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Soziale Mindeststandards in Europa

  • Montag, 7. April 2008 @ 10:19
Meinung Von Karin Antlanger

Unter diesem Schwerpunktthema fand Anfang Februar in Wien das nunmehr 3. Netzwerktreffen der GewerkschafterInnen in und bei der Europäischen Linkspartei statt. Dabei stand die Frage einer grundsätzlichen Positionierung zum Thema „gesetzlicher Mindestlohn in Europa“ im Mittelpunkt der Diskussion, da der Vorstand der ELP die Erarbeitung einer solchen Positionierung dem Netzwerk übertragen hatte. Zu Beginn stellten die Gewerkschafts-VertreterInnen der verschiedenen Linksparteien die Situation in ihren Ländern dar und skizzierten auch die Richtung, in die sich ihre Parteien im Hinblick auf das Thema bewegen.

ÖGB hält an alten Modellen fest

In Österreich sieht die derzeitige Koalition in ihrem Regierungsübereinkommen einen Mindestlohn von tausend Euro vor, der jedoch nicht per Gesetz sondern bei den Lohnverhandlungen über Kollektivverträge durchgesetzt werden soll.

Tausend Euro – das sind 5,68 Euro pro Stunde brutto bzw. etwa 820 Euro netto pro Monat! Ein solcher Mindestlohn liegt somit unter der Armutsgrenze. Das Regierungspapier schreibt also „working-poor“ fest und erhält dabei noch indirekte Schützenhilfe von den österreichischen Gewerkschaften, die keinen gesetzlichen Mindestlohn wollen, weil sie dies als Eingriff in die Tarifautonomie betrachten. Dass es eine ganze Reihe von Dienstverhältnissen gibt, die nicht durch die mit den Gewerkschaften verhandelten Kollektivverträge erfasst werden, ist den ÖGB-FunktionärInnen zwar bewusst – aber das war`s schon auch.

Die österreichischen KommunistInnen fordern einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und verweisen auf existierende gesetzliche Mindestlöhne in vergleichbaren europäischen Ländern wie Luxemburg, Irland, Frankreich, Niederlande, Großbritannien und Belgien. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde auch die Position der Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen stärken.

Berechnungsformel gegen „working poor“: Als Berechnungsformel für die Höhe wurde von österreichischer Seite vorgeschlagen: die nationale offizielle Armutsgrenze plus 50 % und dies in Verbindung mit einer Sozialversicherungspflicht für ausnahmslos alle Beschäftigungsverhältnisse.

Heißes Eisen gesetzlicher Mindestlohn

Doch gleich am ersten Nachmittag eskalierte die Diskussion im Ringen um eine gemeinsame Stellungnahme zu diesem Thema: die italienischen Teilnehmer drohten damit, das Netzwerktreffen unter Protest zu verlassen, sollten die TeilnehmerInnen eine Resolution für gesetzliche Mindestlöhne in Europa beschließen.

Nach einer scharfen und offenen Diskussion (hart aber herzlich) gelang schlussendlich doch eine Einigung auf einen gemeinsamen Standpunkt. Hier ein kleiner Auszug aus dieser einstimmig beschlossenen Resolution:

Wir sind für die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne oder für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tariflöhnen in kollektiven Vereinbarungen in allen europäischen Ländern. Dieser verbindliche gesetzliche Mindestlohn muss im Einklang mit der Sozialcharta der EU mindestens 60 % des Durchschnittsverdienstes des jeweiligen Landes betragen, auch für Migrantinnen und Migranten sowie sogenannte Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter.

Wir kämpfen für Mindestlöhne, die deutlich über der jeweiligen Armutsgrenze in jedem EU-Land liegen.

Mindestlöhne garantieren allen Arbeiterinnen und Arbeitern ein Leben in Würde. Sie haben einen starken sozialpolitischen Aspekt, sie sichern das Recht auf hohe Qualitätsstandards in Bildung, öffentlichem Gesundheitsdienst und anderen sozialen Dienstleistungen.