Klare, kantige, linke Interessenpolitik notwendig
- Freitag, 10. Juli 2009 @ 12:50
Interview mit Robert Eiter, Sprecher des OÖ Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Eine Mehrheit der Jugendlichen, aber auch der Arbeiter hat 2008 FPÖ oder BZÖ gewählt. Mit den Stimmen der ÖVP und teilweise auch der SPÖ wurde der Burschenschafter Martin Graf zum 3. Nationalratspräsidenten gewählt. Der Wahlsieger bei der Arbeiterkammerwahl 2009 war die FPÖ. Im EU-Wahlkampf erfuhr die Fremdenfeindlichkeit durch die hetzerische FPÖ-Propaganda eine neue Steigerung. Überhaupt nehmen rechtsextreme und rassistische Umtriebe massiv zu. Die personelle Verfilzung der FPÖ mit dem offenen Rechtsextremismus ist unübersehbar.
„Die Arbeit“ sprach darüber mit Robert Eiter, dem Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, in dem sich mehr als 50 antifaschistische Organisationen zusammengeschlossen haben.
Warum sind gerade Arbeiter so anfällig, aus Protest die FPÖ zu wählen?
Die Ursachen dafür sind sicher vielschichtig: Ein historisch bedingt großes autoritäres und fremdenfeindliches Potential in der österreichischen Bevölkerung, andererseits kein antifaschistisches Breitenbewusstsein, wenig demokratische Aufklärung und politische Bildung gerade in Haupt- und Berufsschulen, Angst und Verunsicherung angesichts der Wirtschaftskrise, keine klaren Antworten von SPÖ und ÖGB, kein überzeugendes Angebot links von der Sozialdemokratie. Insgesamt hat die österreichische Arbeiterbewegung – durch ihre inhaltlichen Versäumnisse, ihren Opportunismus und ihre autoritären Strukturen – den jetzigen Aufschwung der extremen Rechten wesentlich mitzuverantworten. Natürlich ist es vom objektiven Interesse der Arbeiter her gesehen dumm, wenn sie Burschenschafter zu ihren „Vertretern“ wählen. Aber bei diesen Rahmenbedingungen fällt es schwer, ihnen das klarzumachen. Die richtige Antwort wäre eine glaubwürdige klassenkämpferische Politik. Nur: Die SPÖ will nicht und die KPÖ ist zu schwach.
War die Neonazi-Attacke von Ebensee bloß ein „Lausbubenstreich“, wie Strache meint?
Natürlich nicht: Das war juristisch eine schwere Straftat und politisch ein massiver Tabubruch. Wobei ich überzeugt bin, dass die fünf jugendlichen Täter nicht isoliert gehandelt haben, sondern aus einer rechtsextremen Szene heraus. Die Attacke auf die KZ-Überlebenden war minutiös vorbereitet: Da gibt es Hintermänner.
Wie aktuell ist das NS-Verbotsgesetz?
Aktueller denn je. Seit der Novelle 1992, die die bis dahin sehr hohen Strafuntergrenzen gesenkt hat, wird es auch wieder regelmäßig angewendet. Gerade in allerletzter Zeit hat es erfreuliche Urteile gegeben. Skandalöse Freisprüche wie beim BFJ-Prozess im November 2008 sind zwar herbe Rückschläge, aber Ausnahmen. Am Gesetz selbst gäbe es im Detail noch einiges zu verbessern, zum Beispiel dass auch braune Umtriebe von Österreichern im Ausland verfolgt werden können. Ich halte übrigens nicht viel von der Geschworenengerichtsbarkeit, aber die wird uns sicher noch länger erhalten bleiben. Die antifaschistische Bewegung darf das Verbotsgesetz nur als ein – wenn auch wichtiges – Instrument ansehen. Es kann die politische Arbeit keinesfalls ersetzen.
Wie sollten Gewerkschaften und Arbeiterkammern der Rechtsentwicklung entgegenwirken?
Wie gesagt: mit klarer, kantiger, linker Interessenpolitik, die die Betroffenen in den Betrieben nicht nur anspricht, sondern möglichst auch aktiviert. Und mit einer betont antifaschistischen und antirassistischen Ausrichtung, die vor allem die gemeinsamen Probleme und Anliegen von in- und ausländischen Lohnabhängigen bewusst macht.
Das OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus hat eine beachtliche Breite erreicht. Welchen Stellenwert nimmt es in der Auseinandersetzung mit Rechts heute ein?
Oberösterreich ist meines Wissens die einzige Region in Europa, die es geschafft hat, dass sich alle relevanten antifaschistischen Organisationen vernetzen. Das bringt gleich drei Vorteile: erstens einen hohen gemeinsamen Informationsstand, zweitens das Bewusstsein, nicht isoliert zu sein, sondern sich mit vielen anderen zu engagieren, und drittens eine wesentlich größere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der offiziellen Politik. Mittlerweile sind wir auch regelmäßiger Ansprechpartner landes- und bundesweiter Medien. Trotzdem muss man realistisch bleiben: Das Netzwerk ist nur so stark, wie sich die Mitgliedsorganisationen einbringen. Es gibt ja keine Hauptamtlichen, nur Ansätze einer eigenen Organisation und nur ein winziges Budget.
