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Prekär ist nicht fair

  • Montag, 9. Februar 2009 @ 08:06
Meinung Von Franz Grün

Im 20. Jahrhundert galt das Normalarbeitsverhältnis das sich durch existenzsicherndes Einkommen, Kontinuität und Vollzeittätigkeit als erklärtes Ziel der ArbeitnehmerInnen. Hiezu kamen noch der arbeitsrechtliche Schutz und die soziale Absicherung. Dieser Typus ist zwar bis heute nicht verschwunden jedoch steigt ständig die Zahl der Teilzeitjobs, freie Dienstnehmerverträge, Leiharbeit und Ein-Personen-Unternehmen.
Was verstehen wir unter prekären Dienstverhältnissen? Jobs die für eine zeitlich begrenzte, meist kurze Dauer angenommen werden, welche dem Arbeitnehmer nicht erlauben in die Arbeitsverhältnisse Einblick zu erlangen, die wenig Schutz durch Kollektivverträge oder Gesetze aufweisen, Niedrigeinkommen mit der Gefahr die Verarmung in die Höhe zu treiben und womit sich auch Betriebsräte und Gewerkschaften kaum mit der Problematik dieser Dienstnehmer auseinandersetzen. Leih- und Teilzeitarbeiter sind zudem noch im hohen Maße von Kündigungen bedroht.

Seit den 90er Jahren ist die Zahl der prekär Beschäftigten ständig gestiegen. Erst seit Beginn der Wirtschaftskrise ist ein Rückgang zu bemerken – leider nicht in Richtung Vollbeschäftigung sondern in die Arbeitslosigkeit. Leiharbeiter sind die Ersten die bei verminderter Auftragslage den Betrieb verlassen müssen. Bei Ein-Personen-Unternehmen ist bei Mangel an Aufträgen sehr bald das Ende vorprogrammiert.

Um die finanziellen Aspekte anzusprechen so liegen prekäre Jobs bei weitem unter denen mit Normalarbeitsverhältnissen. Wenn man von der Armutsstudie aus dem Jahr 2004 mit 900 Euro ausgeht und diese inflationsbereinigt annimmt liegt jeder zweite prekär Beschäftigte unter der Armutsgrenze. Im Anbetracht der Tatsache das der Trend weg von Normalarbeitsverhältnissen und hin zu weniger stark reglementierten Beschäftigungsverhältnissen ständig im steigen ist (weil hauptsächlich von den Dienstgebern so gewollt und von der EU so gefördert) steigt das Risiko immens zumindest zeitweise unter die Armutsgrenze zu schlittern. Bei Verlust des Arbeitsplatzes fällt dann nur mehr das Arbeitslosengeld in Höhe von 55 Prozent des zuletzt bezogenen Einkommens an. Eine von der Regierung im Jahr 2008 geplante bedarfsorientierte Grundsicherung (welche auch unter der Armutsgrenze lag) scheiterte schlussendlich am Veto des Kärntner Landeshauptmanns.

Ein anderes Problem stellt die berufliche Weiterbildung dar. Teilbeschäftigt, LeiharbeiterInnen und Beschäftigte mit freien Dienstverträgen kommen kaum in den Genuss von dienstgebergeförderten Weiterbildungsmaßnahmen und bleiben daher auf ihrem Level stehen. Scheinselbständige haben für ihre Weiterbildung selbst zu sorgen. Was dies für die Zukunft dieser Menschen bedeutet liegt klar auf der Hand. Noch mehr Abhängigkeit, noch weniger Lohn und der Druck jegliche Arbeit zu jeglichen Bedingungen annehmen zu müssen.

Die soziale Absicherung ist zwar bei Teilzeitbeschäftigten, befristet Beschäftigten und LeiharbeiterInnen gegeben, freie DienstnehmerInnen sind im Sozialbereich integriert und geringfügig Beschäftigte unfallversichert. Im Anlassfall jedoch fallen sie meist unter die Armutsgrenze. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und der Notstandshilfe liegen zumeist unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

So betrachtet ist die Lage der prekär Beschäftigten in einem der reichsten Ländern der Europäischen Union ein unzumutbarer und beschämender Zustand. In diesen Tagen wird wieder eines in Italien erfunden Schutzheiligen für prekär Beschäftigte gedacht. Im inoffiziellen Heiligenkalender ist für ihn der 29. Feber reserviert. Sankt Prekarius beschütze uns.

Franz Grün ist Sekretär des GLB-Vida