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FSG gegen gesetzlichen Mindestlohn

  • Mittwoch, 28. Mai 2008 @ 19:58
Wien
AK-Präsident Tumpel sprach vor der 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer am 28. Mai 2008 das unter den Nägeln brennende Thema der Inflation an, die größten Anlass zur Sorge bietet. Gerade bei Nahrungsmitteln, Energie und Mieten – also bei lebensnotwendigen Ausgaben – sind die Preise besonders stark gestiegen, viele mit niedrigem bis mittlerem Einkommen können sich diese fast nicht mehr leisten. Kritik übte Tumpel an der von der Regierung eingesetzte „unabhängigen Wettbewerbsbehörde“, die nicht aktiv wird. Der AK-Präsident ging auch auf die aus seiner Sicht heuer akzeptablen Lohnerhöhungen ein, von denen jedoch nichts übrig bleibt. Die GLB-Anträge gegen die geplante Personalagentur bei Post und Telekom und für eine Stärkung des Europäischen Betriebsrates wurden mit großer Mehrheit angenommen. Obwohl ihr die Schieflage in der Verteilung bekannt ist, konnte sich die Mehrheitsfraktion FSG nicht dazu durchringen, dem GLB-Antrag auf ersatzlose Abschaffung der Stock Options zustimmen – er wurde zugewiesen. Wie auch GLB-Anträge zur Wiedereinführung der amtlichen Preisregelung für lebenswichtige Güter, zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und weitere fünf Anträge.

Ilse Fetik von den GPA-Frauen (FSG) sprach sich gegen den gesetzlichen Mindestlohn aus, da es eine hohe Kollektivvertragsdichte gibt und man in der Lage sei, über die KV-Verhandlungen für ausreichende Einkommen zu sorgen: „Das wird aber jene freuen, die für tausend Euro brutto oder knapp darüber arbeiten gehen müssen. Zudem hat der GLB nicht gefordert, die Kollektivverträge abzuschaffen – im Gegenteil: ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde unterstützt die Gewerkschaften bei den KV-Verhandlungen. Gerade Frauen arbeiten oft in Niedriglohnbranchen“, so GLB-AK-Rätin Beatrix Todter.

Die Anträge des GLB im Wortlaut:

Antrag 1: Wiedereinführung der amtlichen Preisregelung

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert von der Bundesregierung die Wiedereinführung der amtlichen Preisregelung für wichtige Grundnahrungsmittel, Wasser und Strom.
Begründung: Die sogenannte Liberalisierung und damit Freigabe der Preise für lebenswichtige Produkte hat den KonsumentInnen keinen Vorteil sondern massive Preissteigerungen gebracht, die in erster Linie den Konzernen höhere Gewinne bescheren. Gleichzeitig gibt es immer mehr, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, geschweige denn auf gesunde Ernährung achten können. Der Anteil jener, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können und denen daher das Abschalten der Stromversorgung droht, wächst. Eine amtliche Preisregelung dient daher der Binnennachfrage und bedeutet insbesondere eine echte und wirksame Entlastung von Haushalten mit geringen Einkommen.

Antrag 2: Gesetzlicher Mindestlohn

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro pro Stunde.

Begründung: Immer mehr Menschen können sich mit ihrem Einkommen das Leben kaum leisten, worauf u.a. die steigende Zahl an Sozialmärkten, aber auch die wachsende Zahl an Schuldnerberatungen hinweist. Auch wenn es künftig keinen Kollektivvertrag unter 1000 Euro brutto geben soll, ist auch das – nämlich ca. 820 Euro netto – zu wenig zum Leben, nicht zuletzt angesichts der massiven Preissteigerungen bei Gütern des täglichen Bedarfs. Davon abgesehen gibt es immer noch Berufe, die nicht von einem Kollektivvertrag erfasst sind. Gesetzliche Mindestlöhne gibt es bereits in zahlreichen Ländern der EU, beispielsweise in Luxemburg, Irland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien oder Belgien. Ein gesetzlicher Mindestlohn greift nicht in die Kollektivvertragsfähigkeit der Gewerkschaften ein, sondern stärkt diese bei Lohnverhandlungen.

