Weibliche Lebensrealitäten in der Krise
- Mittwoch, 18. Februar 2009 @ 08:24
Von Heidemarie Ambrosch
Sie haben sie sicher nicht gelesen, diese knapp 300 seitenstarke Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP und haben in der Tat nichts versäumt. 16 Seiten darin sind dem Thema: Gesellschaft, Frauen, Familie und Chancenpolitik gewidmet, gerade mal 6 davon der Frauenpolitik. Von fördern, unterstützen, qualifizieren, Chancen erhöhen ist dabei immer wieder die Rede, als wären Frauen derart hilfsbedürftige und minderbemittelte Wesen, die das noch immer nicht hinbekommen mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, was in jedem Wahlkampf die gleichen Luftblasen aller Parlamentsparteien in Richtung Frauenstimmen erzeugt. Dass es um die Erfassung aller notwendigen gesellschaftlichen Arbeit, inklusive der Familienarbeit und deren Bewertung und Neuaufteilung geht, ist wieder gänzlich von der Tagesordnung verschwunden. Vielmehr wird die Individualisierung gesellschaftlicher Verantwortung zügig vorangetrieben und wer es nicht schafft mitzuhalten, ist selbst schuld, der kann eben nicht „geholfen“ werden.
Flexibilisierung und Mobilität sind Schlüsselwörter, deren Logik eigentlich kein traditionelles Familienmodell mehr kennt. Dennoch wird dieses gleichzeitig wohl auch in Richtung konservativer Väterbewegungen beschworen: „Familien sind das feste Fundament unserer Gesellschaft und werden in all ihren vielfältigen Formen von uns respektiert und unterstützt. Familien erbringen mit ihren Erziehungs- und Betreuungsaufgaben für Kinder und pflegebedürftige Familienmitglieder für den Zusammenhalt der Gesellschaft und der Generationen wichtige und wertvolle Leistungen. Daher hat gerade auch in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft die Familienpolitik einen zentralen Stellenwert.
Wo das soziale Netz reißt, sind Familien – gemeint sind Frauen - und ihre doch selbstverständlich unbezahlte, weil aus Liebe aufopfernde Arbeit gefragt. Denn die Brosamen, die man mit der Steuerreform an die Familien verteilt, werden die weiter steigende Armutsgefährdung dieser, schon gar nicht die der Alleinerzieherinnen aufhalten. Gleichzeitig werden alle anderen Lebensformen, vor allem auch die gleichgeschlechtlicher Beziehungen weiterhin diskriminiert.
Auch schon seit Jahren verspricht das Programm mal wieder, sich um die fehlende Kinderbetreuung zu sorgen, schließlich geht es dabei auch um EU-Richtlinien. Das Problem – ohne bundesweites Gesetz und durch alleinige Abwälzung der laufenden Kosten auf die Gemeinden, denen immer weniger bleibt, eine Endlos-Spirale des Wünschens. Und fast wie eine Verhöhnung der Frauen klingt der Satz, der sich offenbar auch an die reaktionäre Väterbewegung richtet: „Die Männer von heute haben ein anderes Rollenverständnis als Väter als noch die Generation zuvor. Wir möchten den Weg der aktiven Vaterschaft unterstützen und auf ein modernes partnerschaftliches Rollenverständnis zwischen Müttern und Vätern hinwirken.“ Ein Papamonat – ist echt ein schlechter Scherz, oder?
Und nun ist sie da – die Krise – und wo für Frauenarbeit kein Geld da war, hat man es plötzlich locker sitzen – die 100 Milliarden für die Banken. Und eine neue Umverteilungswelle ist am Rollen, aber nicht von oben nach unten, nicht von Männern zu Frauen sondern umgekehrt.
Was wäre die zentrale Aufgabe einer Frauenministerin angesichts der Krise, wo auch ohne diese neoliberale Wirtschafts- und Arbeitsmarkt- wie auch Sozial- und Bildungspolitiken alles dazu beitragen, dass Frauenarbeit immer mehr und das dafür erhaltene Einkommen immer weniger wird, die Einkommensschere zwischen Frauen- und Männerlöhnen weiter auseinandergedriftet, statt enger geworden ist, wie es das Regierungsprogramm noch als eine der Zielvorgaben nannte.
Das Mindeste, was jetzt getan werden muss und was Frauen verlangen: Sofortige Einberufung eines Krisenratschlages unter Einbeziehung aller Frauenorganisationen, Frauen- und Mädchenprojekte, Frauen des Armutsnetzwerkes oder anderer sozialer Bewegungen, der Arbeitslosen oder dem Netzwerk Grundeinkommen. Denn sie haben die Ideen für Konjunkturpakete, die nachhaltig wirken.
Heidemarie Ambrosch ist Frauensprecherin der KPÖ und Vorstandsmitglied bei transform.at und arbeitet für das europäische Netzwerk transform europe.
