Irland brachte Steine ins Rollen
- Freitag, 27. Juni 2008 @ 10:31
Von Hubert Schmiedbauer
Verhöhnt und beschimpft von Politik und braven EUntertanen wurden jene BürgerInnen Irlands, die nicht bereit waren, „die Krot zu schlucken“: den sogenannten EU-Reformvertrag, der eine Fülle schwerer Eingriffe in die politischen, ökonomischen und sozialen Systeme der Mitgliedstaaten verfassungsmäßig abzusichern hat, um die Hegemonie des „neoliberalen“ Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Der irischen Regierung ist es nicht gelungen, eine Mehrheit zur Abstimmung zu mobilisieren; auch der Druck auf die Gewerkschaften sowohl von Regierungsseite als auch vom Führungsmanagement des Dachverbandes ging daneben, denn die größte Gewerkschaft verweigerte eine Kampagne für „Ja“, zwei große Gewerkschaften riefen für „Nein“ auf.
Wunschtraum „Sozialunion“
Ein Stein könnte ins Rollen gekommen sein und eine Lawine auslösen. In den meisten EU-Staaten herrscht große Skepsis: Schon bei den Referenden zum EU-Beitritt lag die effektive Zustimmung wegen der geringen Beteiligung oft nur zwischen 20 und 30 Prozent. Auch in Österreich hatte damals kaum die Hälfte der Wahlberechtigten tatsächlich für den EU-Anschluss gestimmt. Nun verweigerten fast alle Regierungen – auch die österreichische - der Bevölkerung das Recht auf Mitsprache. Die Ideologie des Neoliberalismus in den Köpfen der Parlamentarier mußte das fatale Vertragswerk retten. Überraschend die Ankündigung von Bundeskanzler Gusenbauer (nach Blattschluss), in Zukunft Referenden über EU-Verträge abzuhalten. Reichlich späte Einsicht – und in Wirklichkeit sind die bereits abgesegneten EU-Verträge hinfällig!
Und was hört man von unseren verantwortlichen GewerkschafterInnen? Rollt da auch schon das eine oder andere Steinchen? „Die EU muss das Nein der Iren als Chance nutzen und einen Neustart wagen“, meine ÖGB-Europasprecher Wolfgang Katzian (GPA-DJP-Vorsitzender). Der Politik der EU fehle die soziale Dimension, und er nannte als aktuelles Beispiel „die aus gewerkschaftlicher Sicht bedenklichen Bestimmungen bei der Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie“. Das sei ein klarer Rückschritt für das soziale Europa.
Nach dem Votum in Irland müsse klar sein, dass es mit dem bisherigen „business as usual“ (den üblichen Geschäftsmethoden) vorbei sei, erklären die Gewerkschaften aus dem Energiesektor im Zusammenhang mit den Zerschlagungs- und Privatisierungsabsichten der EU. Karl Proyer, stv. Geschäftsführer von GPA-DJP, stellte die Frage nach der Erfolgsgeschichte der Privatisierung öffentlichen Eigentums und führte als Erfolg den des Kapitals aus der Privatisierung der Austria Tabak an, „wo wegen der Erzielung schneller Einmaleffekte nationales Eigentum verschleudert wurde“.
Kritische Aussagen sind wichtig, aber rar. Da rollt noch kein Stein. Die Gewerkschaftsführungen gehen auf Zehenspitzen und wirbeln bestenfalls etwas Staub auf. Von der Illusion über ein „soziales Europa“ haben sie sich nicht befreit.
Warnstreik in Tschechien
Etwas lauter war es im Juni bei unseren tschechischen Nachbarn, denn nach monatelangen Protestaktionen gegen eine Pensions“reform“ und gegen Privatisierungen im öffentlichen Gesundheitswesen gab es am 24.Juni einen landesweiten einstündigen Warnstreik. Ein Stein rollte gar von Böhmen nach Wien und ÖGB-Präsident Hundstorfer appellierte an Ministerpräsident Topolanek, diese Pläne zu stoppen, „die gerechtfertigten Forderungen der tschechischen Gewerkschaften zu berücksichtigen und in einen echten Dialog einzutreten“.
Mit welchen österreichischen Erfolgen gegen wirtschafts- und sozialpolitische Grauslichkeiten der ÖGB seine Solidarität mit den KollegInnen in Tschechien stützen kann, wurde nicht gemeldet. Der sozialpartnerschaftliche „echte Dialog“ mit den jeweiligen Regierungen bringt unter dem unsäglichen Lächeln von Christoph Leitl die Fortsetzung von Privatisierungen der öffentlichen Wirtschaftssektoren, Ausgliederungen und Tariferhöhungen. Nicht die Gewerkschaften, sondern die Ärzte kämpfen gegen Verschlechterungen im Gesundheitswesen. Pensions“reformen“ in Österreich werden mittelfristig nachweislich hunderttausende Menschen in die Armut treiben.
Die Idee von einer alternativen, sozialen Wirtschaftsform anstatt der neoliberalen Kapitaldiktatur könnte bald als verfassungsfeindlich, als strafbarer Hochverrat eingestuft werden. Die blauäugige Hoffnung einzelner GewerkschafterInnen, das irische Nein werde die soziale Dimension in der EU stärken, wird nur realisierbar sein, wenn der Widerstand gegen das rabiate internationale Kapital und seinen politischen Arm EU zur europäischen Massenaktion wird.
