EU-Arbeitszeitrichtlinie: Wachsamkeit notwendig
- Dienstag, 7. Juli 2009 @ 09:01
Von Oliver Jonischkeit
Bereits Ende 2008 beschäftigte sich das EU-Parlament in zweiter Lesung mit einem Kompromiss des EU-Ministerrates, der Arbeitszeiten bis zu 65 Stunden pro Woche ermöglicht hätte – derzeit liegt die Höchstarbeitszeit bei auch noch ganz beachtlichen 48 Stunden. Bereits am Tag vor der Abstimmung demonstrierten über 15.000 GewerkschafterInnen aus verschiedenen EU-Ländern in Straßburg gegen die geplanten Verschlechterungen. Darunter auch eine Delegation des ÖGB, die vor der Demo eigentlich dem EU Parlament einen Besuch abstatten wollte. Dies jedoch verhinderte erfolgreich die französische Polizei, die nur bei Verzicht auf das Tragen von Gewerkschaftsjacken Einlas gewähren wollte.
Von der Mehrheit zurückgewiesen
Der Vorschlag des EU-Ministerrates wurde schließlich vom EU-Parlament mit der erforderlichen absoluten Mehrheit zurückgewiesen. Dies war bei dem eigenartigen Demokratieverständnis der EU notwendig, sonst hätte sich der Ministerrat durchgesetzt.
Dies hätte bedeutet, dass bei Zustimmung der ArbeitnehmerInnen – in Zeiten der Wirtschaftskrise und unsicherer Jobs leicht zu bekommen – die Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten bis auf 65 Stunden/Woche betragen hätte. Ebenfalls ein Dorn im Auge war dem Ministerrat, dass Bereitschaftszeit grundsätzlich als Arbeitszeit zählt, obwohl diese durch Kollektivverträge bezüglich der Anrechnung auf die Höchstarbeitszeit ohnehin unterschiedlich gewichtet werden kann – aber eben nicht als Freizeit gilt.
Berüchtigte opt-out Klausel
Seit 1993 gibt es die Arbeitszeit-Richtlinie der EU, wobei Großbritannien jene berüchtigte opt-out Klausel unterbrachte, welche die Möglichkeit beinhaltet, dass ArbeitnehmerInnen „freiwillig“ auf die Arbeitszeitrichtlinie verzichten und länger arbeiten. Millionen von britischen KollegInnen können inzwischen ein Lied davon singen, was dies bedeutet.
15 EU-Länder nützen inzwischen die Möglichkeit des opt-outs, die dem Ministerrat auch gut gefällt. Dem EU-Parlament jedoch weniger: dieses fordert ein Ende dieser Ausnahmeregelungen innerhalb der nächsten 3 Jahre.
Sogar die bayrische CSU-Abgeordnete Stauner stellte fest, dass Menschen fast gezwungen sind, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um sich bzw. die Familie ernähren zu können. Der Mensch sei keine Maschine, die ohne Pause durcharbeiten könne.
Der Berichterstatter im EU-Parlament, Alejandro Cercas, bemerkte zu recht: „Der Vorschlag des Rates bedeutet die Rückkehr ins 19. Jahrhundert, die Schwächsten werden (besonders) ausgebeutet“.
Gewerkschaften müssen wachsam bleiben
So erfreulich es ist, dass der Ministerrat mit den geplanten Verschlechterungen am EU-Parlament gescheitert ist, so notwendiger ist es für die europäischen Gewerkschaften, wachsam zu bleiben. Denn einerseits ist die Arbeitszeitrichtlinie von 1993, die 2000 überarbeitet wurde, auch nicht das Gelbe vom Ei. Andererseits wird das Kapital auch künftig versuchen, im Bereich der Arbeitszeit weitere Verschlechterungen durchzusetzen.
Angesichts steigender Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und der weiteren Zunahme von Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung ist es höchst an der Zeit, dass die europäischen Gewerkschaften einerseits weiter und noch stärker gegen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen demonstrieren und sich zur Wehr setzen, darüber hinaus aber auch in die Offensive gehen.
Arbeitszeitverkürzung notwendig
Was wir brauchen, ist eine EU-weite Arbeitszeitverkürzung zumindest auf 35 Stunden – den sieben Stunden Tag bei einer Fünftagewoche, wie sie das Regionalbüro Europa des Weltgewerkschaftsbundes fordert. Und das natürlich ohne Lohnverzicht angesichts der Produktivitätssteigerung der letzten Jahre und der nach wie vor vorhandenen Gewinne europäischer Konzerne.
Diese Forderung durchzusetzen wird allerdings schon im ÖGB nicht ganz einfach, dessen Präsident Foglar sich einen Tausch Arbeitszeitverkürzung gegen weitere Flexibilisierungen vorstellen kann. Das ändert nichts an der Notwendigkeit der Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit, gerade im Interesse der Gesundheit – ein Wort, welches die EU-Institutionen sonst auch so gerne in den Mund nehmen.