Antrag 3: Ausgliederung Post und Telekom

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer lehnt die Ausgliederung von Personal der Post AG und der Telekom AG in eine Personalagentur ab und fordert den Verbleib im jeweiligen Unternehmen.
Begründung: Bis zu 2.500 Beschäftigte der Telekom AG und – nach der Vollliberalisierung der Post – auch 2.000 Beschäftigte der Post AG sollen nach den Plänen der Vorstände in eine Arbeitsagentur ausgegliedert werden. Jahrzehntelang waren die betroffenen Beamten gut genug um Gewinne für den Eigentümer zu erwirtschaften. Jetzt werden sie als überflüssiger Ballast abgeschoben, um aus dem verbleibenden Personal noch mehr Profit für die Aktionäre herauszupressen. Am Beispiel dieser Ausgliederung zeigt sich in aller Brutalität die Auswirkungen der Privatisierung von Post und Telekom. ÖIAG-Chef Peter Michaelis bestätigt dies mit dem Verweis auf den „Druck des Kapitalmarktes“. Die geplante Auslagerung von als überflüssig bezeichnetem Personal ist ein weiterer Schritt in der 1996 erfolgten Ausgliederung der damals noch einheitlichen Post aus dem Bundesbudget im Vollzug der EU-weiten Liberalisierungswelle.

Antrag 4: Gesundheitsreform

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer lehnt das von den Sozialpartnern vorgelegte Konzept für eine Gesundheitsreform ab.
Begründung: Ein von den Sozialpartnern als Regierungsvorlage erarbeitetes Konzept für eine Reform des Gesundheitswesens soll 600 Millionen Euro jährlich einsparen, angeblich ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Für eine nachhaltig gesicherte Finanzierung des Gesundheitswesens ist angesichts einer sinkenden Lohnquote und steigender Kapitalerträge eine Wertschöpfungsabgabe, nämlich die Bemessung der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung nicht nur nach der durch die Rationalisierung gerade in großen Unternehmen ausgedünnten Lohnsumme, sondern unter Einbeziehung weiterer wertschöpfender Aspekte unbedingt erforderlich. Gleichzeitig ist auch die Abschaffung der ständig umfangreicher werdenden Selbstbehalte notwendig, weil davon insbesondere chronisch Kranke und Menschen mit geringem Einkommen betroffen sind und im Krankheitsfall zusätzlich belastet werden. Ebenso muss klargestellt werden, dass die Versicherungsbeiträge allein die Finanzierung nicht sichern können und daher die Mitfinanzierung von Bund und Ländern unerlässlich ist, wobei die Pflichtversicherung erhalten werden muss und die verschiedentlich verlangte Umstellung auf eine Versicherungspflicht deren Nutznießer private Versicherer wären strikt abzulehnen ist. Schließlich geht es darum, die Selbstverwaltung der Sozialversicherungen – etwa durch die Wahl der Gremien durch die Versicherten statt einer paritätischen sozialpartnerschaftlichen Besetzung – zu stärken und nicht durch eine Zentralisierung zugunsten des Hauptverbandes abzubauen, wie dies im Sozialpartnerpaket vorgesehen ist. Solange diese Kriterien nicht erfüllt werden gehen alle Bestrebungen für eine integrierte Gesamtplanung und Steuerung der Gesundheits- und Pflegeversorgung und entsprechender Abstimmung von Vorsorge, ambulanter Versorgung durch niedergelassene Ärzte, Spitäler und Ambulanzen bis zur Rehabilitation und sozialer Nachsorgeeinrichtungen weitgehend ins Leere.

Antrag 5: Privatisierung ÖBB

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer lehnt jede Privatisierung der ÖBB ab und fordert einen Rückbau zu einem einheitlichen Unternehmen.
Begründung: Obwohl diesbezüglich nichts im Koalitionsabkommen steht, erklärte Vizekanzler Molterer kürzlich neuerlich, dass die Privatisierung des Güter- und Personenverkehrs „möglicherweise sogar früher als manche in der Bundesbahn das realisieren“ durchgeführt wird. Demonstrative Bekenntnisse zur „Börsefähigkeit“ der ÖBB durch Infrastrukturminister Faymann und sogar von führenden Gewerkschaftern leisten einer solchen Privatisierung Vorschub. Die jüngsten Personalrochaden bei den ÖBB und die Orientierung auf einen weiteren Personalabbau und das Bestreben für das Privatkapital interessante Bereiche der ÖBB (Rail Cargo) börsereif bzw. privatisierungsfähig zu machen setzen die Linie der Zerschlagung der ÖBB im Zuge einer EU-konformen Liberalisierung und Privatisierung fort, die mit der Ausgliederung der ÖBB aus dem Bundesbudget 1994 eingeleitet wurde.