Hubert Schmiedbauer ist Journalist und wohnt in Graz
Verhöhnt und beschimpft von Politik und braven EUntertanen wurden jene BürgerInnen Irlands, die nicht bereit waren, „die Krot zu schlucken“: den sogenannten EU-Reformvertrag, der eine Fülle schwerer Eingriffe in die politischen, ökonomischen und sozialen Systeme der Mitgliedstaaten verfassungsmäßig abzusichern hat, um die Hegemonie des „neoliberalen“ Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Der irischen Regierung ist es nicht gelungen, eine Mehrheit zur Abstimmung zu mobilisieren; auch der Druck auf die Gewerkschaften sowohl von Regierungsseite als auch vom Führungsmanagement des Dachverbandes ging daneben, denn die größte Gewerkschaft verweigerte eine Kampagne für „Ja“, zwei große Gewerkschaften riefen für „Nein“ auf.
Wunschtraum „Sozialunion“
Ein Stein könnte ins Rollen gekommen sein und eine Lawine auslösen. In den meisten EU-Staaten herrscht große Skepsis: Schon bei den Referenden zum EU-Beitritt lag die effektive Zustimmung wegen der geringen Beteiligung oft nur zwischen 20 und 30 Prozent. Auch in Österreich hatte damals kaum die Hälfte der Wahlberechtigten tatsächlich für den EU-Anschluss gestimmt. Nun verweigerten fast alle Regierungen – auch die österreichische - der Bevölkerung das Recht auf Mitsprache. Die Ideologie des Neoliberalismus in den Köpfen der Parlamentarier mußte das fatale Vertragswerk retten. Überraschend die Ankündigung von Bundeskanzler Gusenbauer (nach Blattschluss), in Zukunft Referenden über EU-Verträge abzuhalten. Reichlich späte Einsicht – und in Wirklichkeit sind die bereits abgesegneten EU-Verträge hinfällig!
Und was hört man von unseren verantwortlichen GewerkschafterInnen? Rollt da auch schon das eine oder andere Steinchen? „Die EU muss das Nein der Iren als Chance nutzen und einen Neustart wagen“, meine ÖGB-Europasprecher Wolfgang Katzian (GPA-DJP-Vorsitzender). Der Politik der EU fehle die soziale Dimension, und er nannte als aktuelles Beispiel „die aus gewerkschaftlicher Sicht bedenklichen Bestimmungen bei der Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie“. Das sei ein klarer Rückschritt für das soziale Europa.
Nach dem Votum in Irland müsse klar sein, dass es mit dem bisherigen „business as usual“ (den üblichen Geschäftsmethoden) vorbei sei, erklären die Gewerkschaften aus dem Energiesektor im Zusammenhang mit den Zerschlagungs- und Privatisierungsabsichten der EU. Karl Proyer, stv. Geschäftsführer von GPA-DJP, stellte die Frage nach der Erfolgsgeschichte der Privatisierung öffentlichen Eigentums und führte als Erfolg den des Kapitals aus der Privatisierung der Austria Tabak an, „wo wegen der Erzielung schneller Einmaleffekte nationales Eigentum verschleudert wurde“.
Kritische Aussagen sind wichtig, aber rar. Da rollt noch kein Stein. Die Gewerkschaftsführungen gehen auf Zehenspitzen und wirbeln bestenfalls etwas Staub auf. Von der Illusion über ein „soziales Europa“ haben sie sich nicht befreit.
Warnstreik in Tschechien
Etwas lauter war es im Juni bei unseren tschechischen Nachbarn, denn nach monatelangen Protestaktionen gegen eine Pensions“reform“ und gegen Privatisierungen im öffentlichen Gesundheitswesen gab es am 24.Juni einen landesweiten einstündigen Warnstreik. Ein Stein rollte gar von Böhmen nach Wien und ÖGB-Präsident Hundstorfer appellierte an Ministerpräsident Topolanek, diese Pläne zu stoppen, „die gerechtfertigten Forderungen der tschechischen Gewerkschaften zu berücksichtigen und in einen echten Dialog einzutreten“.
Mit welchen österreichischen Erfolgen gegen wirtschafts- und sozialpolitische Grauslichkeiten der ÖGB seine Solidarität mit den KollegInnen in Tschechien stützen kann, wurde nicht gemeldet. Der sozialpartnerschaftliche „echte Dialog“ mit den jeweiligen Regierungen bringt unter dem unsäglichen Lächeln von Christoph Leitl die Fortsetzung von Privatisierungen der öffentlichen Wirtschaftssektoren, Ausgliederungen und Tariferhöhungen. Nicht die Gewerkschaften, sondern die Ärzte kämpfen gegen Verschlechterungen im Gesundheitswesen. Pensions“reformen“ in Österreich werden mittelfristig nachweislich hunderttausende Menschen in die Armut treiben.
Die Idee von einer alternativen, sozialen Wirtschaftsform anstatt der neoliberalen Kapitaldiktatur könnte bald als verfassungsfeindlich, als strafbarer Hochverrat eingestuft werden. Die blauäugige Hoffnung einzelner GewerkschafterInnen, das irische Nein werde die soziale Dimension in der EU stärken, wird nur realisierbar sein, wenn der Widerstand gegen das rabiate internationale Kapital und seinen politischen Arm EU zur europäischen Massenaktion wird.
Hubert Schmiedbauer ist Journalist und wohnt in Graz