Man kommt nicht als Frau zu Welt…
- Sonntag, 10. Februar 2008 @ 19:51
Von Anna-Erika Paseka
… man wird es, schreibt Simone de Beauvoir. Emanzipation stammt vom lateinischen emancipare: einen „Sklaven oder erwachsenen Sohn“ aus dem mancipium, der „feierlichen Eigentumserwerbung durch Handauflegen“, in die Eigenständigkeit zu entlassen. Im 17./18. Jahrhundert erfolgte eine Bedeutungsverschiebung: Aus dem Akt des Gewährens von Selbstständigkeit wurde eine Aktion politischer Selbstbefreiung. Ziel emanzipatorischen Bestrebens ist ein Zugewinn an Freiheit oder Gleichheit, oder auch die Verringerung von seelischer, ökonomischer Abhängigkeit, etwa von den Eltern. Häufig steht der Begriff synonym für die Frauenemanzipation.
Mystisch, göttlich, weiblich
Diskriminierung basiert auf Andersartigkeit. Die Frau ist anders als der Mann, also wird sie von den Männern diskriminiert, sie sehen sie nicht ebenbürtig, nicht gleichgestellt. Schon in der Urzeit machte die Frau dem Mann Angst in ihrer Andersartigkeit: sie war ohne Penis, sie blutete und sie gebar Kinder. Ihr Körper war den Männern ein Mysterium. Die Tatsache, dass die Frau Kinder bekam, machte sie zu etwas Besonderem.
Doch soviel Macht schreckte die Männer, flößte ihnen aber auch Achtung ein. Die Männer sahen sich immer schon als das wahre Geschlecht, der Mann verkörperte das Menschliche. Die Frau in der Urzeit war zwar nicht gleichgestellt, wurde aber als etwas Mystisches und Göttliches verehrt. Die Entdeckung der Männer, aktiv an der Zeugung ihrer Kinder beteiligt gewesen zu sein, dass darüber hinaus ohne sie diese Zeugung gar nicht möglich ist, verleitete die Männer dazu, die Frau als untergeordnet zu sehen. Die Macht der Frau schwand und mit ihr der Mythos, der sie umgab.
Angst vor Andersartigkeit vernichtet
Es ist vor allem ein männliches Phänomen Andersartigkeit zu diskriminieren. Was dem Manne Furcht einflößt, versucht er zu beherrschen. So lässt sich Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Intellektfeindlichkeit und noch mehr erklären. Was Angst macht wird beherrscht, diskriminiert, vernichtet. Unterdrückt wird was angst macht, so auch Gefühle, die das Selbstbild in Frage stellen. Man(n) stellt sich diesen Gefühlen nicht, unterdrückt sie und diejenigen, die sie auslösen.
Selbstbescheidung als Hausfrau und Mutter
Trotz vieler Anstrengungen ist es den Frauen bis heute nicht gelungen, den Männern gesellschaftlich (politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, sexuell) gleichgestellt zu sein. Bis heute wird die Frau in ihrer Bedeutung behindert. Um all die vorrangig männlichen Positionen anzustreben, ist manche Frau verführt ihre Weiblichkeit zu verneinen, um ein ganzer Mann zu sein. Wird man als Frau geboren, hat man schon die schlechteren Karten gezogen. Frau muss immense Mühe aufwenden, um sich in den von Männern besetzten Gebieten zu behaupten. Weniger befähigte Männer haben mehr Chancen sich in dieser Gesellschaft zu behaupten, als hervorragende Frauen. Die Tatsache Frau zu sein, macht sie zum Menschen zweiter Klasse.
Frauen, die ihr Leben lang damit beschäftigt sind, ihre „weiblichen Pflichten“ zu erfüllen überlassen es den Männern, ein eigenständiges Bewusstsein zu entwickeln und über sich selbst hinaus zu wachsen. Ihre Pflichterfüllung behindert sie und lässt sie nicht erkennen, dass ihre Bestimmung und ihre Grenzen von der Männerwelt gesetzt und daher überschritten werden müssen. Stattdessen verteidigen sie das „Frau-Sein“ aus der männlichen Sicht: „Ich bin Weibchen und deshalb verdiene ich Respekt“. Ähnlich der Arbeiterbewegung, die um ihre menschenunwürdigen Arbeitsplätze kämpfte, anstatt sich von der Sklavenarbeit zu befreien. Nicht Freiheit und Autonomie spielen dabei eine Rolle, sondern die Forderung nach Selbstbescheidung als Hausfrau und Mutter. Diese reduktionistische Sicht weiblicher Existenz gipfelt in der demütigenden Herablassung: „Bleib, was Du bist und wir finden Dich gut.“
Bei näherer Betrachtung wird klar, dass die menschliche und daher auch die weibliche Existenz nicht nur etwas Privates ist. Es besteht eine starke Verbindung zwischen der privaten Person und der Gesellschaft. Frauen müssen ihre Verantwortung erkennen, diese wichtigen Lebensbereiche nicht den Männern zu überlassen. Jean-Paul Sartre war der Ansicht, dass der Mensch die Verantwortung dafür trägt, was er oder sie aus dem macht, was die Gesellschaft aus ihr oder ihm gemacht hat. Frauen tragen eine Mitverantwortung für die Untaten der Gesellschaft, auch wenn sie in der Mehrzahl nicht zu Täterinnen wurden. Für eine gleichberechtigte Gesellschaftsform gibt es keinen Begriff. Wir können Patriarchat und Matriarchat denken, aber darüber hinaus…?