Antrag 6: Stock-Options

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert die ersatzlose Abschaffung der Stock-Options.
Begründung: Stock-Options, also Vorzugsaktien für ManagerInnen bei Erreichen eines bestimmten Börsenkurses der firmeneigenen Aktien und damit ebenso wie vom Unternehmensgewinn abhängige Prämien, sind die Kehrseite für die vom Management betriebene Arbeitsplatzvernichtung und verstärkten Leistungsdruck, um im Interesse der AktionärInnen Maximalprofite zu erwirtschaften. Bezeichnend dabei ist, dass sich ManagerInnen dieses „Kopfgeld“ selber gestalten können. 2001 wurde unter dem Titel der Beseitigung von „Standortnachteilen“ eine Steuerbegünstigung für Manager-Aktien eingeführt, die faktisch eine Prämie für Arbeitsplatzvernichtung, Lohnraub, Sozialabbau und Leistungsdruck darstellt. Der an Unternehmensgewinne und Börsenkurse gekoppelte Anreiz erfolgt gegen die Interessen der Beschäftigten. Je höher die Dividenden, umso stärker der Zwang zur Arbeitsplatzvernichtung, Druck auf Löhne und Sozialleistungen, um noch mehr Leistung aus den Beschäftigten herauszuholen. Was in diesem Zusammenhang als „Standortfaktor“ bezeichnet wird, entspricht in keiner Weise den „Standortinteressen“ der Beschäftigten nach sicheren und sozial dem Leistungsniveau entsprechenden Arbeitsplätzen, sondern ausschließlich den Interessen von Kapital und Management.

Antrag 7: EU-weite soziale Mindeststandards

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer tritt für die Einführung EU-weiter sozialer Mindeststandards ein.
Begründung: Die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse schreitet in nahezu allen Ländern Europas voran. Besonders betroffen von Sozial- und Lohndumping sind Frauen und MigrantInnen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist die rasche Einführung europaweiter sozialer Mindeststandards notwendig.
Notwendig ist die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne oder die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tariflöhnen in kollektiven Vereinbarungen in allen europäischen Ländern. Dieser verbindliche gesetzliche Mindestlohn muss im Einklang mit der Sozialcharta der EU mindestens 60 Prozent des Durchschnittsverdienstes des jeweiligen Landes betragen.
Die gesetzliche Höchstarbeitszeit in der Woche darf 40 Stunden im Durchschnitt nicht überschreiten. Alle Arbeitszeitregelungen der EU sowie die nationalen Arbeitszeitregelungen müssen entsprechend geändert werden.
Notwendig ist ein Renteneintrittsalter von 60 Jahren. Nationale Regelungen die ein früheres Renteneintrittalter ermöglichen sind zu verteidigen. Alle Regelungen, die eine wie auch immer geartete Verlängerung der Lebensarbeitszeit beinhalten, abzulehnen. Angemessene öffentlich gesicherte Renten für alle müssen über der jeweiligen Armutsgrenze in jedem europäischen Land liegen.
Die Konzernstrategien kennen keine Ländergrenzen. Daher ist es erforderlich, die betriebliche Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten auf europäischer Ebene zu fördern. Europa-BetriebsrätInnen sind dazu ein geeignetes Mittel.
Das ungehinderte Streikrecht der Gewerkschaften, einschließlich des politischen Streiks und die freie Entfaltung unabhängiger Gewerkschaften sind in allen Ländern Europas zu gewährleisten.
Alle jungen Menschen in Europa brauchen das Recht auf eine Arbeit, die ihnen gute Lebensbedingungen und eine angemessene Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ermöglicht. Um dieses Ziel zu verwirklichen, brauchen junge Menschen die Möglichkeit, Zugang zu einem kostenlosen Studium in hoher Qualität oder zu einer Ausbildung.

