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Zerknüllt und in die Ecke geworfen

  • Mittwoch, 9. April 2008 @ 09:33
GPF Von Ingo Riß

Robert Hobek ist Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses (Betriebsrat) der Post-Zustellbasis in Wien Liesing. Hobek ist bekannt dafür, als streitbarer Personalvertreter mit ihm eigener Vehemenz zu agieren. So tat er es auch im August 2004, als er von einem Briefzusteller seiner Dienststelle zu einem Disziplinargespräch mit der Dienststellenleitung zugezogen wurde. Im Zuge dieses Disziplinargespräches wurde jenem Arbeitskollegen eine Sachverhaltsdarstellung vorgelegt, mit dem Ansinnen, dieses zu unterschreiben.

Der Betroffene bezeichnete die Darstellung aber als unrichtig. Hobek nun – erkennbar entrüstet über den Inhalt – zerknüllte das Papier der Dienststellenleitung und warf es in die Ecke. Soweit das erste „Faktum“.

Im Oktober des Jahres 2004 wurde Hobek wieder für seine Belegschaft in einer Weise aktiv, die der Dienststellenleitung missfiel. Frühmorgens, als die Briefzusteller in der Zustellbasis mit dem Sortieren der Briefsendungen befasst waren, griff Hobek zum Hallenmikrofon und machte eine Durchsage, über deren Inhalt sich im weiteren die Geister scheiden. Während Hobek sich daran erinnert, eine Durchsage zur Information der Belegschaft gemacht zu haben, geht die Dienststellenleitung von einem „Ausruf des letzten Absammeldurchganges“ aus, was diesfalls eine dienstliche Anordnung wäre und unbestritten nicht in die Zuständigkeit Hobeks fiele.

Disziplinarverfahren gegen Hobek?

Robert Hobek ist an seiner Dienststelle beliebt, erzielte er doch bei den Personalvertretungswahlen zuletzt gar die absolute Mehrheit und alle Mandate. Weniger beliebt scheint er dagegen bei der Dienststellenleitung zu sein, die nun alles daran setzt, ihm den Disziplinarprozess zu machen.

Das Bundes-Personalvertretungsgesetz schließt allerdings ein disziplinarrechtliches Vorgehen gegen ein Mitglied des Vertrauenspersonenausschusses aus. Nur wenn der Vertrauenspersonenausschuss selbst erklärt, dass die inkriminierte Handlung nicht in Ausübung des Personalvertretungsmandats gesetzt wurde, ist eine disziplinäre Verfolgung möglich. Der Vertrauenspersonenausschuss erklärte nun, dass beide genannte Handlungen von seinem Obmann in Ausübung des Mandats gesetzt worden seien. Eine derartige Stellungnahme unterliegt allerdings der gerichtlichen Überprüfbarkeit.

Die Klage der Post AG

Die Post AG brachte somit gegen den Vertrauenspersonenausschuss Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein. Die Klage begehrte die gerichtliche Feststellung, dass einerseits das Zerknüllen und Wegwerfen der Sachverhaltsdarstellung und andererseits das Ausrufen des „letzten Absammelgangs“ jeweils nicht in Ausübung des Mandates erfolgt seien, um solcherart den Weg für ein Disziplinarverfahren gegen Hobek frei zu machen.

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien in erster Instanz gab der Klage der Post AG statt. Robert Hobek habe die ihm vorgeworfenen Handlungen nicht in Ausübung des Mandats gesetzt.

Der Vertrauenspersonenausschuss erhob gegen dieses Urteil Berufung an das Oberlandesgericht Wien - und war erfolgreich. Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil betreffend „Zerknüllen und Wegwerfen einer Niederschrift“ und wies die Klage der Post AG diesbezüglich ab. In Bezug auf den Vorwurf des „Durchsagens des letzten Absammelganges“ hob es das Urteil auf und übertrug dem Erstgericht die Klärung, ob Robert Hobek mit dem Hallenmikrofon den „letzten Absammelgang“ ausgerufen oder, wie vom Vertrauenspersonenausschuss vorgebracht, eine Mitteilung an die Belegschaft durchgegeben hat. Gegen das Berufungsurteil richtete nun die Post AG Revision an den Obersten Gerichtshof.

