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Klassenkampf auf französisch

  • Donnerstag, 16. Juli 2009 @ 09:14
Meinung Von Josef Stingl, Stv. Bundesvorsitzender des GLB

Unvorstellbar für österreichische GewerkschafterInnen rosaroten und schwarzen Coleurs, mit welch radikalen Kampfmethoden sich ihre EGB-KollegInnen in Frankreich gegen krisenversteckten Willkürakte zu wehren wissen. Bereits Methode ist das sogenannte Boss napping, bei dem ManagerInnen von den ArbeiterInnen über Nacht -- und manchmal tagelang -- in der Fabrik festgehalten werden. Seit März sind in mehr als zehn Unternehmen Manager in den Büros gefangen gehalten worden. Die Chefs von Continental wurden aus Wut über geplante Werkschließungen mit Schuhen und Eiern beschossen. Die radikalen Maßnahmen tragen bereits Früchte.

Präsident Nicolas Sarkozy rettete bei Caterpillar 133 Arbeitsplätze.
Oder, der britische Autozulieferer Scapa zahlte nach der Geiselnahme 60 vom Jobabbau betroffenen Mitarbeitern 1,7 Mio. Euro an Abfindung.

Derzeit toppen die 366köpfige Beschäftigten des in Châtellerault befindlichen New-Fabris-Werk für Renault/Peugot/Citroën/PSA-Verteilerkappen und -auspuffe diese französische Arbeitskampfmethode. Sie kritisieren, dass Anfang noch zusätzliche Zeitarbeiter zur Bewältigung der Großaufträge eingestellt wurden, aber ab September die Zahlungen plötzlich ausblieben und das Unternehmen am 16. Juni Insolvenz anmeldte. "Die Konzerne haben New Fabris und seine MitarbeiterInnen einfach fallengelassen", sagt Guy Eyermann von der kommunistischen Gewerkschaft CGT in der Zeitung Le Parisien: "Die Leute hier sind im Schnitt 49 Jahre alt und seit 25 Jahren dabei -- wo sollen sie neue Arbeit finden?"

30.000 Euro Abschlagszahlung für jeden Entlassenen fordert die CGT.
Soviel hätten die Konzerne auch den rund 200 Beschäftigten eines anderen Zulieferers, des Aluminiumspezialisten Rencast, gezahlt. Die Betroffen Fabris-KollegInnen untermauern ihre Forderung nicht nur mit friedlichem
Protest.

"Wir haben Gasflaschen in die Fabrik gebracht", berichtet Eyermann, der der CGT-Betriebsgruppe im Werk vorsitzt und droht: "Wir werden nicht bis August oder September warten, bis PSA und Renault gelagerte Teile und Maschinen aus der Fabrik holen. Wenn wir nichts bekommen, werden sie auch nichts bekommen!". Für die Autohersteller könnte eine Weigerung teuer kommen: Auf zwei Milliarden Euro werden die in Châtellerault gelagerten Teile geschätzt und nochmals die gleiche Summe die teils neuen Maschinen im Werk, die Renault gehören.

Verantwortung fordert die CGT aber auch vom Staat ein. Dieser müsse die Konzerne zu Zugeständnissen zwingen. Möglichkeiten hierfür dürften der Sarkozy-Regierung zur Verfügung stehen. Schließlich hatte sie im Februar insgesamt sechs Milliarden Euro an zinsgünstigen Krediten an Renault und PSA vergeben. Dafür würden "alle industriellen Entscheidungen künftig Objekt aufmerksamer Prüfung durch den Staat", hieß es damals.

Und werden wir in Österreich weiter alles schön brav sozialpartnerschaftlich hinnehmen oder kann auch Österreich etwas Frankreich werden?