Antrag 8: Kapitalverkehr und Niederlassungsfreiheit in der EU

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert eine Beschränkung von Kapitalverkehr und Niederlassungsfreiheit in der EU.
Begründung: Die entfesselten Finanzmärkte zerstören die Gesellschaften. Der Druck der AktionärInnen auf die Unternehmen und damit auf die Beschäftigten, um ihnen eine höhere Rentabilität abzupressen, begleitet von heftigen Krisen, führt zu Arbeitslosigkeit, Verelendung und zunehmende Ungleichheit. Seit zwanzig Jahren durchlaufen die Weltfinanzmärkte eine Krise nach der anderen: 1987 Börsenkrach, 1990 Immobilienkrise in den USA, Europa und Japan, 1994 Sturz der US-Staatsanleihen, 1998 weltweite Krise der Finanzmärkte, 2000-2002 Platzen der Internetblase, 2007-2008 Immobilienkrise. Die freie Zirkulation des Kapitals und die „Innovation“ der Finanzmärkte unterliegt keinerlei Einschränkung mehr, die Zentralbanken haben das Aufblähen der Spekulationsblasen zugelassen und müssen jetzt illiquide Banken und Spekulationsfonds retten. Deregulierung führt zwangsläufig zu Instabilität, daran können inhaltslose Aufrufe zu „Transparenz“ und moralischem Verhalten nichts ändern. Notwendig ist vielmehr die Grundfesten des Systems in Frage zu stellen und die Strukturen radikal zu verändern. Jegliche Veränderung innerhalb der Europäischen Union scheitert jedoch am unbegrenzten Schutz, den die EU-Verträge dem Finanzkapital gewähren. Der Artikel 56 des Lissabonner Vertrages untersagt jedwede Beschränkung des Kapitalflusses und ermöglicht so den ungehinderten Zugriff des Finanzkapitals auf die Gesellschaft. Die Niederlassungsfreiheit (Artikel 48) versetzt das Finanzkapital in die Lage, sich dort anzusiedeln, wo es die besten Bedingungen vorfindet. Diese Freiheit zur Profitmaximierung geht zwangsläufig auf Kosten der großen Mehrheit der Menschen.

Antrag 9: Negativsteuer

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert eine Anhebung der Negativsteuer zur Entlastung der niedrigsten Einkommensgruppen.
Begründung: Rund 2,5 Millionen Menschen haben ein so geringes Einkommen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen und daher auch von einer für die mittleren Einkommensgruppen höchst dringlichen Entlastung im Zuge einer Steuerreform nicht berücksichtigt werden. Gerade diese Einkommensgruppen sind aber durch die Teuerungen der letzten Monate besonders betroffen. Die Streichung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Geringverdiener bringt nur für einen Teil eine Entlastung, rund 1,2 Millionen Menschen wie etwa Lehrlinge, Arbeitslose und PensionistInnen sind davon ausgeschlossen. Eine Anhebung der Negativsteuer ist daher notwendig.

Antrag 10: Rückzahlung Arbeitslosenversicherung

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer unternimmt eine umfassende Informationskampagne, damit alle Betroffenen die Rückzahlung zuviel bezahlter Arbeitslosenversicherung erhalten.
Begründung: Von 2004 bis 2006 haben Männer über 56 Jahren zu viel Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wurden ab 2004 Frauen ab 56 und Männer ab 58 Jahren von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen. Diese Entscheidung wurde jedoch als gleichheits- und EU-widrig aufgehoben und rückwirkend auch Männer ab 56 Jahren von der Arbeitslosenversicherung befreit. Wer damals schon 56 war und Beiträge bezahlt hat, kann um Rückerstattung ansuchen und erhält bis zu 1.260 Euro zurück. Ein großer Teil der Betroffenen hat jedoch aus Unkenntnis bzw. durch mangelnde Information bislang keine entsprechenden Anträge gestellt und diese Rückzahlung nicht erhalten.