OGH: „Non-verbale Unmutsäußerung in Ausübung des Mandats“

Die oberstgerichtliche Entscheidung liegt nun vor und stellt für den Vertrauenspersonenausschuss der Zustellbasis Liesing und für Robert Hobek einen bedeutenden Teilerfolg dar.

Das Zerknüllen und Wegwerfen der Sachverhaltsdarstellung im Zuge eines Disziplinargesprächs mit einem Briefzusteller, zu dem der Obmann des Vertrauenspersonenausschusses beigezogen worden war, ist nach der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes („gerade noch“) im Sinn einer non-verbalen Unmutsäußerung im Zusammenhang mit der (vermeintlichen) Wahrung der Interessen des mit Vorwürfen konfrontierten Dienstnehmers zu sehen und somit „in Ausübung des Mandats“ erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof führt hiezu aus, dass die Funktion als Personalvertreter über den Wortlaut des Personalvertretungsgesetzes hinausgeht. Entscheidend ist, so der OGH, ob die Personalvertretertätigkeit im Sinn der Vertretung der Interessen der Bediensteten gegenüber dem Dienstgeber zu werten ist. Es liegt, so der OGH, im Wesen der in § 28 Personalvertretungsgesetz den Personalvertretern eingeräumten echten beruflichen Immunität, dass auch gewisse Pflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben haben, wenn sie in Ausübung der Funktion als Personalvertreter erfolgten.

In diesem nun rechtskräftig oberstgerichtlich beendeten Verfahren wurde somit hinlänglich klargestellt, dass der Maßstab für die Beurteilung einer Personalvertreterhandlung nicht sein kann, ob es sich hiebei um ein in der Situation angebrachtes Verhalten darstellt. Würde eine solche Beurteilung zum Maßstab erhoben, läge es alleine in der Beurteilung des jeweiligen Dienstgebers, eine Handlung des Personalvertreters als ungehöriges Benehmen zu beurteilen und auf diese Weise den Personalvertreter um seine disziplinäre Immunität zu bringen. Mit anderen Worten: Belegschaftsvertreter dürfen für ihre Belegschaft schon mal auf den Tisch hauen.

Im Weiteren formal-hypothetisch

Was das zweite inkriminierte Faktum, das „Ausrufen des letzten Absammelganges“ über die Hallensprechanlage betrifft, so wurde dem Revisionsrekurs der Post AG Folge gegeben und die Durchsage als nicht in Ausübung des Mandats erfolgt bewertet. Der Oberste Gerichtshof betont hiezu allerdings, dass es sich hiebei um eine quasi hypothetische Annahme handelt: Gesetzt den Fall, Hobek hat den „letzten Absammelgang“ ausgerufen und solcherart unmittelbar in das betriebliche Geschehen eingegriffen, dann erfolgte dies nicht in Ausübung des Personalvertretermandats. Gesetzt den Fall.

Der OGH hält dazu fest, dass die Gerichte allerdings nicht zu prüfen haben, ob der Personalvertreter die ihm vorgeworfene Handlung oder Äußerung überhaupt gesetzt hat. Eine inhaltliche Prüfung dahingehend, ob das Personalvertretungsorgan das ihm vorgeworfene Verhalten oder - wie hier - den Wortlaut auch tatsächlich getätigt hat, ist dem Gericht verwehrt. Der konkrete Inhalt der Durchsage müsse daher erst in einem - in die Hoheit des Dienstgebers fallenden - Disziplinarverfahren geklärt werden. Die Post AG erhielt sohin in diesem Punkt auf eine formal-hypothetische Weise Recht.

Ingo Riß ist Rechtsanwalt in Wien und Vertreter des Vertrauenspersonenausschusses der Zustellbasis Liesing im Verfahren