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Die Lähmung der Gewerkschaften

  • Sonntag, 6. Juli 2008 @ 08:10
Meinung Von Gilbert Karasek

Die Lähmung der Gewerkschaften macht sich schon seit langen im Niedergang der sozialen Errungenschaften bemerkbar. Wie sollen wir der konservativen Funktionärsklasse, die die Kampfkraft der Gewerkschaften lähmt, entgegentreten? Vorbemerkung. Es sind einige Begriffe die von der Allgemeinheit negativ belegt sind und nicht gerne gehört und gelesen werden. Dazu gehört das Wort die Klassengesellschaft. Hört und liest sie wer, dann interessiert sich keiner mehr für den Inhalt. Daher möchte ich mich vorab für den Begriff „Klassen“ entschuldigen, den ich statt des Begriffes „Schichten“ verwende.

Und hoffe, dass trotz der Verwendung des negativ belasteten Begriffs das Leseinteresse weiter besteht. Die Gewerkschaften sind selbst als ein Produkt der unterschiedlichen „Gesellschaftsschichten“ entstanden. Hier die Eigentümer, die sich den Mehrwert aus der geleisteten Arbeit der Arbeitskraft aneignen und dort die Arbeitnehmer, die um ihren erarbeiteten Mehrwert betrogen werden. Wir leben einmal in einer Gesellschaft, in der es Gegensätze gibt, die zu den unterschiedlichen sozialen „Schichten“ führen, und wenn ich von den Problemen der Gewerkschaften schreibe, dann schreibe ich zwangsläufig von den Problemen der „Schichten“, also von den Problemen einer Klassengesellschaft. Ich verwende den Begriff „Klassen“, weil dieser Begriff am anschaulichsten diese Gegensätze beschreibt.

Die von der KIV ausgehende Gewerkschaftsdiskussion, worin sich eine effiziente Gewerkschaftsarbeit, von der heute praktizierten Arbeit der Sozialdemokratie unterscheiden sollte, hat seine Berechtigung. Um diese Frage zu beantworten wäre es nützlich, wenn wir uns zuerst den Zweck, die Funktion und die Aufgabe der Gewerkschaft ansehen. Denn nur wenn wir Vergleiche ziehen können, wie die heutigen Gewerkschaften, im Gegensatz zu ihren ursprünglichen Zweck operieren, können wir diese Frage richtig beantworten. Nun, dass es immer noch Herrschende und Dienende, Ausbeuter und Ausgebeutete gibt, darüber brauchen wir keinen Nachweis führen. Nämlich gebe es keine Klassengegensätze mehr, dann bräuchten wir auch keine Gewerkschaften, und all die Bemühungen für kämpferische Gewerkschaften würden sich im Dunst auflösen.

Eine besonders heikle Frage ist die Frage der Kontrolle. Wer soll die Gewerkschaften kontrollieren? Wenn die ArbeitskollegInnen ihre lebensnotwendigen Anliegen vor den Interessen der herrschenden „Schicht“ schützen wollen, dann brauchen sie Organisationen, die ihnen als Sammelpunkt des Widerstands dienen. Darin besteht der eigentliche Zweck der Gewerkschaft. Aus diesem gewerkschaftlichen Zweck heraus, beantwortet sich von selbst die heikle Frage der Kontrolle. Nämlich, wenn an Stelle der ArbeiterInnen-Klasse, die herrschende Klasse die Gewerkschaften kontrolliert, dann ist ein Widerstand gegen die herrschende Klasse nicht möglich. Der gewerkschaftliche Schutz ist aufgehoben, wenn die herrschende Klasse die Gewerkschaften kontrolliert.

Dass die im Parlament regierenden Parteien zur herrschenden Klasse zählen, ist wohl allen klar, trotzdem schadet es nicht, darüber zu reden, weil es der überwiegenden Mehrheit der ArbeitskollegInnen nicht bewusst ist, dass die SPÖ als regierende Partei auch der herrschenden Klasse angehört.

Andererseits macht es keinen Unterschied, welchen Namen eine Partei trägt, wenn diese mit ihren Parlamentsbeschlüssen die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft zum Grundrecht erhebt. Diese Parteien sind schon alleine durch ihre gesetzgebende Macht ein Bestandteil der herrschenden Klasse.

Aber was hat das Auflisten, wer aller zur herrschende Klasse gehört, mit den Gewerkschaften zu tun? Sehr viel. Es sind die regierenden Parteien, die mittels ihrer Fraktionen und Parteimitglieder den Gewerkschaften ihren Stempel aufdrücken. Die Gewerkschaften werden von den gleichen Fraktionen kontrolliert, deren Parteimitglieder im Parlament für die Eigentümer die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, mit deren Rechtsmittel sie die Ausbeutung der Arbeitskraft vollziehen. An der Stelle der ArbeiterInnenklasse bestimmen die regierenden Parteien mit ihren Funktionärs- und Parteiprofis über die Aufgaben der Gewerkschaften.

