Willkommen bei GLB - Gewerkschaftlicher Linksblock (Alte Website - Archiv seit Mai 2023) 

AK-Vollversammlung im Zeichen der Finanzkrise

  • Mittwoch, 12. November 2008 @ 16:06
Wien
Bei der 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer am 12. November 2008 sprach AK-Präsident Herbert Tumpel über die „schwerste Krise“ seit 1929. In den letzten Jahren stiegen die Gewinne und die Löhne wurden immer geringer. Dazu gibt es zwischen den Spitzeneinkommen und den „normalen“ Gehältern ein großes Ungleichgewicht. Tumpel stellte zwar auf einer Seite das bestehende System in Frage, auf der anderen Seite betonte er aber, dass es einen freien Markt weiterhin geben müsse, der nur besser reguliert gehöre. Gleichzeitig betonte der Präsident, dass er schon seit Jahren die Probleme angesprochen habe.

Beatrix Todter, Arbeiterkammerrätin der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) meinte bei ihrer Wortmeldung, dass die FSG-Personalvertretung in der Post für den Börsegang gestimmt hatte und dass die GLB-Anträge gegen die Privatisierung der Post und gegen Stock-Options bei früheren Vollversammlungen nicht angenommen wurden.

Der GLB hatte zu dieser Vollversammlung elf Anträge und einen Dringlichkeitsantrag zur aktuellen Situation der Post eingebracht, der mit einer Änderung angenommen wurde. Nachstehend die Anträge des GLB im Wortlaut:

Antrag 1: AK-Mitgliedschaft (abgelehnt)

Die 149. AK-Vollversammlung der AK-Wien beschließt, dass für Berufsgruppen, für die derzeit die gesetzliche Mitgliedschaft bei der Arbeiterkammer nicht besteht(z.B. Hoheitsverwaltung der Gemeinde Wien) die Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft eingeführt werden soll.
Begründung: Es soll allen Berufsgruppen die Möglichkeit gegeben werden, Unterstützung durch die Arbeiterkammer in Anspruch nehmen zu können.

Antrag 2: Dienstbeurteilungen (zugewiesen)

Die 149. AK-Vollversammlung der AK-Wien beschließt, dass Krankenstände in einer Dienstbeurteilung, wie es z.B. bei der Gemeinde Wien üblich ist, nicht berücksichtigt werden dürfen.
Begründung: Derzeit müssen Bedienstete nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit mit einer Herabsetzung ihrer Leistungszulage rechnen. Leistung ist aber nur dann beurteilbar, wenn sie auch tatsächlich erbracht wird. Abwesenheiten sind daher nicht zur berücksichtigen.

Antrag 3: Einspruch bei Dienstbeurteilung (abgelehnt)

Die 149. AK-Vollversammlung der AK-Wien beschließt, dass für Bedienstete der Gemeinde Wien die Möglichkeit geschaffen werden soll, bei Dienstbeurteilungen rechtswirksamen Einspruch erheben zu können. Z.B. in Form einer, von der jeweils betroffenen Dienststelle unabhängigen „Schlichtungsstelle“.
Begründung: Derzeit steht den Bediensteten der Gemeinde Wien bei einer als ungerecht empfundenen Beurteilung kein adäquates Instrument der Gegendarstellung/Widerspruch/Einspruch zur Verfügung. Bedienstete sind daher bei Dienstbeurteilungen dem Wohlwollen der beurteilenden Person ausgeliefert. Stellungnahmen, wie sie in der derzeitigen Form abgegeben werden können, haben keinerlei Wirksamkeit. Es bleibt nur der Weg zum Dienstsenat, bzw. Arbeitsgericht, welcher langwierig und Existenz gefährdend verlaufen kann.

Antrag 4: Freie Wahl des Rechtsbeistandes (abgelehnt)

Die 149. AK-Vollversammlung der AK-Wien beschließt, dass Personen, die sich um einen Rechtsbeistand an die Arbeiterkammer Wien wenden, eine freie Rechtsanwalts/wältinnenwahl zugestanden werden soll.
Begründung: Durch die Vielfältigkeit der Aufgaben der Arbeiterkammer Wien kann diese nicht in allen Fachbereichen rechtskundig sein.

Antrag 5: Rücknahme Erhöhung Gas- und Strompreis (zugewiesen)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert die Stadt Wien bzw. die betreffenden stadteigenen Unternehmen WienStrom bzw. WienGas auf, die jüngste Erhöhung des Strompreises bzw. Gaspreises nicht durchzuführen bzw. zurückzunehmen.
Begründung: Die Erhöhung der Energiekosten durch Anhebung des Strompreises um acht Prozent und des Gaspreises um 21 Prozent trifft vor allem Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sehr stark. Diese Erhöhung steht auch im Gegensatz zur Ankündigung von Bürgermeister Häupl vom 29.7.2008 (Rathauskorrespondenz 3506), dass heuer die Strom- und Gaspreise in Wien nicht erhöht werden. Die Erhöhung ist auch insofern nicht gerechtfertigt, als etwa Wien Energie 2007 einen Gewinn von 89 Millionen Euro erwirtschaftet hat. Außerdem werden laut e-Control die Importpreise für Gas ab November um 17 Prozent sinken. Auch fordert e-Control, dass die von den Ländern kontrollierten Versorgungsunternehmen „ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und nicht auf Gewinnmaximierung fixiert“ sein sollen.

