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Was Postraubopfer die Röte ins Gesicht treibt

  • Donnerstag, 10. September 2009 @ 18:13
GPF Seit der schrittweisen Liberalisierung der Postmärkte Anfang des Jahrzehnts sind bereits 47% der Postämter in Österreich geschlossen worden. Die nächste Schließungswelle konnte zwar vor den Nationalratswahlen 2008 verzögert werden. Ab Sommer 2009 geht es aber wieder munter weiter, trotz Universaldienstverordnung. Bei 300 Postämtern in Städten und Gemeinden wird ab heuer der Dienstleistungsbetrieb eingestellt. Die jeweiligen Bediensteten verlieren ihre angestammten Arbeitsplätze und sind zum Pendeln in ferne Dienststellen gezwungen. In den betroffenen Gemeinden sollten ortsansässige Kreisler, Geschäftsinhabern, Wirte oder sonstige Gewerbetreibende als sog. „Postpartner“ einspringen.

Was zunächst verlockend klingt, stellt sich in der Praxis als hoch problematisch dar. Denn es geht um eine Dienstleistung, die lange Erfahrung und entsprechend eingearbeitetes Personal voraussetzt, es sind persönliche, dem Postgeheimnis unterliegende Sendungen zu überbringen. Auch der Zahlungsverkehr, der sonst im Amt abgewickelt wird, ist am Ladentisch keiner Vertraulichkeit unterzogen. Würden Sie Ihre Geldgeschäfte, welche üblicherweise in einer Bankfiliale abgehandelt werden, beim Bäcker am Morgen, bei Billa zu Mittag oder an der Tankstelle am Abend tätigen wollen? Wem sein Postamt geraubt wurde, steht vor dieser Situation.

Doch auch diese vermeintlichen Fluchthelfer sehen in der Praxis, dass als Postpartner diese Dienstleistung nicht nebenher betrieben werden kann, dies ist auch der Grund, dass ca. ein Drittel jener wieder die Flucht ergriffen hat. Wenn die Post geraubt und die Fluchthelfer getürmt, sehen die legitimen Benützer/Innen einer Dienstleistungsinfrastruktur das wahre Ausmaß des geplanten und von der hohen Politik legitimierten Postraub. Die Versorgung in der Fläche stirbt langsam aber unaufhörlich ab.

Besonders trifft es nun jene rd. 500 Postbediensteten, die nicht das Glück hatten, gesetzteskonforme Dienstverträge zu bekommen sondern bereits seit Jahren mit – rechtswidrigen – Kettendienstverträgen von jeweils drei Monaten gegängelt werden. Diese werden nun mit dem legalen Taschendiebstahl bestraft, indem sie in den neu ausverhandelten Kollektivvertrag für das Zustellgewerbe wechseln müssen. Dieser neue Kollektivvertrag bringt einen sozialpartnerschaftlich vereinbarten Lohnraub von ca. 30 % für unsere Postbediensteten. Für die jahrelang in illegalen Kettendienstverträgen arbeitenden Postbediensteten kann der Hohn nicht größer sein. Zuerst Hire and Fire, um danach den Lohnraub auf legitimierter Basis durchzuführen!

Da mit der EU-Liberalisierung des Paketmarktes viele Anbieter auf den Markt drängten und der Konkurrenzkampf unerbittlich geführt wurde, ist vor Jahren das Paketvolumen der Versandhäuser Quelle und Universalversand, weg von der Post, an den vermeintlich billigeren Zusteller „Hermes“ vergeben worden. Hunderte Postbedienstete wurden im Paketbereich „abgebaut“. Dass billig nicht mit Qualität einhergeht, ist eine alte Binsenweisheit, die sich auch hier bewahrheitet hat. Nach monatelangen leidvollen Erfahrungen für Konsumenten und Versandhäuser, wurde die Auslieferung der Versandhauspakete nun wieder an die Post zurückgegeben.

Nichts gelernt hat jedoch das Postmanagement. Es ist für dieses zwar erfreulich, große Kunden zurückgewonnen zu haben, doch nun vergibt die Post selbst die Aufträge an „Im Dienste der Post“ arbeitende Kleinstunternehmen, die sich in einem ruinösen Wettbewerb befinden, durch den die Qualität der Arbeitsplätze ebenso wie die Qualität der Zustellleistung nach unten lizitiert wird. Beschäftigte wie KundInnen verlieren dadurch, nur die wahren Posträuber, verschanzt hinter Aktienpaketen und dicken Polstertüren, profitieren von der Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Betriebe. Und das lässt den Beraubten die Zornesröte ins Gesicht steigen!

Rudi Schober

Quelle: Werkstatt Frieden & Solidarität www werkstatt.or.at