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Der Zauber neuer Worte im Sozialbereich

  • Freitag, 20. Februar 2009 @ 22:20
OÖ Von Thomas Erlach, BRV-Stellvertreter EXIT-sozial Linz

Im Zuge der Ökonomisierung des Sozialbereiches wurden vom Geldgeber mit großem Druck neue Begriffe in die Sprache sozialer Arbeit eingeführt. Der KundInnenbegriff und Begriffe wie Effizienz und Leistungsmengen müssen verwendet werden, wobei gleichzeitig behauptet wird, dass sich aus ihnen kein Unterschied für die Arbeit ergibt. Ein gesundes Misstrauen und ein Gefühl manipuliert zu werden war Ausgangspunkt einer intensiven Forschungsarbeit. So wurde im ersten Schritt, unter Berücksichtigung der Theorien von Benjamin Whorf untersucht, welchen Einfluss diese Begriffe auf Denken und Verhalten der ProfessionistInnen haben. Begriffe haben die Eigenschaft, eine Linie vorzugeben an der sich die Gedanken aufreihen, was wiederum konkrete Auswirkungen auf das menschliche Verhalten hat.

Durch Begriffe wie Effizienz, KundIn und Leistungsmengen entstehen neue Linien für die Gedanken und es entsteht das Bild einer industrialisierten sozialen Arbeit. Die Verwendung dieser Begriffe führt zu einer unbewussten Verankerung der neuen Gedankenlinie im menschlichen Geist. Auch wenn die MitarbeiterInnen bewusst gegen die Ökonomisierung sozialer Arbeit, wird unbewusst ihr Verhalten beeinflusst.

So brachte die Forschungsarbeit zutage, wie sich das Verhalten der MitarbeiterInnen und damit die soziale Arbeit bereits verändert haben. Es kommt zu Effekten der Veroberflächlichung, mit einem Trend zur Selbstrechtfertigung sozialarbeiterischen Handelns. Die ökonomisierte Sprache führt zur Abbildung einer schönen Fassade. Der Schein einer guten sozialen Arbeit wird erzeugt. Die Sprache der Betriebswirtschaft ist eine andere als die der sozialen Arbeit. Diese fachlichen Kontexte sollten sprachlich nicht vermischt werden.

Im nächsten Schritt wurden die Erkenntnisse zur Sprache auf der Ebene von Theorien sozialen Handelns betrachtet und analysiert, welche Rolle die neuen Begriffe in der Umsetzung der Ökonomisierung des Sozialbereiches durch die Verwaltung der gewählten Legislative spielen. Die Welt ist so, wie sie die Menschen gestalten. Diese Gestaltung geschieht mit Unterstützung der Sprache.

Wie schon Fritz Plasser in seinem Buch über politische Kommunikation feststellt, ist die gezielte Steuerung der Massenmeinung das wichtigste Herrschaftsinstrument in der medienzentrierten Demokratie. Erving Goffman bezeichnete die gemeinsame Definition von Situationen als Rahmen. Sie dienen als Orientierungshilfe für menschliches Handeln.

Diese Handlungsrahmen werden in intersubjektiven Prozessen ständig weiterentwickelt. Dabei gibt es verschiedene Formen der Transformation. Wenn, wie im Sozialbereich der Handlungsrahmen einseitig vom Geldgeber verändert wird, während die ProfessionistInnen im bisherigen primären Handlungsrahmen verbleiben, spricht Goffman von einer schädigenden Täuschung. Paul Watzlawick, ein bekannter Sozialwissenschafter und Therapeut bezeichnet diesen Prozess als einen Missbrauch erfundener Wirklichkeiten.

Diese Erkenntnisse warfen die Frage auf, wie denn in einer modernen Demokratie solche bedenklichen Abläufe möglich sind. Doch es stellte sich heraus, dass die mit der Demokratie verbundenen Ideale sich in der der demokratischen Praxis nicht wiederfinden. Kommunikationsschleifen zwischen den gewählten VolksvertreterInnen und den BürgerInnen sind nicht vorgesehen. Schädigende Täuschung und der Missbrauch erfundener Wirklichkeiten befinden sich innerhalb des Rahmens der Demokratietheorie. Die daraus resultierenden win – lose Situationen für die Betroffenen sind Systemimmanent.

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse ergibt sich die hohe Bedeutung einer deutlichen sprachlichen Abgrenzung. Betriebswirtschaftliche Begriffe sollten in der Sprache sozialer Arbeit nicht verwendet werden. Aus dem diffusen Gefühl des Manipuliertwerdens der MitarbeiterInnen, das ja den Ausgangspunkt der Forschungsarbeit darstellte, wurde leider Gewissheit.

Ganz im psychotherapeutischen Sinne, ermöglicht diese Erkenntnis nun einen anderen bewussten Umgang mit dieser Situation. Neben der demokratiepolitischen Diskussion wird es von Bedeutung sein, das die ProfessionistInnen eine Schmerzgrenze definieren, unter die sozialstaatliche Angebote und auch die eigenen Arbeitsbedingungen im Sinne der Menschlichkeit nicht heruntergefahren werden dürfen. Nach Paul Watzlawick haben wir die Welt in der wir leben selber zu verantworten. Also dann los!