Antrag 6: Keine Sanierung der Finanzmarktkrise auf Kosten der Unselbständigen (abgelehnt)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer verlangt, dass die Sanierung der Finanzmarktkrise auf Kosten jener erfolgen muss, die jahrelang von unverantwortlichen Spekulationen auf dem Kapitalmarkt profitiert haben. Dazu fordert die Arbeiterkammer die Wiedereinführung einer Kapitalverkehrssteuer, strenge Kapitalverkehrskontrollen sowie ein Verbot der Stock-Options für ManagerInnen, die Überführung der Bank-, Kredit- und Versicherungswirtschaft in öffentliches, gesellschaftliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle, weiters die Wiedereinführung einer Vermögens- und der Erbschaftssteuer, die Aufhebung der Steuerprivilegien der Privatstiftungen und die Erhöhung der Körperschaftssteuer sowie die Aufhebung der Freiheit des Kapitalverkehrs und des Euro-Stabilitätspaktes auf EU-Ebene.
Begründung: Die Bundesregierung hat zur Stützung der österreichischen Banken Staatshaftungen in Höhe von 100 Milliarden Euro beschlossen. Wenn nicht entsprechende Maßnahmen zur Konkretisierung dieses Rettungspakets erfolgt und diese Haftungen schlagend werden sollten, werden letztlich die Unselbständigen durch ihre Steuerleistung (Lohnsteuer, Mehrwertsteuer etc.) zur Finanzierung der Krise herangezogen, während die Nutznießer der Finanzkrise ihre Gewinne aus Finanzspekulationen bzw. daraus resultierende Vermögen steuerschonend im In- oder Ausland in Sicherheit gebracht haben.

Antrag 7: Ausstieg der Pensionsfinanzierung aus dem Kapitalmarkt (zugewiesen)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer verlangt den raschen Ausstieg der Pensionsfinanzierung aus dem Kapitalmarkt und Rückführung in das Umlagensystem verbunden mit der Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zur nachhaltigen Finanzierung der Pensionen.
Begründung: Mit dem Argument, dass die Pensionsfinanzierung über das durch jahrzehntelang bewährte Umlageverfahren in Verbindung mit dem Generationenvertrag nicht mehr finanzierbar wäre, wurden in den letzten Jahren zigtausende Menschen zur Finanzierung der zweiten und dritten Säule der Pensionsfinanzierung über den Kapitalmarkt gedrängt. Bereits in den letzten Jahren mussten tausende Versicherte feststellen, dass die ihnen versprochenen Erträge bei den Veranlagungen bei weitem nicht erreicht wurden und vielfach Kürzungen von Zusatzpensionen in Kauf nehmen. Mit dem akuten Ausbruch der internationalen Finanzkrise wurde das Scheitern des neoliberalen Modells und damit auch der Finanzierung von Sozialleistungen wie Pensionen, Gesundheitswesen etc. über den Kapitalmarkt offensichtlich.

Antrag 8: Keine Senkung der AK-Umlage (angenommen)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer weist die Angriffe auf die Arbeiterkammer durch Infragestellung der Kammerumlage zurück und bekräftigt die Selbständigkeit der Kammern auch in Hinblick auf ihre elementare Finanzierungsgrundlage.
Begründung: Die Forderung nach Senkung oder Abschaffung der Kammerumlage zielt auf die Eliminierung der Arbeiterkammer als wirksame Interessenvertretung der Lohnabhängigen. Die AK-Umlage von 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens stellt die Existenzgrundlage der Arbeiterkammern dar. Mit einem klaren Bekenntnis von rund 90 Prozent haben über zwei Drittel der teilnehmenden Mitglieder im Jahre 1996 bei der Urabstimmung deutlich gemacht, dass die Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretung unerlässlich ist. Die Arbeiterkammer hat nach der durch den Rechberger-Skandal in den 90er Jahren ausgelösten Identitätskrise ein neues Selbstverständnis gefunden und ihre wirkungsvolle Interessensvertretung bei Arbeitsrecht und Konsumentenschutz in hunderttausenden Fällen hinreichend bewiesen.

