Phantasiegebilde Normkosten
- Donnerstag, 3. April 2008 @ 08:05
Von Thomas Erlach
Nach wie vor sollen 930 MitarbeiterInnen bei EXIT-sozial und Pro Mente änderungsgekündigt werden. Obwohl nach massiven Protesten der Belegschaften die Sozialabteilung des Landes Oberösterreich eine dreimonatige Nachdenkpause ausgerufen hat sind die Arbeitgeber – in unterschiedlicher Härte – weiter dabei die Verschlechterungen voranzutreiben. So droht Pro Mente offen MitarbeiterInnen nie wieder im Betrieb zu beschäftigten, wenn sie die Änderungsvereinbarungen nicht unterschreiben. Es geht also weiterhin darum, eine ganze Generation von MitarbeiterInnen zu entsorgen, weil sie, gemäß dem sogenannten Normkostenmodell des Landes, zu teuer sind. Das Normkostenmodell diskriminiert ältere, langjährige MitarbeiterInnen, da ihr Gehalt über dem finanzierten Durchschnitt liegt, und jene Vereine werden finanziell besser dastehen, die weniger Personal über dem genormten Maß beschäftigen. Weiters weigert sich der Geldgeber die Schmutz- und Erschwerniszulage zu finanzieren. Als Argument wird angeführt, dass die Erschwernis, die ja Teil der Arbeit ist, schon mit dem Grundgehalt abgegolten ist. Seltsamerweise werden aber in den sozialpsychiatrischen Einrichtungen des Landes, neben der Erschwerniszulage noch viele andere Zulagen ausbezahlt, die den MitarbeiterInnen der Sozialvereine bisher noch unbekannt waren.
„Normkosten“ sind ein Synonym für „Sollkosten“. Hinter diesem Begriff, der den Anschein von Fachlichkeit und Wissenschaftlichkeit erwecken soll, verbergen sich aber einfach gesagt, nur die Kostenvorgaben der Sozialabteilung. Dass die Mittel, die in Zukunft für den Sozialbereich in Oberösterreich ausgegeben werden sollen, so deutlich hinter dem tatsächlichen Aufwand der Sozialvereine liegen, ist zum Einen ein weiteres Zeichen für einen Grundsatz, der in den letzten Jahren die Vereine finanziell an die Wand gespielt hat. Nämlich, die Annahme der Sozialabteilung, dass grundsätzlich immer Einsparungen im Umfang von 20 Prozent möglich sind. Zum Anderen liegt das Normkostenmodell so weit neben der Realität, wegen der konsequenten Vermeidung von Kommunikation zwischen den Organisationen und dem Land Oberösterreich.
Wenn man die Entstehungsgeschichte des Normkostenmodells betrachtet, fällt zuerst auf, dass die Vereine dem Land und der beigezogenen Beratungsfirma eine Unmenge von Daten abliefern mussten. Es mag beinahe schikanös anmuten, wenn mehrmals monatlich vollkommen unterschiedliche Zahlen und Berechnungen verlangt werden. Vor allem, wenn im Verborgenen bleibt, was mit diesen Zahlen eigentlich berechnet werden soll. Laut Angaben von Beratungsprofis, macht so eine seltsame Vorgehensweise nur bei unklaren Auftragsinhalten einen Sinn. Da die BeraterInnen nicht genau wissen, was sie eigentlich wie berechnen sollen, verlangen sie viele unterschiedliche Berechnungen. Diese Berechnungen werden erfahrungsgemäß großteils schubladiert. Während die betroffenen Geschäftsführungen mit Rechnen beschäftigt sind, erfolgen die Entscheidungen dann meistens nach anderen Kriterien.