Kastration der Frauenrolle
Die Welt der Männer legt den Frauen nahe, dass sie die „besseren Menschen“ und daher zu gut für die „schmutzige“ Politik oder die Macht der Herr-schenden seien. Aufgrund der „weiblichen“ Qualitäten, wie Einfühlungsvermögen, Opferbereitschaft und Fürsorglichkeit bleiben den Frauen die schlecht- oder gar unbezahlten sozialen Dienste vorbehalten.
Dadurch wird auch ihre Rolle als Mutter kastriert. Selbst in dienender Rolle kann sie ihren Kindern kein Vorbild als selbstbewusstes emanzipiertes Mitglied einer Gesellschaft sein. Das soll sie auch nicht. Der Wiener Psychoanalytiker Erwin Ringel beschrieb, wie unsere Kinder zu kritiklosen Untertanen erzogen werden. Er erkennt Werte wie Sauberkeit, Pünktlichkeit, Gehorsam als herrschende Erziehungsideale, bezeichnet sie aber gleichzeitig als Sekundärtugenden. Sie sind nicht geeignet, die Entwicklung eines Kindes zu einem sozialen und kritischen Erwachsenen zu fördern. Genau diese Rolle schreibt aber das Patriarchat den Frauen und Müttern zu. Sie werden dafür verantwortlich gemacht, dem Vater pünktlich gewaschene und gehorsame Kinder vorzuführen. Damit sollen sie gleichzeitig lernen, wie sie später ihren Chefs und ihren Herrschenden zu begegnen haben.
Die Unterwerfung unter die patriarchale Ordnung nimmt Frauen nicht die Verantwortung für die Werte, die sie in das kindliche Bewusstsein pflanzen. Als Frau geworden, werden sie Mütter und als Mütter geben sie das Gedankengut des Konformismus an ihre Kinder weiter. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen, vor allem widerspricht es emanzipatorischen Grundhaltungen wenn Frauen, die selbst keine Kinder geboren haben, auch von Frauen diskriminiert werden. Warum sollte eine Frau, die eine biologische Funktion erfüllt hat, mehr wert sein, als eine Frau, die ihr Leben in den Dienst einer gerechteren Gesellschaft gestellt hat?
Es ist empörend, wie wenig die Leistungen der Frauen von beiden Geschlechtern gewürdigt werden. Alleine im Pflegebereich werden ältere Menschen, die Hilfe, Pflege und Betreuung benötigen, zu 80 Prozent von Privaten Personen betreut, hiervon wiederum hauptsächlich von Frauen, die wiederum zu 50 Prozent selbst über 60 Jahre alt sind. Die Wertschöpfung aus privater Hand übersteigt die der öffentlichen an Ausgaben und Pflege um ein Vielfaches. Der Nutzen der Frau in der patriarchalen Welt liegt in ihrer Ausbeutbarkeit. Ist sie nicht ausbeutbar, ist sie Unnütz.
Widerstand und Partnerschaft
Es ist ein Faktum, dass die Männerwelt, trotz ihrer Anstrengungen, die Frauen klein zu halten, im Großen und Ganzen mit den Frauen als Partnerinnen unzufrieden sind. Männer wünschen sich das, wovor sie sich am meisten fürchten: eine Partnerin in Augenhöhe. Daher ist eine Bewusstseinsveränderung beider Geschlechter nötig. Es liegt jedoch an den Frauen, selbstbewusst unserer Gesellschaft den größtmöglichen Widerstand entgegenzubringen, mit dem Ziel endlich ein Miteinander der Geschlechter zu erreichen. Es geht um eine radikale Veränderung des Wertesystems unserer Gesellschaft. Der patriarchale Kapitalismus braucht eine auf Eroberung und Ausbeutung geformte Gesellschaft. Behübschende Reformen werden den permanenten Kriegszustand (zwischen den Geschlechtern) nicht beenden.