Antrag 9: Öffentliches Eigentum erhalten und schützen (angenommen)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer tritt für die Erhaltung und den verfassungsmäßigen Schutz des öffentlichen Eigentums, vor allem im politisch wichtigen und sensiblen Bereich der öffentlichen Infrastruktur ein.
Begründung: In Österreich wurden seit Mitte der 80er Jahre die ehemalige verstaatlichte Industrie und der Industriesektor der staatlichen Banken weitestgehend privatisiert. Unter dem Druck des überschüssigen Kapitals, das neue und lukrative Anlagemöglichkeiten sucht, gerät zunehmend der umfangreiche Sektor der Infrastruktur, also kommunale Unternehmen, E-Wirtschaft, ÖBB, Bildung, Gesundheitswesen, Pensionsfinanzierung, Post und Telekom, Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen unter den Druck der Privatisierungsbetreiber.

Antrag 10: Mehr Personal für die Post AG (angenommen)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert die Post AG auf zur Sicherstellung der Infrastruktur der Postdienstleistungen insbesondere im Zustellungsbereich den Personalstand zu erhöhen.
Begründung: Laut Medienberichten gibt es in Wien zunehmend Engpässe bei der Postzustellung, indem etwa bei einer Grippewelle die Zustellung mangels Personal nicht mehr erfolgt. Der Rationalisierungsdruck auf die ZustellerInnen etwa durch die ständige Vergrößerung von Zustellrayonen und Fehlen von Ersatzpersonal führt immer öfter dazu, dass diese an einem Burn-out-Syndrom leiden und infolgedessen auch Erkrankungen zunehmen. ArbeitsmedizinerInnen haben festgestellt, dass die ZustellerInnen an der Kippe der Leistungsfähigkeit stehen. Der Personalberechnungsschlüssel der Post AG ist offensichtlich insbesondere seit der Teilprivatisierung durch den Börsegang im Jahre 2006 rein betriebswirtschaftlichen Kriterien mit dem Ziel möglichst hohe Gewinne bzw. Dividenden zu erwirtschaften geschuldet. Damit werden jedoch die elementaren Bedürfnisse und die Leistungsfähigkeit des Personals ignoriert und die Motivation zerstört.

Antrag 11: AK-Wahlrecht (abgelehnt)

Die 149.Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer setzt sich für die Einrichtung einer Kommission der Bundesarbeiterkammer unter Einbeziehung aller Fraktionen, die in den Arbeiterkammern vertreten sind, zur Überarbeitung und Demokratisierung des Wahlrechtes ein.
Begründung: Überprüft werden soll dabei u.a., ob die Zahl der KammerrätInnen in den einzelnen Bundesländern auch dem jeweiligen Stand an Beschäftigten entspricht. Weiters ist es eine besondere Hürde für neue bzw. kleine Fraktionen, 300 Unterstützungserklärungen nicht nur in den großen Bundesländern wie Wien sondern die gleiche Anzahl auch in kleineren Bundesländern erbringen zu müssen. Hier sollte die Anzahl entsprechend geringer sein. Jenen Fraktionen, die bereits in einer AK vertreten sind, sollte diese Hürde erspart bleiben.

Dringlichkeitsantrag: Aktuelle Situation bei der Post AG (angenommen)

Die 149. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert einen verfassungsmäßigen Schutz des strategischen öffentlichen Eigentums.
Begründung: Laut jetzt bekannt gewordenen Plänen des Vorstandes der Post AG sollen bis 2015 weitere 9.000 von derzeit 25.800 Arbeitsplätzen vernichtet, ein Großteil der Briefzustellung an Subfirmen mit Dumping-Löhnen ausgelagert und tausend von derzeit 1.311 Postämtern zugesperrt oder privaten Postpartnern überlassen werden.
Diese Maßnahmen sind als Folge der bisherigen Schritte der Liberalisierung der Post zu sehen: Die Ausgliederung der Post aus dem Bundesbudget 1996, die von Österreich mitgetragene EU-konforme Liberalisierung der Postdienste ab 2011 und die Teilprivatisierung der Post AG durch den Börsegang 2006 haben zum heutigen Zustand geführt. Gleichzeitig wurde verabsäumt, private Anbieter für eine Konkretisierung der Universaldienstverordnung für eine flächendeckende Versorgung in die Pflicht zu nehmen.
Um zu verhindern, dass die Post AG völlig zerstört und dann ähnlich wie die AUA an einen Auslandskonzern verschenkt wird sind politische Entscheidungen erforderlich. Aufgabe der Post ist es nicht, durch fragwürdige Expansionen im Ausland oder permanente Schrumpfungsmaßnahmen Maximaldividenden für die AktionärInnen herauszuschinden, sondern flächendeckend elementare Postdienstleistungen im öffentlichen Interesse zu erfüllen.
Diese Funktion kann nur eine Post im öffentlichen Eigentum maximal erfüllen. Daher ist ein verfassungsmäßiger Schutz des strategischen öffentlichen Eigentums, vor allem im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, notwendig. Ebenso ist ein Branchen-Kollektivvertrag erforderlich, der auch für private Postdienste gilt und damit Chancengleichheit schafft und Lohndumping verhindert.