Danke für das Gespräch.
Eine Mehrheit der Jugendlichen, aber auch der Arbeiter hat 2008 FPÖ oder BZÖ gewählt. Mit den Stimmen der ÖVP und teilweise auch der SPÖ wurde der Burschenschafter Martin Graf zum 3. Nationalratspräsidenten gewählt. Der Wahlsieger bei der Arbeiterkammerwahl 2009 war die FPÖ. Im EU-Wahlkampf erfuhr die Fremdenfeindlichkeit durch die hetzerische FPÖ-Propaganda eine neue Steigerung. Überhaupt nehmen rechtsextreme und rassistische Umtriebe massiv zu. Die personelle Verfilzung der FPÖ mit dem offenen Rechtsextremismus ist unübersehbar.
„Die Arbeit“ sprach darüber mit Robert Eiter, dem Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, in dem sich mehr als 50 antifaschistische Organisationen zusammengeschlossen haben.
Warum sind gerade Arbeiter so anfällig, aus Protest die FPÖ zu wählen?
Die Ursachen dafür sind sicher vielschichtig: Ein historisch bedingt großes autoritäres und fremdenfeindliches Potential in der österreichischen Bevölkerung, andererseits kein antifaschistisches Breitenbewusstsein, wenig demokratische Aufklärung und politische Bildung gerade in Haupt- und Berufsschulen, Angst und Verunsicherung angesichts der Wirtschaftskrise, keine klaren Antworten von SPÖ und ÖGB, kein überzeugendes Angebot links von der Sozialdemokratie. Insgesamt hat die österreichische Arbeiterbewegung – durch ihre inhaltlichen Versäumnisse, ihren Opportunismus und ihre autoritären Strukturen – den jetzigen Aufschwung der extremen Rechten wesentlich mitzuverantworten. Natürlich ist es vom objektiven Interesse der Arbeiter her gesehen dumm, wenn sie Burschenschafter zu ihren „Vertretern“ wählen. Aber bei diesen Rahmenbedingungen fällt es schwer, ihnen das klarzumachen. Die richtige Antwort wäre eine glaubwürdige klassenkämpferische Politik. Nur: Die SPÖ will nicht und die KPÖ ist zu schwach.
War die Neonazi-Attacke von Ebensee bloß ein „Lausbubenstreich“, wie Strache meint?
Natürlich nicht: Das war juristisch eine schwere Straftat und politisch ein massiver Tabubruch. Wobei ich überzeugt bin, dass die fünf jugendlichen Täter nicht isoliert gehandelt haben, sondern aus einer rechtsextremen Szene heraus. Die Attacke auf die KZ-Überlebenden war minutiös vorbereitet: Da gibt es Hintermänner.
Wie aktuell ist das NS-Verbotsgesetz?
Aktueller denn je. Seit der Novelle 1992, die die bis dahin sehr hohen Strafuntergrenzen gesenkt hat, wird es auch wieder regelmäßig angewendet. Gerade in allerletzter Zeit hat es erfreuliche Urteile gegeben. Skandalöse Freisprüche wie beim BFJ-Prozess im November 2008 sind zwar herbe Rückschläge, aber Ausnahmen. Am Gesetz selbst gäbe es im Detail noch einiges zu verbessern, zum Beispiel dass auch braune Umtriebe von Österreichern im Ausland verfolgt werden können. Ich halte übrigens nicht viel von der Geschworenengerichtsbarkeit, aber die wird uns sicher noch länger erhalten bleiben. Die antifaschistische Bewegung darf das Verbotsgesetz nur als ein – wenn auch wichtiges – Instrument ansehen. Es kann die politische Arbeit keinesfalls ersetzen.
Wie sollten Gewerkschaften und Arbeiterkammern der Rechtsentwicklung entgegenwirken?
Wie gesagt: mit klarer, kantiger, linker Interessenpolitik, die die Betroffenen in den Betrieben nicht nur anspricht, sondern möglichst auch aktiviert. Und mit einer betont antifaschistischen und antirassistischen Ausrichtung, die vor allem die gemeinsamen Probleme und Anliegen von in- und ausländischen Lohnabhängigen bewusst macht.
Das OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus hat eine beachtliche Breite erreicht. Welchen Stellenwert nimmt es in der Auseinandersetzung mit Rechts heute ein?
Oberösterreich ist meines Wissens die einzige Region in Europa, die es geschafft hat, dass sich alle relevanten antifaschistischen Organisationen vernetzen. Das bringt gleich drei Vorteile: erstens einen hohen gemeinsamen Informationsstand, zweitens das Bewusstsein, nicht isoliert zu sein, sondern sich mit vielen anderen zu engagieren, und drittens eine wesentlich größere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der offiziellen Politik. Mittlerweile sind wir auch regelmäßiger Ansprechpartner landes- und bundesweiter Medien. Trotzdem muss man realistisch bleiben: Das Netzwerk ist nur so stark, wie sich die Mitgliedsorganisationen einbringen. Es gibt ja keine Hauptamtlichen, nur Ansätze einer eigenen Organisation und nur ein winziges Budget.
Danke für das Gespräch.