Anna Paseka ist Mitglied des GLB/GPA-DJP und der Redaktion „Die Arbeit“
… man wird es, schreibt Simone de Beauvoir. Emanzipation stammt vom lateinischen emancipare: einen „Sklaven oder erwachsenen Sohn“ aus dem mancipium, der „feierlichen Eigentumserwerbung durch Handauflegen“, in die Eigenständigkeit zu entlassen. Im 17./18. Jahrhundert erfolgte eine Bedeutungsverschiebung: Aus dem Akt des Gewährens von Selbstständigkeit wurde eine Aktion politischer Selbstbefreiung. Ziel emanzipatorischen Bestrebens ist ein Zugewinn an Freiheit oder Gleichheit, oder auch die Verringerung von seelischer, ökonomischer Abhängigkeit, etwa von den Eltern. Häufig steht der Begriff synonym für die Frauenemanzipation.
Mystisch, göttlich, weiblich
Diskriminierung basiert auf Andersartigkeit. Die Frau ist anders als der Mann, also wird sie von den Männern diskriminiert, sie sehen sie nicht ebenbürtig, nicht gleichgestellt. Schon in der Urzeit machte die Frau dem Mann Angst in ihrer Andersartigkeit: sie war ohne Penis, sie blutete und sie gebar Kinder. Ihr Körper war den Männern ein Mysterium. Die Tatsache, dass die Frau Kinder bekam, machte sie zu etwas Besonderem.
Doch soviel Macht schreckte die Männer, flößte ihnen aber auch Achtung ein. Die Männer sahen sich immer schon als das wahre Geschlecht, der Mann verkörperte das Menschliche. Die Frau in der Urzeit war zwar nicht gleichgestellt, wurde aber als etwas Mystisches und Göttliches verehrt. Die Entdeckung der Männer, aktiv an der Zeugung ihrer Kinder beteiligt gewesen zu sein, dass darüber hinaus ohne sie diese Zeugung gar nicht möglich ist, verleitete die Männer dazu, die Frau als untergeordnet zu sehen. Die Macht der Frau schwand und mit ihr der Mythos, der sie umgab.
Angst vor Andersartigkeit vernichtet
Es ist vor allem ein männliches Phänomen Andersartigkeit zu diskriminieren. Was dem Manne Furcht einflößt, versucht er zu beherrschen. So lässt sich Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Intellektfeindlichkeit und noch mehr erklären. Was Angst macht wird beherrscht, diskriminiert, vernichtet. Unterdrückt wird was angst macht, so auch Gefühle, die das Selbstbild in Frage stellen. Man(n) stellt sich diesen Gefühlen nicht, unterdrückt sie und diejenigen, die sie auslösen.
Selbstbescheidung als Hausfrau und Mutter
Trotz vieler Anstrengungen ist es den Frauen bis heute nicht gelungen, den Männern gesellschaftlich (politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, sexuell) gleichgestellt zu sein. Bis heute wird die Frau in ihrer Bedeutung behindert. Um all die vorrangig männlichen Positionen anzustreben, ist manche Frau verführt ihre Weiblichkeit zu verneinen, um ein ganzer Mann zu sein. Wird man als Frau geboren, hat man schon die schlechteren Karten gezogen. Frau muss immense Mühe aufwenden, um sich in den von Männern besetzten Gebieten zu behaupten. Weniger befähigte Männer haben mehr Chancen sich in dieser Gesellschaft zu behaupten, als hervorragende Frauen. Die Tatsache Frau zu sein, macht sie zum Menschen zweiter Klasse.
Frauen, die ihr Leben lang damit beschäftigt sind, ihre „weiblichen Pflichten“ zu erfüllen überlassen es den Männern, ein eigenständiges Bewusstsein zu entwickeln und über sich selbst hinaus zu wachsen. Ihre Pflichterfüllung behindert sie und lässt sie nicht erkennen, dass ihre Bestimmung und ihre Grenzen von der Männerwelt gesetzt und daher überschritten werden müssen. Stattdessen verteidigen sie das „Frau-Sein“ aus der männlichen Sicht: „Ich bin Weibchen und deshalb verdiene ich Respekt“. Ähnlich der Arbeiterbewegung, die um ihre menschenunwürdigen Arbeitsplätze kämpfte, anstatt sich von der Sklavenarbeit zu befreien. Nicht Freiheit und Autonomie spielen dabei eine Rolle, sondern die Forderung nach Selbstbescheidung als Hausfrau und Mutter. Diese reduktionistische Sicht weiblicher Existenz gipfelt in der demütigenden Herablassung: „Bleib, was Du bist und wir finden Dich gut.“
Bei näherer Betrachtung wird klar, dass die menschliche und daher auch die weibliche Existenz nicht nur etwas Privates ist. Es besteht eine starke Verbindung zwischen der privaten Person und der Gesellschaft. Frauen müssen ihre Verantwortung erkennen, diese wichtigen Lebensbereiche nicht den Männern zu überlassen. Jean-Paul Sartre war der Ansicht, dass der Mensch die Verantwortung dafür trägt, was er oder sie aus dem macht, was die Gesellschaft aus ihr oder ihm gemacht hat. Frauen tragen eine Mitverantwortung für die Untaten der Gesellschaft, auch wenn sie in der Mehrzahl nicht zu Täterinnen wurden. Für eine gleichberechtigte Gesellschaftsform gibt es keinen Begriff. Wir können Patriarchat und Matriarchat denken, aber darüber hinaus…?
