Damit ist auch der „Generationenvertrag“ definiert: Aus der täglichen Wertschöpfung sind alle Bedürfnisse zu decken. Die Umstellung der Unternehmerbeiträge zum Sozialsystem auf die Wertschöpfung ist notwendig, weil die Gesamtproduktivität zum Maßstab wird, der alle Gewinne erfasst.
Wer ist Leistungsträger?
Stets werden neue Finessen erfunden, um die Ware Arbeitskraft billiger zu machen. Deregulierung der Arbeitszeit ist ebenso gewinnbringend wie (relative) Lohnsenkung. Natürlich haben verschiedene Qualifikationen unterschiedliche Bewertung in der Lohntabelle. Auch Wissenschaft und Technik sind Produktivkraft, also Leistung. Andererseits trumpfen etliche privilegierte SchwerverdienerInnen auf und bezeichnen sich als „Leistungsträger“, weil sie höhere Einkommen zugeschanzt bekommen.
Wer kann nachvollziehen, dass jemand angeblich die zehn-, zwanzig- oder fünfzigfache Leistung als ein/e andere/r erbringt? Die Ausschüttungen der Aktiengesellschaften sind seit 1995 auf das Fünffache gestiegen. Im mittleren und höheren Management werden trotz Krise die Gehälter durch Bonuszahlungen vervielfacht. Abgetakelte PolitikerInnen und pensionierte Manager bekommen „Beraterhonorare“ aus dubiosen Bank- oder Industriegeschäften in Millionenhöhe. Alles Leistung?
Das Kapital mit seinen Managements und PolitikerInnen kann nicht anders funktionieren, das ist ein System, eine verflochtene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Getragen wird sie von der Leistung der Arbeitenden. Erst durch deren Produktivität kann Geldkapital sich vermehren. Die produktive Arbeit verweigern ist daher ein Mittel, die wahren Schmarotzer unserer Gesellschaft vom Tropf der Privilegierung als Besitzende und Machthabende abzuschneiden. Dazu braucht es geschlossene Solidarität. Dem chaotischen Krisenmanagement des Kapitalismus ist eine neue Demokratie gegenüber zu stellen, in der die Millionen wahren Leistungsträger das Häufchen Millionenträger nicht vermissen werden.
Hubert Schmiedbauer ist Journalist und lebt in Graz