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Warum streiken die deutschen Lokführer? Antwort: „Weil sie es können“

  • Dienstag, 20. November 2007 @ 08:48
Meinung Von Werner Beier

Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer wurde 1867 als Verein Deutscher Lokomotivführer gegründet und gilt als älteste deutsche Gewerkschaft. Nach Verbot während der Nazidiktatur fand 1949 die erste Generalversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg statt, wobei auch der Beitritt zum Deutschen Beamtenbund beschlossen wurde. 1991 schlossen sich GDL West und Ost zu einer gesamtdeutschen Gewerkschaft zusammen. 2002 scheiterte ein Ergänzungstarifvertrag, der bis zu 18 zusätzliche unbezahlte Dienstschichten jährlich vorsah, am Widerstand der GDL. Mit dem Verweis auf unvereinbare tarifpolitische Ziele löste sich die GDL aus der Tarifgemeinschaft der Deutschen Bahn, die sie bis dahin mit der gleichfalls zum Beamtenbund und der Tarifunion gehörenden GDBA sowie der mächtigen DGB-Gewerkschaft Transnet bildete. Folglich stellte die GDL ihre Forderungen nach Lohnerhöhungen und eigenständigen Spartentarifverträgen.

Die Deutsche Bahn war und ist bis dato nicht bereit, darüber zu verhandeln. Das eindeutige Votum einer Urabstimmung stellte die Weichen Richtung Arbeitskampf, wobei dieser eine ganz besondere Eigenheit aufweist: Nicht nur Politik, Eigentümervertretung und deren Medien als quasi „natürliche“ Gegner zu haben, sondern darüber hinaus mit Solidaritätsentzug und dem Spaltungsvorwurf durch die nadelstreifgewandeten Gewerkschaftsspitzen in DGB (Transnet) und GDPA konfrontiert zu sein. Die Errichtung eines gigantischen Lügengebäudes um die Ziele der Lokführer zu diskreditieren und verächtlich zu machen wurde daraufhin sofort und unisono in Stellung gebracht:

Lüge 1: Die Forderungen sind unrealistisch und überzogen! Tatsächlich und hauptsächlich geht es um die Einbeziehung von ohnehin bezahlten Zulagen als Gehaltsbestandteil und die Erhöhung der lächerlich niedrigen Einstiegsgehälter. Aber Manipulation war immer schon das angestammte Handwerk der Schurken und gerade die Forderung nach einem Spartentarifvertrag in der Fläche stellt sich am Vorabend der politisch abgesegneten Bahnprivatisierung, mit voraussichtlicher Aufsplittung des Personals in zahlreiche Unternehmensstrukturen als höchst dringlich.

Lüge 2: Die Lokführer verfolgen nur Seperatinteressen! Gilt das auch wenn sich Zugbegleiter, MitarbeiterInnen im Speisewagen sowie die Straßen- und U-BahnerInnen in Berlin und München in der GDL organisieren? Besteht nicht eher eine „Notwehrsituation“ angesichts jahrelanger Reallohneinbußen, sich ständig verschlechternder Arbeitbedingungen und einer Interessenspolitik á la Transnet, deren Vorsitzender Hansen als Beispiel für die Umsetzung von Unternehmenszielen, Trommler jeweiliger Regierungspolitik und beschämender Claqueur der Bahnprivatisierug gilt?

Unabhängig vom Ausgang dieses Arbeitskampfes bleibt eine wesentliche gewerkschaftliche Frage bestehen und die lautet: Haben berufsständische Gewerkschaften Zukunft oder bedeutet deren Erfolg die endgültige Aufkündigung des Solidaritätsprinzips? Oder im Umkehrschluss: Können kriecherische und „sozialpartnerschaftlich“ gelähmte Großgewerkschaften wirklich noch Antworten geben?

Es bleibt: Geschenkt wird uns nichts – wir müssen es erkämpfen! In diesem Sinne erklären sich die GLB-Eisenbahner mit dem Kampf und den Zielen unserer deutschen KollegInnen solidarisch!

Werner Beier ist Lokführer in der ÖBB Traktion Ost, Betriebsrat, Mitglied des Vida-Vorstandes, Ersatzmitglied des GLB im ÖGB-Bundesvorstand, stellvertretender Vorsitzender des GLB-Vida sowie stellvertretender GLB-Bundesvorsitzender