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Soziale Effizienz

  • Sonntag, 10. Februar 2008 @ 20:58
OÖ Von Thomas Erlach

Der Sozialbereich ist von der Ökonomisierungswelle voll erfasst worden. Unser soziales Netz wird in einen Markt verwandelt, an dem sich Firmen bereichern können. Um dies umsetzen zu können, nehmen die Landesregierungen die Gestaltungsmacht der Angebote an sich. Zurzeit erleben wir eine Vereinheitlichung der Angebote, über alle Organisationen hinweg, auf niedrigstem Niveau, und unter der großen Prämisse: „Hauptsache es ist billiger“. Seit Jahren sind die Budgets der Sozialvereine gedeckelt. Jährlich wird von den Landesregierungen gefordert, dieselbe Leistung, mit weniger Ressourcen zu erbringen. Effizienzsteigerung ist das Zauberwort. Dadurch soll es angeblich möglich sein, immer mehr Leistung mit immer weniger Mitteln zu erzielen. Die Effizienzidee kommt ja aus der industriellen Produktion. Was heißt dieses Prinzip aber, wenn es auf den Sozialbereich umgelegt wird? Nehmen wir als erstes Beispiel eine Maschine die Schrauben produziert.

Hier bedeutet Effizienzsteigerung zuerst einmal die Produktionsgeschwindigkeit zu erhöhen. Dadurch bekomme ich mehr Schrauben. Aber die Geschwindigkeit ist nicht das einzige wichtige Kriterium. Eine Erhöhung der Geschwindigkeit, bedeutet immer auch mehr Ausschuss. Das heißt, es gibt eine zunehmende Anzahl von Schrauben, die fehlerhaft sind. Aber auch die Abnützung der Maschinen steigt mit zunehmender Geschwindigkeit. Eine Effizienzsteigerung in der Produktion wird immer auch in der Relation zum Zeitwert der Maschinen und zum Preis der Reparaturen gesetzt. Für eine seriöse Effizienzrechnung ist die Berücksichtigung des Wertes der Produktionsmittel unerlässlich.

Was bedeutet das für den Sozialbereich. Von Jahr zu Jahr wird mehr Tempo verlangt. Immer mehr KlientInnen müssen in immer kürzerer Zeit durch die Einrichtungen geschleust werden. Wenn im Sozialbereich Ausschuss produziert wird, dann sind es nicht Schrauben, die weggeworfen werden, sondern menschliche Existenzen. Der Druck die von der Landesregierung vorgegebenen Zahlen zu erreichen, wird immer größer. Es wird den MitarbeiterInnen klar gemacht, dass die rausfliegen, die nicht die geforderten Zahlen erreichen.

Die Geschwindigkeit ist enorm erhöht worden, doch wie sieht es hier mit dem Maschinenverschleiß aus? Immer mehr MitarbeiterInnen im psychosozialen Bereich klappen unter dem großen Druck zusammen. Die Zahl der Langzeitkrankenstände hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Eine betreffende Studie in Österreich fehlt zwar noch, aber in Deutschland, wo die Situation ähnlich ist, hat sich herausgestellt, dass bei allgemein steigenden Krankenstandstagen pro MitarbeiterIn, diese im Sozialbereich doppelt so hoch sind wie in allen anderen Branchen.

Wie weit soll denn die Effizienz noch getrieben werden, Angesicht immer größerer Ausfälle bei den Produktionsmitteln. Wir reden hier aber von Menschen. Von Menschen, deren weiteres Leben aufgrund dauerhafter gesundheitlicher Schäden beeinträchtigt bleiben wird. Wo ist hier die gesetzlich verankerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers? Gerade MitarbeiterInnen im Sozialbereich, die anstrengende emotionale Arbeit leisten müssten besonders geschützt werden. Wenn die MitarbeiterInnen Menschen in psychischen Ausnahmesituationen begleiten und dabei selber unter zunehmendem Existenzdruck leiden werden hier doppelt ausgebeutet.

Der Begriff der doppelten Ausbeutung beschreibt hier einen Machtmissbrauch von Seiten der Arbeitgeber sowie auch der Landesregierung. Wenn diese Effizienzmodelle im Sozialbereich tatsächlich jemals seriös errechnet wurden, dann sollten Arbeitgeber und Landesregierung aber auch den Wert eines Menschenlebens bekanntgeben. Ansonsten bleibt nur noch die Frage offen, wie lange wir uns solche Arbeitsbedingungen noch bieten lassen wollen.

Thomas Erlach ist Sozialarbeiter und Stv. BRV von EXIT-sozial Linz