Die Sozialdemokratie macht dabei kein Hehl daraus, dass sie dem Erhalt der kapitalistischen Gesellschaft dient. Es ist für jeden leicht erkennbar, dass die herrschende Klasse mittels der FSG die Gewerkschaften kontrollieren. Die Funktionärsklasse sorgt bei der Ausbeutung der Arbeitskraft für Ruhe und Ordnung. Darüber hinaus bedienen sie sich der Gewerkschaftseinrichtungen um die ArbeiterInnenklasse unter Kontrolle zu halten, vor allem um sie in ihren Befreiungsbestrebungen und in ihrer demokratischen Entwicklung zu unterdrücken. Die Kontrolle der ArbeiterInnenklasse durch die Gewerkschaften dient ausschließlich dem Zweck, um die reibungslose Ausbeutung ihrer Arbeitskraft der ausbeutenden Klasse zu erhalten.

Die Herrschaft des Kapitals über die menschliche Arbeitskraft. soll auf ewige Zeiten erhalten bleiben. Diesem Zweck müssen die heutigen Gewerkschaften, unter der Kontrolle der regierenden Parteien, dienen. Die Gewerkschaftspolitik der regierenden Parteien lässt sich am besten mit dem Modewort „nachhaltig“ umschreiben. Sie achten darauf, dass ihre Parteimitglieder in den Gewerkschaftsfraktionen dafür sorgen, dass sich eine demokratische Entwicklung in den Gewerkschaften im Sinne einer Selbstbestimmung der ArbeiterInnenklasse nicht entfalten kann.

Zu diesem Zweck haben die Funktionärs- und Parteiprofis eine Fülle an undemokratischen Hindernissen ins Leben gerufen. Sie setzen dafür eigens geschaffene komplizierte verfahren, unerfüllbare Paragraphen und repressive Gesetze ein, die klassischen Waffen der herrschenden Klasse, um jeden demokratischen Fortschritt in den Gewerkschaften zu blockieren. Zudem dient dieses undemokratische Regelwerk, um einen selbständigen Zugriff - der ArbeiterInnenklasse - auf ihre Gewerkschaften zu unterbinden. Dass die Funktionärsklasse, mit ihren repressiven ausgetüftelten Regeln, die Gewerkschaften paralysieren und kampfunfähig machen, ist bittere Realität; denn während auf der Seite die Eigentümer gewaltige Kapitalmassen horten, verfallen fast im gleichen Verhältnis die sozialen Errungenschaften.

Appelle und Aufforderungen, dass endlich die Gewerkschaften demokratisiert werden und dass sie gegen den Verfall der sozialen Kulturen den Kampf aufnehmen sollen, führen zu nichts. Um die Ohnmacht und die Hilflosigkeit der ArbeiterInnenbewegung zu beenden, muss die ArbeiterInnen- Klasse selbst die Gewerkschaften aus der Kontrolle der regierenden Parteien führen. Die politische Bevormundung sowie die politische Ausgrenzung der ArbeiterInnenklasse aus ihren Gewerkschaften kann eben nur dadurch gelöst werden, indem die ArbeiterInnenklasse selbst die Kontrolle über die Gewerkschaften übernehmen.

So wie man Lesen, Schreiben, Rechnen, Schwimmen, Tanzen und Autofahren lernt, so lernt man auch mit Leichtigkeit den Umgang mit der Demokratie, mit seinen Regeln des gemeinsamen Mitbestimmens und das Fällen von gemeinsamen Entscheidungen. Die Basis für das Funktionieren demokratischer Regeln, ist der freie, unzensurierte Zugang für alle, zu allen auch zu den hinter den dicken Panzertüren versteckten Informationsquellen und der ständige Wechsel bei der politischen Führung.

Die demokratische Selbstbestimmung der ArbeiterInnenklasse muss die reaktionäre Funktionärsklasse, mit ihrem starren verknöcherten System der politischen Arbeitsteilung ablösen. Erst ein flexibles demokratisches Regelwerk, welches ständig mit den wachsenden demokratischen Bedürfnisse mit wächst und steht’s von Neuem angepasst wird, verwandelt die Gewerkschaften zu einem Instrument, auf das die herrschende Klasse keinen Zugriff mehr hat.

Gilbert Karasek ist Personalvertreter bei Wienstrom