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Jetzt werden die Pflöcke eingeschlagen. Aber nicht vom ÖGB.

  • Donnerstag, 2. Juli 2009 @ 11:56
Meinung Von Michael Graber

Gerade heute, am bisherigen Tiefpunkt der Krise, müsste Gewerkschaftspolitik der Abwälzung von Krisenlasten nach unten Grenzen setzen. Tut sie aber nicht. Der ÖGB-Kongress findet am bisherigen Tiefpunkt der Krise statt, von dem man allerdings nicht weiß, wie tief er noch reichen und vor allem, wie lange er andauern wird. Zu diesem Zeitpunkt wäre es für die Gewerkschaften dringend notwendig, unverrückbare Pflöcke einzuschlagen, die sichern, dass die Lohnarbeitswelt nicht noch mehr unter die Räder kommt bzw. dass die bisherigen und künftigen Kosten der Krise nicht bei denen hängen bleiben, die schon jetzt mit Arbeitslosigkeit oder Lohnkürzungen zahlen.

Pflöcke haben bisher allerdings nur Regierung und Unternehmerverbände eingeschlagen. Leider haben einige Gewerkschaftsbosse noch den Hammer dazu gereicht: Zu erinnern ist an das 100-Mrd.-Euro-Paket zur Rettung der Banken, den bisher ausgereichten Milliarden als Beteiligungskapital für die Banken, ohne auf deren Kreditpolitik Einfluss zu nehmen, an die kürzlich beschlossenen 10 Mrd. Euro als Haftungen für die Großunternehmen und die 50 Mrd. Euro von der EU für die Osteuropatöchter der Banken. Alle anderen Ausgaben dagegen, die unmittelbar zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitplätzen oder zur sozialen Stabilisierung verwendet wurden, sind im Vergleich dazu peanuts. Schon die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf den europäischen Durchschnitt ist der Regierung zu teuer.

Steilpass für die "Presse"

Der designierte neue ÖGB-Vorsitzende Foglar hat es sogar im Vorlauf zum ÖGB-Kongress zustande gebracht, der "Presse" zu einer triumphierenden Schlagzeile zu verhelfen: "ÖGB verzichtet auf 35 Stundenwoche". Dieser Hammer bedeutet, dass der ÖGB unter dieser leitenden Hand auf jede generelle Reduzierung der Arbeitszeit verzichtet und damit auf eine jener Maßnahmen, die am nachhaltigsten gegen Arbeitslosigkeit wirken. Der ÖGB setzt voll und ganz auf Kurzarbeit, d. h. auf Lohnreduktion (derzeit bis zu zwei Jahren) während der Krise. Und Provisorien halten in Österreich bekanntlich lange.

Foglar hat andererseits zu einem "Systemwechsel" im Finanzbereich aufgerufen. Dazu sind die am ÖGB-Kongress vorgetragenen Vorschläge höchst unzureichend. Sie beschäftigen sich ausschließlich mit sozialpartnerischen Formen der Finanzmarktkontrolle. Was anders aber kann auf diese Weise kontrolliert werden als das bisherige System? Zusammengebrochen ist nämlich nur eine bestimmte Form der Überspekulation, aber nicht der Finanzmarktkapitalismus, der diese hervorgebracht hat. Allem Gerede vom Ende des neoliberalen oder Turbo- oder Casinokapitalismus zum Trotz besteht dieser weiter. Nur seine Propagandisten sind etwas kleinlauter geworden. Das weltweit verfügbare private Finanzkapital beträgt nach wie vor das vierfache der weltweit jährlich produzierten Güter und ist letztlich tonangebend in Wirtschaft und Politik. Ohne noch so bescheidenenden Eingriff in diese Machtverhältnisse ist kein "Systemwechsel" möglich.

Das Wort hat der Wirtschaftsminister

Pflöcke einschlagen hätte der ÖGB-Kongress in der Budget- und Steuerpolitik müssen. So aber brachte der Wirtschaftsminister nicht nur die Regierungspolitik, sondern auch das heimliche sozialpartnerschaftliche Einverständnis der ÖGB-Spitze auf den Punkt: jetzt müsse man das Schiff vor dem Untergang retten, dann werde man sehen ...

Entscheidende Quelle der Überprofite, die in der Finanzspekulation gelandet sind, ist aber die seit über zwanzig Jahren sinkende Lohn- und steigende Profitquote am Volkseinkommen, sowie deren steuerliche Förderung. Eine sofortige Steuerreform, die die Umverteilung umdreht, nämlich von oben nach unten, ist also ein Mittel zur Eindämmung der Krise, aber auch als nachhaltiges Mittel der Eindämmung der Spekulation wirksam.

Hätte es schon früher eine solche Weichenstellung gegeben, fänden auch die Horrorszenarien, mit denen jetzt schon die nächsten Sparpakete begründet und in der Öffentlichkeit vorbereitet werden, keine Basis.

Gegen die demagogischen Horrorszenarien zum Budget

Linke Gewerkschaftspolitik redet sicher nicht forcierter Schuldenmacherei das Wort. Sie ist für Umverteilung. Die sozialen Funktionen des Staates müssen aus den privaten Quellen des Reichtums der Millionäre und Milliardäre gesichert werden. Verdächtig ist die Sprachregelung des ÖGB-Vorsitzenden, wenn er die berechtigten vermögensbezogenen Steuerforderungen der Gewerkschaften quasi als symbolische Ergänzung zu künftigen allgemeinen Belastungen hinstellt: "Sparpakete reichen nicht aus ...". Hier muss ein Pflock her.

Und im übrigen gilt: Auch ein Verschuldungsgrad von 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das jetzt als Horrorszenarium dargestellt wird, ist in der EU und der Eurozone durchaus nichts Abnormes. Die damit verbundene Zinsbelastung des Budgets reduziert sich durch die Kest um ein Viertel und hängt im übrigen von der Zinspolitik und erst recht von der Steuerpolitik ab. Die Zinserträge der Reichen und insbesondere deren Stiftungen könnten zumindest mit dem Einkommensteuertarif (also derzeit mit 50 Prozent) besteuert werden. Überdies rechnet die EU-Kommission für das Jahr 2010 mit einem durchschnittlichen Verschuldungsgrad in der Eurozone von 84 Prozent. Da würde Österreich sogar drunter liegen.

Ob der ÖGB mit der Krise weiter an Boden verliert oder tatsächlicher ein Hort des Widerstands werden kann, hängt nicht zuletzt vom Einfluss linker Gewerkschaftspolitik ab.