Es geht aufwärts – mit der Umverteilung nach oben
- Dienstag, 23. Oktober 2007 @ 20:10
Von Hubert Schmiedbauer
Hinter den emotional aufgeschaukelten Sensationen um versteckte Mädchen, angeblich unmögliche oder nette Leute in Ministerien und Konzernen, Fußballgejammer und anderem Lebenswichtigem gibt es auch eine reale Welt, die alle tatsächlich betrifft. Blicken wir ein wenig hinter den Vorhang der Belanglosigkeiten… Die Wirtschaft floriert. Neue Rekorde liefert der Export. Die Auftragsbücher der Industrie sind voll. Die Investitionstätigkeit gewinnt Schwung. Konzern- und Bankengewinne schäumen über, Managerbezüge werden aufgefettet – nur eines bleibt seit Jahren zurück: die Massenkaufkraft. Löhne, Gehälter und natürlich auch die Pensionen bleiben sogar hinter der Teuerung zurück, weil die mageren Bruttolohn-Zuwächse von Steuerprogression und diversen „Reformen“ abgeschöpft werden.
Tischlein deck dich
Die Wirtschaftsforscher haben Ende September die Prognosen für das laufende Jahr leicht angehoben, für das Jahr 2008 allerdings um denselben Faktor nach unten korrigiert. Berichte von WIFO und IHS enthalten bereits aufschlussreiche Zahlen über die Zuwächse an Beschäftigung, Produktivität und Gewinnen. (Siehe nebenstehenden Kasten.) Die Arbeiterkammer Steiermark bestätigte Anfang Oktober in einer Analyse von 77 Unternehmen über die Jahre 2002 bis 2006 die langfristige Entwicklung: Verdreifachung der Gewinne, aber für die Beschäftigten 8,5 Prozent - abgerechnet Inflation und Lohnsteuerprogression bleibt ein Nettozuwachs von 1,2 Prozent.
Voestalpine und Böhler-Uddeholm berichteten Rekordgewinne. Die Voestalpine holt sich locker eine Milliarde Euro auf dem Kapitalmarkt, weil sie die Millionenzinsen von den Gewinnen der nächsten Jahre zahlen kann. Zugleich droht das Management mit drastischen Folgen, wenn der Wettbewerb des Umweltvergiftens ab 2012 gar zu sehr eingeschränkt wird. Im Frühjahr 2008 werde die EU entscheiden, ob die Voestalpine weiter zu konkurrenzfähigen Bedingungen produzieren könne, meinte Vorstandschef Eder. Unter „konkurrenzfähig“ versteht das Kapital bekanntlich „Umwelt belasten – Personalkosten entlasten“…
Täglich verlangen Unternehmervertretungen und Regierung Zurückhaltung bei Löhnen und öffentlichen Ausgaben, dafür aber neue Privilegien für das Kapital und die MillionärInnen. Finanzminister Molterer lobt die Gemeinden und die Sozialversicherungen für die Einsparung von 350 Mio. Euro - also für die Verschlechterung sozialer und kommunaler Dienstleistungen -, und er rügt die Länder, denn die Landeshaushalte hätten 600 Mio. Euro an Einsparungen beitragen sollen. Die „Trickserei“ der Länder mit Ausgliederungen und ähnlichen Maßnahmen sei keine Maastricht-gerechte Verringerung der Lasten. Molterer schwebt eine eigene Steuer-Autonomie der Länder vor – wohl damit die Bundesregierung nicht mehr für die Belastungspolitik verantwortlich gemacht werden kann…
Knüppel aus dem Sack
Stichworte für diese Politik kommen immer wieder aus der neoliberalen Ecke der Wirtschaftstheorie. Prof. Bernhard Felderer z.B. sieht bedeutende Einsparungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen und im Unterrichtswesen. In der jüngsten Wirtschaftsprognose des IHS heißt es zur Lohnpolitik, „durch ein hohes Ausmaß an Koordinierung“ sei es in der Vergangenheit gelungen, „sowohl auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse wie Wettbewerbsfähigkeit und ein hohes Beschäftigungsniveau Rücksicht zu nehmen, als auch ein ausreichendes Maß an Flexibilität sicherzustellen. Das Institut geht davon aus, dass auch die kommende Herbstlohnrunde diese erfolgreiche Tradition fortsetzen wird.“
Das WIFO zeigt sich besorgt über das seit sieben Jahren nachhinkende Konsumwachstum. Das bewirke einen stark dämpfenden Effekt auf das Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Ursachen seien u.a. „die ungünstige Entwicklung der Einkommen“ sowie „die Ausweitung der Pensionsvorsorge“. 2008 werde es eine leichte Belebung der Konsumnachfrage geben, „die Nettorealeinkommen werden aber dennoch nur sehr schwach expandieren (+0,3 Prozent)“, heißt es in der WIFO-Prognose vom 28. September.