Antrag 11: Europäischer Betriebsrat

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer fordert eine rasche Überarbeitung der Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat.
Begründung: Die schon 1999 geplante Überarbeitung der seit 1994 bestehenden Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat erfolgte bis heute nicht. Zwar wurde dieses Vorhaben in das Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 aufgenommen, die Sozialpartner konnten jedoch keine Einigung erzielen. Bereits 1994 haben die Arbeitgeberverbände versucht, die Richtlinie hinauszuzögern. Nachdem es in den letzten Jahren mehrfach Betriebsverlagerungen ohne ausreichende Konsultation der Gewerkschaften gegeben hat, ist es nun dringend an der Zeit, das Verfahren der Unterrichtung und Anhörung der ArbeitnehmerInnen zu stärken. Nach Einschätzung der Unternehmensseite hat die EBR-RL zu einer wesentlichen Verbesserung des internen Dialogs und der Unternehmenskultur geführt. Sehr entscheidend ist auch, dass durch die Abstimmung mit der ArbeitnehmerInnenvertretung Entscheidungsprozesse nicht verlangsamt, sondern Konfliktpotenziale ausgeräumt werden konnten. In gut funktionierenden Körperschaften wurden praktikable Problemlösungen gefunden. Leider gibt es in nur einem Drittel der in Frage kommenden Unternehmen einen Europäischen Betriebsrat. Es gibt heute 850 Europäische BetriebsrätInnen mit 12.000 Mitgliedern. In vielen Fällen wird die Einrichtung einer europäischen ArbeitnehmerInnenvertretung immer noch verhindert und ist das Anhörungsrecht, die Informationspflicht und die Konsultationspflicht zu gering. Statt wie bisher ab 1.000 Mitarbeitern eines Unternehmens an mindestens zwei Standorten in zwei Mitgliedsländern müsste ein EBR schon ab 500 Beschäftigten möglich sein. Notwendig ist auch eine verbesserte Fortbildung für BetriebsrätInnen, die Einbeziehung externer ExpertInnen und das Recht auf mindestens zwei Sitzungen pro Jahr, sowie ausreichende Sanktionen bei Verstößen gegen die Richtlinie.

Antrag 12: Rückzahlung Getränkesteuer

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer lehnt eine Rückzahlung von Getränkesteuer an den Handel ab und fordert, dass die davon betroffene Summe von 30 Millionen Euro den Gemeinden verbleibt.
Begründung: Entsprechend einer Einigung zwischen dem Handel und dem Städte- und Gemeindebund müssen die Gemeinden rund 30 Millionen zwischen dem EU-Beitritt 1995 und der Aufhebung im März 2000 bezahlte und vor dem EU-Beitritt vom damaligen Finanzminister Lacina für EU-konform erklärte Getränkesteuer für alkoholische Getränke an den Handel zurückzahlen. Diese Steuer wurde jedoch vom Handel auf den Preis überwälzt und von den KonsumentInnen bezahlt, eine Rückzahlung stellt daher faktisch einen Betrug an den KonsumentInnen und einen Extraprofit vor allem für die großen Handelsketten dar und belastet die finanzschwachen Gemeinden zusätzlich.

Antrag 13: Gewerkschaftliche Rechte

Die 148. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer weist Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes gegen gewerkschaftliche Rechte ab und tritt für deren Vorrang vor Standortinteressen der Unternehmen ein.
Begründung: Jüngste Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wie in den Fällen Viking (Finnland), Laval (Schweden) oder Rüffert (Deutschland) stellen einen massiven Angriff auf Grundrechte der ArbeitnehmerInnen dar. Entsprechend diesen Urteilen dürfen geltende Kollektivverträge EU-weit unterlaufen werden, wenn Unternehmen ihren Firmensitz in einem Billiglohnland der EU haben. Öffentliche Aufträge dürfen nicht an die Einhaltung der Kollektivverträge gebunden werden. Gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen wie z.B. Streiks zur Verteidigung dieser ArbeitnehmerInneninteressen werden vom EuGH für unzulässig erklärt. Hintergrund dieser EuGH-Entscheidungen ist der im EU-Grundlagenvertrag festgeschriebene „freie EU-Binnenmarkt“ sowie die Verpflichtung aller EU-Staaten auf eine „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, die durch den EU-Reformvertrag einzementiert werden. Mit diesen EuGH-Entscheidungen droht ein Dammbruch in Richtung Lohnsenkung und Abbau demokratischer Rechte.