Bei einer genaueren Analyse des Prozesses, stellt sich als erstes Problem heraus, dass Auftraggeber einer etwaigen Strukturanpassung zwecks Kostenoptimierung, und die betroffenen Organisationen nicht identisch sind. Gerade bei solch einer zusätzlichen Komplizierung der Ausgangssituation ist eine offene und lückenlose Kommunikation zwischen allen Beteiligten für die Qualität des Ergebnisses besonders wichtig. Üblicherweise wird dafür ein Steuerungskreis installiert, indem alle Beteiligten gemeinsam und auf selber Augenhöhe festlegen, welche Zahlen ermittelt werden und für welche Inhalte sie stehen.
Im gegebenen Fall sieht es aber eher so aus, als wollte die Landesregierung unter Zuhilfenahme einer Beraterfirma den Sozialbereich umstrukturieren. Aber möglichst ohne Beteiligung der Betroffenen. Wobei erschwerend hinzukommt, dass die Sozialabteilung bisher vermieden hat, sich damit auseinander zu setzten, was eigentlich die Qualität unserer Arbeit ausmacht. Von Seiten der Berater wurde ein kurzer Versuch unternommen, sich mit der Fachlichkeit der sozialen Arbeit vertraut zu machen. Wegen zu knapper zeitlicher Ressourcen wurde der Versuch von Beraterseite abgebrochen.
Daraus ergibt sich das nächste Problem. In Ermangelung von fachlichen qualitativen Kriterien wird die Sozialarbeit ausschließlich nach quantitativ messbaren Kriterien dargestellt. Unsere Arbeit wird jetzt mit dem Rechenstift beschrieben, was natürlich ein Paradoxon an und für sich ist, da die Inhalte unserer Arbeit hauptsächlich qualitativ zu beschreiben sind. Da man es konsequent vermeidet, in einen tatsächlichen Dialog mit den ProfessionistInnen zu kommen, wird die soziale Arbeit von Menschen verändert, die nichts von ihr verstehen. Wie wir gehört haben, wird aber über diese Veränderungen verhandelt.
Diese sogenannten Verhandlungen zwischen der Sozialabteilung und den Arbeitgebern verdienen aber eigentlich ihren Namen nicht. Viel verhandelt wird da nicht. Vielmehr handelt es sich dabei um einen Rapport der Geschäftsführungen und einseitige Willenserklärungen der BeamtInnen. Den Eindruck, dass hier wirkliches Interesse an den Standpunkten der Organisationen besteht, ist auf Seite der Betriebsräte bisher nicht entstanden.
Vielmehr befinden wir uns in dem Dilemma, dass unter Ausklammerung der Fachlichkeit, und Vermeidung jeglichen Dialoges, der Sozialbereich mit dem Rechenstift zurechtgestutzt wird. Die Kostenvorstellungen der Landesregierung wurden, unter Ausklammerung der Auswirkungen auf die betroffenen Menschen und der zukünftigen Folgen für die Qualität sozialer Arbeit, in eine nach Außen hin schöne, aber innen hohle Form gebracht Somit ist das Normkostenmodell, als unprofessionelles Phantasiegebilde, mit aller Kraft abzulehnen.
Nach dem intensiven Protest der Belegschaften raffen sich die Arbeitgeber jetzt auch zu ersten zarten Protestversuchen gegenüber dem Geldgeber auf. Bisher haben sie ja eher damit geglänzt, als Erfüllungsgehilfen einer maßlosen Ökonomisierung den Druck der Landesregierung unvermindert auf die Belegschaften zu übertragen. Wir BetriebsrätInnen fordern die Geschäftsführungen auf, jetzt endlich aktiv zu werden und dafür zu sorgen, dass sie vom Geldgeber mit ihren Anliegen ernst genommen werden. Diesen Part haben bis jetzt die Belegschaften für sie übernehmen müssen.
Die Landesregierung fordern wir BetriebsrätInnen auf, endlich einen wirklichen Dialog mit den ProfessionistInnen zu beginnen und nicht Politik über die Köpfe der betroffenen Menschen hinweg zu machen. Weiters fordern wir, vom Normkostenmodell wegen erheblicher qualitativer Mängel mit sofortiger Wirkung abzurücken.