Kastration der Frauenrolle
Die Welt der Männer legt den Frauen nahe, dass sie die „besseren Menschen“ und daher zu gut für die „schmutzige“ Politik oder die Macht der Herr-schenden seien. Aufgrund der „weiblichen“ Qualitäten, wie Einfühlungsvermögen, Opferbereitschaft und Fürsorglichkeit bleiben den Frauen die schlecht- oder gar unbezahlten sozialen Dienste vorbehalten.
Dadurch wird auch ihre Rolle als Mutter kastriert. Selbst in dienender Rolle kann sie ihren Kindern kein Vorbild als selbstbewusstes emanzipiertes Mitglied einer Gesellschaft sein. Das soll sie auch nicht. Der Wiener Psychoanalytiker Erwin Ringel beschrieb, wie unsere Kinder zu kritiklosen Untertanen erzogen werden. Er erkennt Werte wie Sauberkeit, Pünktlichkeit, Gehorsam als herrschende Erziehungsideale, bezeichnet sie aber gleichzeitig als Sekundärtugenden. Sie sind nicht geeignet, die Entwicklung eines Kindes zu einem sozialen und kritischen Erwachsenen zu fördern. Genau diese Rolle schreibt aber das Patriarchat den Frauen und Müttern zu. Sie werden dafür verantwortlich gemacht, dem Vater pünktlich gewaschene und gehorsame Kinder vorzuführen. Damit sollen sie gleichzeitig lernen, wie sie später ihren Chefs und ihren Herrschenden zu begegnen haben.
Die Unterwerfung unter die patriarchale Ordnung nimmt Frauen nicht die Verantwortung für die Werte, die sie in das kindliche Bewusstsein pflanzen. Als Frau geworden, werden sie Mütter und als Mütter geben sie das Gedankengut des Konformismus an ihre Kinder weiter. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen, vor allem widerspricht es emanzipatorischen Grundhaltungen wenn Frauen, die selbst keine Kinder geboren haben, auch von Frauen diskriminiert werden. Warum sollte eine Frau, die eine biologische Funktion erfüllt hat, mehr wert sein, als eine Frau, die ihr Leben in den Dienst einer gerechteren Gesellschaft gestellt hat?
Es ist empörend, wie wenig die Leistungen der Frauen von beiden Geschlechtern gewürdigt werden. Alleine im Pflegebereich werden ältere Menschen, die Hilfe, Pflege und Betreuung benötigen, zu 80 Prozent von Privaten Personen betreut, hiervon wiederum hauptsächlich von Frauen, die wiederum zu 50 Prozent selbst über 60 Jahre alt sind. Die Wertschöpfung aus privater Hand übersteigt die der öffentlichen an Ausgaben und Pflege um ein Vielfaches. Der Nutzen der Frau in der patriarchalen Welt liegt in ihrer Ausbeutbarkeit. Ist sie nicht ausbeutbar, ist sie Unnütz.
Widerstand und Partnerschaft
Es ist ein Faktum, dass die Männerwelt, trotz ihrer Anstrengungen, die Frauen klein zu halten, im Großen und Ganzen mit den Frauen als Partnerinnen unzufrieden sind. Männer wünschen sich das, wovor sie sich am meisten fürchten: eine Partnerin in Augenhöhe. Daher ist eine Bewusstseinsveränderung beider Geschlechter nötig. Es liegt jedoch an den Frauen, selbstbewusst unserer Gesellschaft den größtmöglichen Widerstand entgegenzubringen, mit dem Ziel endlich ein Miteinander der Geschlechter zu erreichen. Es geht um eine radikale Veränderung des Wertesystems unserer Gesellschaft. Der patriarchale Kapitalismus braucht eine auf Eroberung und Ausbeutung geformte Gesellschaft. Behübschende Reformen werden den permanenten Kriegszustand (zwischen den Geschlechtern) nicht beenden.
Anna Paseka ist Mitglied des GLB/GPA-DJP und der Redaktion „Die Arbeit“