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Die wirtschaftspolitische Herausforderung der Krise für die Gewerkschaften

  • Dienstag, 30. Juni 2009 @ 20:10
Meinung Von Michael Graber

Die Dauer der Krise ist offen, Zweckoptimismus ist nicht angebracht. Die Regierungen haben viel Steuergeld für Rettungsprojekte flüssig gemacht, teilweise noch gar nicht vorhandenes Geld als Anleihe auf die Zukunft. Es ging darum, systemrelevante Banken und Versicherungen zu retten um der Gefahr eines Zusammenbruchs des gesamten Finanzsystems vorzubeugen. In Österreich wurden hundert Milliarden Euro zur Rettung der Banken und zehn Milliarden für die Industrie flüssig gemacht. Die EU machte allein 50 Milliarden Euro für die Sicherung der Bankentöchter in Osteuropa locker, weitere Mittel für die Stützung der Autoindustrie und der Bauwirtschaft. Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Erhaltung der Strukturen statt einer Veränderung. Man setzt auf Durchtauchen. Im Vergleich zu diesem Volumen sind die zur Sicherung der Lohnabhängigen flüssig gemachten Summen nur Peanuts. Die Schreckreaktionen von Politik und Wirtschaft beim Ausbruch der Krise sind schon wieder vorbei. Die Eigentumsverhältnisse der Banken und Konzerne werden nicht in Frage gestellt.

Das Verhältnis zwischen Weltsozialprodukt und privatem Finanzvermögen wuchs von 1980 bis 2007 von 1:1 auf 1:4. In diesem Zeitraum ist das Weltsozialprodukt um das Vierfache gewachsen ist, das Finanzvermögen auf das 16fache. Durch die Krise gingen zwar einige Billionen verloren, das Volumen ist geschrumpft, aber bei einem Umfang von 200 Billionen sind das nur Krümel. Die Gefahr neuer Blasen wird damit nicht verhindert. Jetzt geht es um die Alternative, entweder Pflöcke für andere Weichenstellungen einzuschlagen oder bis zur nächsten Krise durchzutauchen.

Eine wichtige Ursache der Krise ist die Aufblähung des Finanzkapitals. Die Gewinne sind nämlich so hoch, dass sie in der normalen Wirtschaft nicht mehr gewinnbringend veranlagt werden können. Notwendige Investitionen in die Infrastruktur usw. wurden verhindert. Es gibt eine Überakkumulation durch eine systematische Umverteilung nach oben, in der Primärverteilung durch das immer schieflastigere Verhältnis zwischen Löhnen und Gewinnen, in der Sekundärverteilung durch eine Steuerpolitik die systematisch Kapital und Vermögen entlastet hat.

Die EZB hat 400 Milliarden Euro für die nationalen Banken flüssig gemacht, anstatt das Kreditgeschäft in Gang zu bringen legen diese das Geld schon wieder spekulativ an. Allerdings ist jetzt nur ein Teil des Finanzmarktes zusammengebrochen, nicht aber der finanzmarktgetriebene Kapitalismus als solcher. Notwendig sind jetzt Eingriffe in das System und Änderungen der Eigentumsverhältnisse bei Banken und Versicherungen.

Aktuell werden die Weichen in die andere Richtung gestellt, teilweise versteckt und teilweise offen. Steuergelder werden an Banken und Versicherungen verpfändet. Die Kurzarbeit wurde von 18 auf 24 Monate ausgeweitet, die Förderung durch das AMS bedeuten faktisch Zuschüsse für die Unternehmen. Die Absage des ÖGB an die 35-Stundenwoche zugunsten von noch mehr Flexibilisierung ist kontraproduktiv. Denn die Arbeitslosigkeit steigt trotz Kurzarbeit. Die Alternative wäre die Ausweitung des öffentlichen Beschäftigungssektors, etwa durch den Ausbau der öffentlichen Dienste.

Wer bezahlt für die Krise? Der Vorstoß von IHS-Chef Felderer für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bedeutet einen massiven unsozialen Anschlag, weil indirekte Steuern immer unsozial sind und kleine Einkommensgruppen am stärksten treffen. Dahinter steht eine Dramatisierung der Lage um letztendlich Belastungen leichter durchsetzen zu können. Das ist die Aufgabe der Denkfabriken des Kapitals wie IHS oder Wifo.

Eine andere Steuerpolitik hätte in wirtschaftlich besseren Zeiten finanzielle Reserven geschaffen. 2006 wurde jedoch die Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent gesenkt, Nutznießer sind Banken und Konzerne, ein krasses Beispiel dafür ist die OMV. Die gezielte Dramatisierung gilt auch für die Staatsverschuldung: Heute haben andere EU-Länder schon weit über 80 Prozent Staatsverschuldung, Österreich liegt darunter.

Die Maastricht-Obergrenze von 60 Prozent ist ohnehin längst obsolet. Anzumerken ist, dass von den 7,5 Milliarden jährlichen Zinsen aus den Staatsschulden durch die 25 Prozent Kapitalertragssteuer teilweise wieder an den Staat zurückfließen. Wir halten es für notwendig, Zinsen nach der Einkommensteuer bis zu 50 Prozent zu besteuern. In den Privatstiftungen werden die dort liegenden geschätzten 80 Milliarden Euro Vermögen sogar nur mit 12,5 Prozent besteuert.

Ein heißes Eisen ist auch die Pensionspolitik, etwa durch die Forderung Felderers das reale Pensionsantrittsalter anzuheben. Laut Hundstorfer soll die Hacklerregelung auslaufen. Raidl fordert einen Zuschlag zur Lohn- bzw. Einkommensteuer zur Krisensanierung. Laut Rechnungsabschluss der Pensionsversicherung werden die Pensionen weiterhin durch die Beiträge gedeckt, die Mehrausgaben der PV resultieren aus pensionsfremden Ausgaben wie etwa für Pflege.

ÖGB-Chef Foglar meint, Sparen allein wird die Krise nicht lösen und signalisiert damit die Bereitschaft die Belastungen mitzutragen. Eine solche Haltung ist entschieden abzulehnen. Ein Kontrapunkt dazu ist das Steuerkonzept der GPA, das eine Vermögenssteuer ab 500.000 Euro Vermögen vorsieht und positiv zu bewerten ist.

Referat von Michael Graber bei der Fraktionskonferenz der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) im Rahmen des 17. ÖGB-Bundeskongresses am 30. Juni 2009. Nach Mitschrift von Leo Furtlehner.