Die Bashing-Gesellschaft
- Montag, 2. November 2009 @ 10:33
Von Leo Furtlehner
Mit seinem „Projekt Österreich“ präsentierte ÖVP-Chef Pröll auch den Vorschlag eines „Transferkontos“. Die 2,7 Millionen ÖsterreicherInnen die (wegen mickriger Löhne oder Pensionen) keine Einkommen- oder Lohnsteuer zahlen sind für Pröll „Nicht-Steuerzahler“, die von den „Leistungswilligen“ via Sozialleistungen erhalten werden. Streng neoliberal titelte „profil“ sofort „So ungerecht ist Österreich“ weil „Statt Leistungswilliger werden Hausfrauen, Erben und Untätige belohnt“. Sogar der extrem neoliberale Journalist Christian Rainer kam bei Prölls Geistesblitz zum Schluss „Ohne Vermögenskonto führt das Transferkonto also nicht zur Gerechtigkeit“, stellte aber zur Frage ob der ÖVP-Vorstoß zur Streichung von Sozialleistungen führen soll freudig fest „Ja hoffentlich!“ Als Konterpart stellte Elfriede Hammerl die berechtigte Frage ob die „NiedriglohnempfängerIn nicht ebenfalls geschuftet“ haben und stellte als Gegenrechnung auf, dass hierzulande Männer bezahlte Überstunden, Frauen hingegen unbezahlte Familienarbeit leisten.
Auch bei der Debatte um die Mindestsicherung (733 Euro zwölfmal im Jahr bei einer offiziellen Armutsgrenze von 912 Euro) zeigt sich das gleiche Spiel: Sogar ÖGB-Chef Foglar und Sozialminister Hundstorfer haben sich die dubiose Formel „Sprungbrett statt Hängematte“ zu Eigen gemacht. Von den Hängematten der weitgehend von Steuerleistung befreiten MultimillionärInnen oder AktienbesitzerInnen die von der durch die Arbeit anderer erwirtschafteten Dividende leben spricht freilich niemand.
Die Meinungsmacher meinen freilich suggestiv, dass sich durch die (vom oö Caritas-Direktor Mühlberger ohnehin nur als „Gnadenbrot“ gesehene) Mindestsicherung für die BezieherInnen niedriger Löhne die Arbeit nicht mehr lohnt. Von einem gesetzlichen Mindestlohn damit man von einer Vollzeitarbeit auch einigermaßen gut leben kann, wollen sie freilich nichts hören.
Transferkonto und Mindestsicherung sind nur zwei Beispiele, wie unter neoliberalen Vorzeichen die Gesellschaft systematisch auseinanderdividiert, wie Solidarität gezielt zerstört wird. Im Sommer warnte „profil“ mit dem reißerischen Aufmacher „Die graue Gefahr“ und stellte „Österreich als Paradies für Frühpensionisten & Langzeitrentner“ dar, wo „maßlose Forderungen, sinkendes Antrittsalter, steigende Lebenserwartung“ der sogenannten „Kukident-Generation“ das System gefährden. Neoliberal eingefärbte Jugendorganisationen von ÖVP, BZÖ oder LIF griffen das Thema begierig unter auf und behaupteten so würde der Jugend die „Zukunft geraubt“.
Der Kapitalismus ist eine Bashing-Gesellschaft: Hemmungsloser Wettbewerb und das Motto „Jeder ist sich selbst der nächste“ machen Hauen in. Als 1986 die Intertrading-Spekulationen platzten und die Verstaatlichten-Krise offenbar wurde, wurden bislang hochgeachtete Voestler monatelang als „Schmarotzer der Nation“ verteufelt. Abwechselnd und wiederholt kamen dann andere Berufsgruppen dran: Die EisenbahnerInnen, erst jüngst wieder wegen zu hoher Krankenstände. Die „faulen“ LehrerInnen, PostlerInnen und Beamten. Und die AusländerInnen sowieso laufend und Schuld an allem.
Hauen gilt auch für die Studis: „Der Standard“ bezeichnete die Abschaffung der Studiengebühren als „leichtfertigen Luxus“ und beklatschte Minister Hahn wegen dessen Forderung nach Wiedereinführung. Die anfangs freundliche Stimmung der Medien zum massiven Uniprotest wechselte zunehmend dem ausspielen gegen eine „schweigende Mehrheit“ Studierender die studieren will oder einer Aufrechnung gegen die Forderungen für eine Pensionserhöhung.
Solches Bashing, das Hinhauen auf bestimmte Gruppen, gezielte Entsolidarisierung sind zwangsläufiger Ausfluss einer Politik des „Teile und herrsche“ der Eliten. Dahinter steht die Absicht wegen angeblicher Unfinanzierbarkeit und diverser Sachzwänge eine Umverteilung ungedingt zum Tabu zu erklären. Nach dem Radfahrer-Motto „Nach oben buckeln, nach unten treten“ fällt es gerade in einem Land mit ausgeprägtem Obrigkeitsdenken leicht, Sündenböcke zu präsentieren. Diese Mentalität zu überwinden und Solidarität als zentralen Wert der Gesellschaft wieder herzustellen ist daher eine vorrangige Aufgabe für fortschrittliche Politik.
