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Ausverkauf, Blendgranaten, Frust und Widerstand

  • Mittwoch, 25. Juni 2008 @ 13:28
Vida Von Werner Beier

Glasklar: Diese Regierung bereitet den Verkauf des noch in öffentlichem Eigentum stehenden Unternehmensbesitzes vor. Konkret geht es um die Bundesimmobilien, ÖBB Rail-Cargo und über die von der ÖIAG gehaltenen Anteile bei Verbund, Post, OMV, Telekom sowie die 39,8 Prozent der AUA, auf die sich gerade medial „eingeschossen“ wird. Wenn sich der Herr Vizekanzler Molterer und sein Regierungskumpan Faymann offen für die Privatisierung des ÖBB-Güterverkehrs aussprechen zeigt dies nur, wie neoliberal durchwoben die Österreichische Parlamentslandschaft inklusive Opposition doch ist. Mit großer Skepsis ist die Ablehnung dieser Pläne durch angebliche Privatisierungsgegner zu sehen. Wir erinnern an die stille Zustimmung von Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Belegschaftsvertretungen als die verstaatlichte Industrie und der staatliche Bankensektor zerschlagen und privatisiert wurden.

Wir erinnern an den ehemaligen Verstaatlichtenminister und ÖIAG-Chef Rudolf Streicher (SPÖ) und seine Aussage „Unser Katechismus ist das Aktien-recht“ und an Gusenbauers Sager von 2002 „Es wird keine Privatisierung rückgängig gemacht”! Auf den Punkt gebracht: Der erste rot/schwarze Ausverkauf und dann die hemmungslose schwarz/blau/orange Kahlschlagpolitik im öffentlichen und öffentlichkeitsnahen Sektor wird munter fortgesetzt. Erspart uns Eure Blendgranaten, denn eine bestimmende politische und gesellschaftliche Kraft die sich dieser Privatisierungsideologie ernsthaft entgegen stemmt, ist in Österreich nicht erkennbar.

Wenn dann auch noch Kollege Haberzettl von der Börsefähigkeit der ÖBB-Rail-Cargo schwadroniert, kommt mensch ins Grübeln. Als ob „Börsefähigkeit“ als Prinzip nicht die gleichen negativen Auswirkungen für Arbeitsplätze, Löhne, Sozialleistungen, Mitbestimmung, auf politische Gestaltungsmöglichkeiten und die Daseinsvorsorge der Menschen hätte als eine tatsächliche Notierung, die ja dann obendrein blitzschnell hergestellt wäre?

In diesem Zusammenhang an alle Achselzucker: Bekanntlich steht die ganze Palette der öffentlichen Dienste im weitesten Sinne – Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Nahverkehr, Energieversorgung, Spitäler, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsvorsorge, Pensionsversicherung usw. auf dem Speisezettel in- und ausländischer Investoren, die hier satte Dividenden herausholen wollen und spätestens dann wird es zu spät sein. Auch fürs Achselzucken! Die Gewerkschaftsführung setzt in diese Richtung zu wenig Signale, gibt sich mit kleinsten Erfolgen im Tagesgeschäft des Sozialpartner-Wischiwaschis zufrieden und verweigert erfolgreich die Hausaufgaben zu machen: Wo ist der Nachdruck hinter dem 1987 (!) gefassten Beschluss zur gesetzlichen 35-Stunden-Woche als Instrument der Umverteilung?

Waren die vergangenen schwachen Abschlüsse - von denen ohnehin nichts mehr spürbar ist - die versprochene offensive Lohnpolitik? War’s das schon und warum wird sich der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn so vehement verweigert? Ja, Eure Antwort ist bekannt: Es wird um die Kollektivvertragshoheit gefürchtet und gleichzeitig feiert Ihr die armseligen Tausend Euro Mindest - KV-Lohn als großartige Errungenschaft. Davon bleiben zwar nur ca. 820 Euro netto übrig und damit ist mensch trotz Vollarbeitszeit zwar noch immer an der offiziellen Armutsgrenze, aber das muss ja nicht so laut gesagt werden…

Wer wundert sich angesichts der Um- und Zustände noch über das angebliche „politische Desinteresse“ und wer kann es Jenen verdenken, die sich da frustriert zurücknehmen? Bekommen die Menschen nicht genau jene Politik die sie verdienen? Oder gilt nicht vielmehr die alte Devise des Gewerkschaftlichen Linksblock: Macht Euren Frust zu Widerstand

Werner Beier ist Betriebsrat der ÖBB in Wien und Stv. Vorsitzender des GLB sowie des GLB-Vida

Quelle: BZ-Betriebszeitung, 2/2008