Sie haben sie sicher nicht gelesen, diese knapp 300 seitenstarke Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP und haben in der Tat nichts versäumt. 16 Seiten darin sind dem Thema: Gesellschaft, Frauen, Familie und Chancenpolitik gewidmet, gerade mal 6 davon der Frauenpolitik. Von fördern, unterstützen, qualifizieren, Chancen erhöhen ist dabei immer wieder die Rede, als wären Frauen derart hilfsbedürftige und minderbemittelte Wesen, die das noch immer nicht hinbekommen mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, was in jedem Wahlkampf die gleichen Luftblasen aller Parlamentsparteien in Richtung Frauenstimmen erzeugt. Dass es um die Erfassung aller notwendigen gesellschaftlichen Arbeit, inklusive der Familienarbeit und deren Bewertung und Neuaufteilung geht, ist wieder gänzlich von der Tagesordnung verschwunden. Vielmehr wird die Individualisierung gesellschaftlicher Verantwortung zügig vorangetrieben und wer es nicht schafft mitzuhalten, ist selbst schuld, der kann eben nicht „geholfen“ werden.
Flexibilisierung und Mobilität sind Schlüsselwörter, deren Logik eigentlich kein traditionelles Familienmodell mehr kennt. Dennoch wird dieses gleichzeitig wohl auch in Richtung konservativer Väterbewegungen beschworen: „Familien sind das feste Fundament unserer Gesellschaft und werden in all ihren vielfältigen Formen von uns respektiert und unterstützt. Familien erbringen mit ihren Erziehungs- und Betreuungsaufgaben für Kinder und pflegebedürftige Familienmitglieder für den Zusammenhalt der Gesellschaft und der Generationen wichtige und wertvolle Leistungen. Daher hat gerade auch in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft die Familienpolitik einen zentralen Stellenwert.
Wo das soziale Netz reißt, sind Familien – gemeint sind Frauen - und ihre doch selbstverständlich unbezahlte, weil aus Liebe aufopfernde Arbeit gefragt. Denn die Brosamen, die man mit der Steuerreform an die Familien verteilt, werden die weiter steigende Armutsgefährdung dieser, schon gar nicht die der Alleinerzieherinnen aufhalten. Gleichzeitig werden alle anderen Lebensformen, vor allem auch die gleichgeschlechtlicher Beziehungen weiterhin diskriminiert.
Auch schon seit Jahren verspricht das Programm mal wieder, sich um die fehlende Kinderbetreuung zu sorgen, schließlich geht es dabei auch um EU-Richtlinien. Das Problem – ohne bundesweites Gesetz und durch alleinige Abwälzung der laufenden Kosten auf die Gemeinden, denen immer weniger bleibt, eine Endlos-Spirale des Wünschens. Und fast wie eine Verhöhnung der Frauen klingt der Satz, der sich offenbar auch an die reaktionäre Väterbewegung richtet: „Die Männer von heute haben ein anderes Rollenverständnis als Väter als noch die Generation zuvor. Wir möchten den Weg der aktiven Vaterschaft unterstützen und auf ein modernes partnerschaftliches Rollenverständnis zwischen Müttern und Vätern hinwirken.“ Ein Papamonat – ist echt ein schlechter Scherz, oder?
Und nun ist sie da – die Krise – und wo für Frauenarbeit kein Geld da war, hat man es plötzlich locker sitzen – die 100 Milliarden für die Banken. Und eine neue Umverteilungswelle ist am Rollen, aber nicht von oben nach unten, nicht von Männern zu Frauen sondern umgekehrt.
Was wäre die zentrale Aufgabe einer Frauenministerin angesichts der Krise, wo auch ohne diese neoliberale Wirtschafts- und Arbeitsmarkt- wie auch Sozial- und Bildungspolitiken alles dazu beitragen, dass Frauenarbeit immer mehr und das dafür erhaltene Einkommen immer weniger wird, die Einkommensschere zwischen Frauen- und Männerlöhnen weiter auseinandergedriftet, statt enger geworden ist, wie es das Regierungsprogramm noch als eine der Zielvorgaben nannte.
Das Mindeste, was jetzt getan werden muss und was Frauen verlangen: Sofortige Einberufung eines Krisenratschlages unter Einbeziehung aller Frauenorganisationen, Frauen- und Mädchenprojekte, Frauen des Armutsnetzwerkes oder anderer sozialer Bewegungen, der Arbeitslosen oder dem Netzwerk Grundeinkommen. Denn sie haben die Ideen für Konjunkturpakete, die nachhaltig wirken.
Heidemarie Ambrosch ist Frauensprecherin der KPÖ und Vorstandsmitglied bei transform.at und arbeitet für das europäische Netzwerk transform europe.