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Arbeitsmarkt – Zukunft 2010: Meilenstein für die ArbeiterInnenbewegung ?

  • Dienstag, 6. November 2007 @ 13:00
Meinung Von Oliver Jonischkeit

Offenbar ermutigt die große Koalition die „Sozialpartner“, also Unternehmer und ÖGB, sich hinter verschlossener Tür und ohne öffentliche Diskussion, der Probleme unseres Landes anzunehmen – beispielsweise mit den Vorschlägen für ein Maßnahmenpaket zur Deckung des Fachkräftebedarfs und zur Jugendbeschäftigung. Ob dies immer zum Vorteil der Beschäftigten ist, wollen wir uns anhand dieses Pakets näher anschauen. Den Eindruck muss man jedoch bei oberflächlicher Betrachtung gewinnen, wurde doch schließlich im ÖGB-Bundesvorstand unter anderem von „einem Meilenstein, vom größten sozialpolitischen Paket der 2. Republik“ gesprochen.

Positiv ist sicher die geplante Verankerung einer Ausbildungsgarantie für alle Jugendlichen bis 18 Jahre bzw. die Garantie der Fortsetzung der Ausbildung jener, die in den derzeit 280 Lehrberufen tätig sind – auch bei Kündigung – bis zum Lehrabschluss.

Kündigungen von Lehrlingen sind allerdings, sollte das Paket so beschlossen werden, künftig für Unternehmer wesentlich einfacher. Bisher gab es nach der 3-monatigen Probezeit nur aufgrund taxativ aufgelisteter Punkte im Berufsausbildungsgesetz die Möglichkeit, Lehrverhältnisse aufzulösen – künftig ist dies jeweils zum Ende des 1. oder 2. Lehrjahres unter Einhaltung einer 1-monatigen Kündigungsfrist möglich. Zwingend vorgeschrieben dafür ist ein Mediationsverfahren vor Ausspruch der Kündigung mit dem Ziel, zu klären, ob evt. eine Fortsetzung des Lehrverhältnisses möglich ist bzw. eine Vereinbarung aller Beteiligten über die weitere Vorgangsweise zu treffen.

Dem Mediationsverfahren werden Unternehmer, die Lehrlinge loswerden wollen, gelassen entgegen sehen. Bereits bisher, trotz restriktiver Regeln, wurden ca. 20 % aller Lehrverhältnisse beendet, oftmals durch „einvernehmliche Lösungen“.

Der GLB lehnt diese künftig erleichterten Kündigungsmöglichkeiten ab, weil wir befürchten, dass dadurch die Zahl jener, deren Lehrverhältnis vor Ablauf beendet wird, dadurch steigt.

Positiv hingegen ist die bereits erwähnte Ausbildungsgarantie, deren praktische Umsetzung aber noch genauer betrachtet werden muss.

Die neuen Überbetrieblichen Ausbildungszentren (ÜAZ) werden auf die Dauer des jeweiligen Lehrberufs ausgerichtet, Jugendliche, die dorthin ausweichen müssen, erhalten den so genannten Beitrag zur Deckung des Lebensunterhaltes – zur Zeit sind dies 240 Euro im 1. und 2. Lehrjahr, 555 Euro im 3. Lehrjahr. Eine automatische Wertsicherung, wie sie der GLB fordert, ist dabei allerdings nicht vorgesehen.

Der seit vielen Jahren vom ÖGB geforderte Berufsausbildungsfonds, in den jene Unternehmer einzahlen, die nicht entsprechend Lehrlinge ausbilden, wurde bei der Finanzierung fallen gelassen, an den Kosten sollen Unternehmer und ArbeitnehmerInnen beteiligt werden.

Ebenfalls im Paket enthalten ist der Versuch, die Öffnung des Arbeitsmarktes zu den neuen EU-Ländern bis 2011 hinauszuzögern, wobei es künftig Sonderregelungen für „Mangelberufe“ geben soll, für die es zu wenig Arbeitskräfte im Inland gibt.

Bereits jetzt befinden sich aber viele KollegInnen aus den Nachbarländern bereits in Österreich und sind gezwungen, entweder auf dem illegalen Arbeitsmarkt oder als „Selbständige“ tätig zu sein. Daher lehnt der GLB – wie verständlicherweise auch die Gewerkschaften der Nachbarländer – diese restriktive Haltung ab. Sinnvoller ist es, die KollegInnen in den legalen Arbeitsmarkt zu holen. Gewerkschaften und Arbeiterkammer müssen dann ihre „Hausaufgaben“ machen und die Einhaltung der jeweiligen Kollektivverträge und arbeitsrechtlichen Vorschriften kontrollieren, um so Lohndumping entgegenzuwirken.

Oliver Jonischkeit ist ÖGB-Sekretär und Bundessekretär des GLB