Leo Furtlehner ist Journalist in Linz und verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“
Mit seinem „Projekt Österreich“ präsentierte ÖVP-Chef Pröll auch den Vorschlag eines „Transferkontos“. Die 2,7 Millionen ÖsterreicherInnen die (wegen mickriger Löhne oder Pensionen) keine Einkommen- oder Lohnsteuer zahlen sind für Pröll „Nicht-Steuerzahler“, die von den „Leistungswilligen“ via Sozialleistungen erhalten werden. Streng neoliberal titelte „profil“ sofort „So ungerecht ist Österreich“ weil „Statt Leistungswilliger werden Hausfrauen, Erben und Untätige belohnt“. Sogar der extrem neoliberale Journalist Christian Rainer kam bei Prölls Geistesblitz zum Schluss „Ohne Vermögenskonto führt das Transferkonto also nicht zur Gerechtigkeit“, stellte aber zur Frage ob der ÖVP-Vorstoß zur Streichung von Sozialleistungen führen soll freudig fest „Ja hoffentlich!“ Als Konterpart stellte Elfriede Hammerl die berechtigte Frage ob die „NiedriglohnempfängerIn nicht ebenfalls geschuftet“ haben und stellte als Gegenrechnung auf, dass hierzulande Männer bezahlte Überstunden, Frauen hingegen unbezahlte Familienarbeit leisten.
Auch bei der Debatte um die Mindestsicherung (733 Euro zwölfmal im Jahr bei einer offiziellen Armutsgrenze von 912 Euro) zeigt sich das gleiche Spiel: Sogar ÖGB-Chef Foglar und Sozialminister Hundstorfer haben sich die dubiose Formel „Sprungbrett statt Hängematte“ zu Eigen gemacht. Von den Hängematten der weitgehend von Steuerleistung befreiten MultimillionärInnen oder AktienbesitzerInnen die von der durch die Arbeit anderer erwirtschafteten Dividende leben spricht freilich niemand.
Die Meinungsmacher meinen freilich suggestiv, dass sich durch die (vom oö Caritas-Direktor Mühlberger ohnehin nur als „Gnadenbrot“ gesehene) Mindestsicherung für die BezieherInnen niedriger Löhne die Arbeit nicht mehr lohnt. Von einem gesetzlichen Mindestlohn damit man von einer Vollzeitarbeit auch einigermaßen gut leben kann, wollen sie freilich nichts hören.
Transferkonto und Mindestsicherung sind nur zwei Beispiele, wie unter neoliberalen Vorzeichen die Gesellschaft systematisch auseinanderdividiert, wie Solidarität gezielt zerstört wird. Im Sommer warnte „profil“ mit dem reißerischen Aufmacher „Die graue Gefahr“ und stellte „Österreich als Paradies für Frühpensionisten & Langzeitrentner“ dar, wo „maßlose Forderungen, sinkendes Antrittsalter, steigende Lebenserwartung“ der sogenannten „Kukident-Generation“ das System gefährden. Neoliberal eingefärbte Jugendorganisationen von ÖVP, BZÖ oder LIF griffen das Thema begierig unter auf und behaupteten so würde der Jugend die „Zukunft geraubt“.
Der Kapitalismus ist eine Bashing-Gesellschaft: Hemmungsloser Wettbewerb und das Motto „Jeder ist sich selbst der nächste“ machen Hauen in. Als 1986 die Intertrading-Spekulationen platzten und die Verstaatlichten-Krise offenbar wurde, wurden bislang hochgeachtete Voestler monatelang als „Schmarotzer der Nation“ verteufelt. Abwechselnd und wiederholt kamen dann andere Berufsgruppen dran: Die EisenbahnerInnen, erst jüngst wieder wegen zu hoher Krankenstände. Die „faulen“ LehrerInnen, PostlerInnen und Beamten. Und die AusländerInnen sowieso laufend und Schuld an allem.
Hauen gilt auch für die Studis: „Der Standard“ bezeichnete die Abschaffung der Studiengebühren als „leichtfertigen Luxus“ und beklatschte Minister Hahn wegen dessen Forderung nach Wiedereinführung. Die anfangs freundliche Stimmung der Medien zum massiven Uniprotest wechselte zunehmend dem ausspielen gegen eine „schweigende Mehrheit“ Studierender die studieren will oder einer Aufrechnung gegen die Forderungen für eine Pensionserhöhung.
Solches Bashing, das Hinhauen auf bestimmte Gruppen, gezielte Entsolidarisierung sind zwangsläufiger Ausfluss einer Politik des „Teile und herrsche“ der Eliten. Dahinter steht die Absicht wegen angeblicher Unfinanzierbarkeit und diverser Sachzwänge eine Umverteilung ungedingt zum Tabu zu erklären. Nach dem Radfahrer-Motto „Nach oben buckeln, nach unten treten“ fällt es gerade in einem Land mit ausgeprägtem Obrigkeitsdenken leicht, Sündenböcke zu präsentieren. Diese Mentalität zu überwinden und Solidarität als zentralen Wert der Gesellschaft wieder herzustellen ist daher eine vorrangige Aufgabe für fortschrittliche Politik.
Leo Furtlehner ist Journalist in Linz und verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“