Oliver Jonischkeit ist GLB-Bundessekretär
Bereits Ende 2008 beschäftigte sich das EU-Parlament in zweiter Lesung mit einem Kompromiss des EU-Ministerrates, der Arbeitszeiten bis zu 65 Stunden pro Woche ermöglicht hätte – derzeit liegt die Höchstarbeitszeit bei auch noch ganz beachtlichen 48 Stunden. Bereits am Tag vor der Abstimmung demonstrierten über 15.000 GewerkschafterInnen aus verschiedenen EU-Ländern in Straßburg gegen die geplanten Verschlechterungen. Darunter auch eine Delegation des ÖGB, die vor der Demo eigentlich dem EU Parlament einen Besuch abstatten wollte. Dies jedoch verhinderte erfolgreich die französische Polizei, die nur bei Verzicht auf das Tragen von Gewerkschaftsjacken Einlas gewähren wollte.
Von der Mehrheit zurückgewiesen
Der Vorschlag des EU-Ministerrates wurde schließlich vom EU-Parlament mit der erforderlichen absoluten Mehrheit zurückgewiesen. Dies war bei dem eigenartigen Demokratieverständnis der EU notwendig, sonst hätte sich der Ministerrat durchgesetzt.
Dies hätte bedeutet, dass bei Zustimmung der ArbeitnehmerInnen – in Zeiten der Wirtschaftskrise und unsicherer Jobs leicht zu bekommen – die Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten bis auf 65 Stunden/Woche betragen hätte. Ebenfalls ein Dorn im Auge war dem Ministerrat, dass Bereitschaftszeit grundsätzlich als Arbeitszeit zählt, obwohl diese durch Kollektivverträge bezüglich der Anrechnung auf die Höchstarbeitszeit ohnehin unterschiedlich gewichtet werden kann – aber eben nicht als Freizeit gilt.
Berüchtigte opt-out Klausel
Seit 1993 gibt es die Arbeitszeit-Richtlinie der EU, wobei Großbritannien jene berüchtigte opt-out Klausel unterbrachte, welche die Möglichkeit beinhaltet, dass ArbeitnehmerInnen „freiwillig“ auf die Arbeitszeitrichtlinie verzichten und länger arbeiten. Millionen von britischen KollegInnen können inzwischen ein Lied davon singen, was dies bedeutet.
15 EU-Länder nützen inzwischen die Möglichkeit des opt-outs, die dem Ministerrat auch gut gefällt. Dem EU-Parlament jedoch weniger: dieses fordert ein Ende dieser Ausnahmeregelungen innerhalb der nächsten 3 Jahre.
Sogar die bayrische CSU-Abgeordnete Stauner stellte fest, dass Menschen fast gezwungen sind, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um sich bzw. die Familie ernähren zu können. Der Mensch sei keine Maschine, die ohne Pause durcharbeiten könne.
Der Berichterstatter im EU-Parlament, Alejandro Cercas, bemerkte zu recht: „Der Vorschlag des Rates bedeutet die Rückkehr ins 19. Jahrhundert, die Schwächsten werden (besonders) ausgebeutet“.
Gewerkschaften müssen wachsam bleiben
So erfreulich es ist, dass der Ministerrat mit den geplanten Verschlechterungen am EU-Parlament gescheitert ist, so notwendiger ist es für die europäischen Gewerkschaften, wachsam zu bleiben. Denn einerseits ist die Arbeitszeitrichtlinie von 1993, die 2000 überarbeitet wurde, auch nicht das Gelbe vom Ei. Andererseits wird das Kapital auch künftig versuchen, im Bereich der Arbeitszeit weitere Verschlechterungen durchzusetzen.
Angesichts steigender Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und der weiteren Zunahme von Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung ist es höchst an der Zeit, dass die europäischen Gewerkschaften einerseits weiter und noch stärker gegen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen demonstrieren und sich zur Wehr setzen, darüber hinaus aber auch in die Offensive gehen.
Arbeitszeitverkürzung notwendig
Was wir brauchen, ist eine EU-weite Arbeitszeitverkürzung zumindest auf 35 Stunden – den sieben Stunden Tag bei einer Fünftagewoche, wie sie das Regionalbüro Europa des Weltgewerkschaftsbundes fordert. Und das natürlich ohne Lohnverzicht angesichts der Produktivitätssteigerung der letzten Jahre und der nach wie vor vorhandenen Gewinne europäischer Konzerne.
Diese Forderung durchzusetzen wird allerdings schon im ÖGB nicht ganz einfach, dessen Präsident Foglar sich einen Tausch Arbeitszeitverkürzung gegen weitere Flexibilisierungen vorstellen kann. Das ändert nichts an der Notwendigkeit der Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit, gerade im Interesse der Gesundheit – ein Wort, welches die EU-Institutionen sonst auch so gerne in den Mund nehmen.
Oliver Jonischkeit ist GLB-Bundessekretär