Thomas Erlach ist Sozialarbeiter und Stv. BRV von EXIT-sozial Linz
Nach wie vor sollen 930 MitarbeiterInnen bei EXIT-sozial und Pro Mente änderungsgekündigt werden. Obwohl nach massiven Protesten der Belegschaften die Sozialabteilung des Landes Oberösterreich eine dreimonatige Nachdenkpause ausgerufen hat sind die Arbeitgeber – in unterschiedlicher Härte – weiter dabei die Verschlechterungen voranzutreiben. So droht Pro Mente offen MitarbeiterInnen nie wieder im Betrieb zu beschäftigten, wenn sie die Änderungsvereinbarungen nicht unterschreiben. Es geht also weiterhin darum, eine ganze Generation von MitarbeiterInnen zu entsorgen, weil sie, gemäß dem sogenannten Normkostenmodell des Landes, zu teuer sind. Das Normkostenmodell diskriminiert ältere, langjährige MitarbeiterInnen, da ihr Gehalt über dem finanzierten Durchschnitt liegt, und jene Vereine werden finanziell besser dastehen, die weniger Personal über dem genormten Maß beschäftigen. Weiters weigert sich der Geldgeber die Schmutz- und Erschwerniszulage zu finanzieren. Als Argument wird angeführt, dass die Erschwernis, die ja Teil der Arbeit ist, schon mit dem Grundgehalt abgegolten ist. Seltsamerweise werden aber in den sozialpsychiatrischen Einrichtungen des Landes, neben der Erschwerniszulage noch viele andere Zulagen ausbezahlt, die den MitarbeiterInnen der Sozialvereine bisher noch unbekannt waren.
„Normkosten“ sind ein Synonym für „Sollkosten“. Hinter diesem Begriff, der den Anschein von Fachlichkeit und Wissenschaftlichkeit erwecken soll, verbergen sich aber einfach gesagt, nur die Kostenvorgaben der Sozialabteilung. Dass die Mittel, die in Zukunft für den Sozialbereich in Oberösterreich ausgegeben werden sollen, so deutlich hinter dem tatsächlichen Aufwand der Sozialvereine liegen, ist zum Einen ein weiteres Zeichen für einen Grundsatz, der in den letzten Jahren die Vereine finanziell an die Wand gespielt hat. Nämlich, die Annahme der Sozialabteilung, dass grundsätzlich immer Einsparungen im Umfang von 20 Prozent möglich sind. Zum Anderen liegt das Normkostenmodell so weit neben der Realität, wegen der konsequenten Vermeidung von Kommunikation zwischen den Organisationen und dem Land Oberösterreich.
Wenn man die Entstehungsgeschichte des Normkostenmodells betrachtet, fällt zuerst auf, dass die Vereine dem Land und der beigezogenen Beratungsfirma eine Unmenge von Daten abliefern mussten. Es mag beinahe schikanös anmuten, wenn mehrmals monatlich vollkommen unterschiedliche Zahlen und Berechnungen verlangt werden. Vor allem, wenn im Verborgenen bleibt, was mit diesen Zahlen eigentlich berechnet werden soll. Laut Angaben von Beratungsprofis, macht so eine seltsame Vorgehensweise nur bei unklaren Auftragsinhalten einen Sinn. Da die BeraterInnen nicht genau wissen, was sie eigentlich wie berechnen sollen, verlangen sie viele unterschiedliche Berechnungen. Diese Berechnungen werden erfahrungsgemäß großteils schubladiert. Während die betroffenen Geschäftsführungen mit Rechnen beschäftigt sind, erfolgen die Entscheidungen dann meistens nach anderen Kriterien.
Bei einer genaueren Analyse des Prozesses, stellt sich als erstes Problem heraus, dass Auftraggeber einer etwaigen Strukturanpassung zwecks Kostenoptimierung, und die betroffenen Organisationen nicht identisch sind. Gerade bei solch einer zusätzlichen Komplizierung der Ausgangssituation ist eine offene und lückenlose Kommunikation zwischen allen Beteiligten für die Qualität des Ergebnisses besonders wichtig. Üblicherweise wird dafür ein Steuerungskreis installiert, indem alle Beteiligten gemeinsam und auf selber Augenhöhe festlegen, welche Zahlen ermittelt werden und für welche Inhalte sie stehen.
Im gegebenen Fall sieht es aber eher so aus, als wollte die Landesregierung unter Zuhilfenahme einer Beraterfirma den Sozialbereich umstrukturieren. Aber möglichst ohne Beteiligung der Betroffenen. Wobei erschwerend hinzukommt, dass die Sozialabteilung bisher vermieden hat, sich damit auseinander zu setzten, was eigentlich die Qualität unserer Arbeit ausmacht. Von Seiten der Berater wurde ein kurzer Versuch unternommen, sich mit der Fachlichkeit der sozialen Arbeit vertraut zu machen. Wegen zu knapper zeitlicher Ressourcen wurde der Versuch von Beraterseite abgebrochen.
Daraus ergibt sich das nächste Problem. In Ermangelung von fachlichen qualitativen Kriterien wird die Sozialarbeit ausschließlich nach quantitativ messbaren Kriterien dargestellt. Unsere Arbeit wird jetzt mit dem Rechenstift beschrieben, was natürlich ein Paradoxon an und für sich ist, da die Inhalte unserer Arbeit hauptsächlich qualitativ zu beschreiben sind. Da man es konsequent vermeidet, in einen tatsächlichen Dialog mit den ProfessionistInnen zu kommen, wird die soziale Arbeit von Menschen verändert, die nichts von ihr verstehen. Wie wir gehört haben, wird aber über diese Veränderungen verhandelt.
Diese sogenannten Verhandlungen zwischen der Sozialabteilung und den Arbeitgebern verdienen aber eigentlich ihren Namen nicht. Viel verhandelt wird da nicht. Vielmehr handelt es sich dabei um einen Rapport der Geschäftsführungen und einseitige Willenserklärungen der BeamtInnen. Den Eindruck, dass hier wirkliches Interesse an den Standpunkten der Organisationen besteht, ist auf Seite der Betriebsräte bisher nicht entstanden.
Vielmehr befinden wir uns in dem Dilemma, dass unter Ausklammerung der Fachlichkeit, und Vermeidung jeglichen Dialoges, der Sozialbereich mit dem Rechenstift zurechtgestutzt wird. Die Kostenvorstellungen der Landesregierung wurden, unter Ausklammerung der Auswirkungen auf die betroffenen Menschen und der zukünftigen Folgen für die Qualität sozialer Arbeit, in eine nach Außen hin schöne, aber innen hohle Form gebracht Somit ist das Normkostenmodell, als unprofessionelles Phantasiegebilde, mit aller Kraft abzulehnen.
Nach dem intensiven Protest der Belegschaften raffen sich die Arbeitgeber jetzt auch zu ersten zarten Protestversuchen gegenüber dem Geldgeber auf. Bisher haben sie ja eher damit geglänzt, als Erfüllungsgehilfen einer maßlosen Ökonomisierung den Druck der Landesregierung unvermindert auf die Belegschaften zu übertragen. Wir BetriebsrätInnen fordern die Geschäftsführungen auf, jetzt endlich aktiv zu werden und dafür zu sorgen, dass sie vom Geldgeber mit ihren Anliegen ernst genommen werden. Diesen Part haben bis jetzt die Belegschaften für sie übernehmen müssen.
Die Landesregierung fordern wir BetriebsrätInnen auf, endlich einen wirklichen Dialog mit den ProfessionistInnen zu beginnen und nicht Politik über die Köpfe der betroffenen Menschen hinweg zu machen. Weiters fordern wir, vom Normkostenmodell wegen erheblicher qualitativer Mängel mit sofortiger Wirkung abzurücken.
Thomas Erlach ist Sozialarbeiter und Stv. BRV von EXIT-sozial Linz