Zur Praxis ist es nicht weit. Außer KV-Verhandlungen mit dem Ziel, statt Lohn- und Gehaltserhöhungen für erfolgreiche Geschäftsjahre Einmalzahlungen auszuschütten, ist man immer bereit, die Kleinen und Schwachen zu prügeln. Der oberste „Sozialpartner“ Christoph Leitl schlug vor, für Ältere und Behinderte den Kündigungsschutz aufzuheben, denn er schrecke die Unternehmer ab.
So ähnlich hat man es schon mit den Lehrlingen gemacht. Außerdem sollen für verschiedene Gruppen die „Lohnnebenkosten“ verringert werden – über Verzicht auf Sozialabgaben, Steuervorteile, Direktförderungen usw. Da wäre noch über die „Negativsteuer“ zu reden – in Wirklichkeit alles Förderungen der Unternehmer, denen man die Zahlung anständiger Löhne und Gehälter erspart. Dafür werden „Lohnerhöhungen“ für die Privilegierten gefordert, indem der Spitzensteuersatz von 50 Prozent auf Einkommensteile über 50.000 Euro pro Jahr zumindest auf 40 Prozent gesenkt wird – z.B. für den Einkommensteil von 51.000 bis 60.000 Euro würden dann statt 5000 Euro nur mehr 4000 Euro abgezogen; wer im Jahr 100.000 Euro „verdient“, würde sich 5000 Euro Steuer ersparen.
Die Frage bleibt aktuell: Es geht aufwärts – für wen?
Hubert Schmiedbauer ist Journalist in Wien
Hinter den emotional aufgeschaukelten Sensationen um versteckte Mädchen, angeblich unmögliche oder nette Leute in Ministerien und Konzernen, Fußballgejammer und anderem Lebenswichtigem gibt es auch eine reale Welt, die alle tatsächlich betrifft. Blicken wir ein wenig hinter den Vorhang der Belanglosigkeiten… Die Wirtschaft floriert. Neue Rekorde liefert der Export. Die Auftragsbücher der Industrie sind voll. Die Investitionstätigkeit gewinnt Schwung. Konzern- und Bankengewinne schäumen über, Managerbezüge werden aufgefettet – nur eines bleibt seit Jahren zurück: die Massenkaufkraft. Löhne, Gehälter und natürlich auch die Pensionen bleiben sogar hinter der Teuerung zurück, weil die mageren Bruttolohn-Zuwächse von Steuerprogression und diversen „Reformen“ abgeschöpft werden.
Tischlein deck dich
Die Wirtschaftsforscher haben Ende September die Prognosen für das laufende Jahr leicht angehoben, für das Jahr 2008 allerdings um denselben Faktor nach unten korrigiert. Berichte von WIFO und IHS enthalten bereits aufschlussreiche Zahlen über die Zuwächse an Beschäftigung, Produktivität und Gewinnen. (Siehe nebenstehenden Kasten.) Die Arbeiterkammer Steiermark bestätigte Anfang Oktober in einer Analyse von 77 Unternehmen über die Jahre 2002 bis 2006 die langfristige Entwicklung: Verdreifachung der Gewinne, aber für die Beschäftigten 8,5 Prozent - abgerechnet Inflation und Lohnsteuerprogression bleibt ein Nettozuwachs von 1,2 Prozent.
Voestalpine und Böhler-Uddeholm berichteten Rekordgewinne. Die Voestalpine holt sich locker eine Milliarde Euro auf dem Kapitalmarkt, weil sie die Millionenzinsen von den Gewinnen der nächsten Jahre zahlen kann. Zugleich droht das Management mit drastischen Folgen, wenn der Wettbewerb des Umweltvergiftens ab 2012 gar zu sehr eingeschränkt wird. Im Frühjahr 2008 werde die EU entscheiden, ob die Voestalpine weiter zu konkurrenzfähigen Bedingungen produzieren könne, meinte Vorstandschef Eder. Unter „konkurrenzfähig“ versteht das Kapital bekanntlich „Umwelt belasten – Personalkosten entlasten“…
Täglich verlangen Unternehmervertretungen und Regierung Zurückhaltung bei Löhnen und öffentlichen Ausgaben, dafür aber neue Privilegien für das Kapital und die MillionärInnen. Finanzminister Molterer lobt die Gemeinden und die Sozialversicherungen für die Einsparung von 350 Mio. Euro - also für die Verschlechterung sozialer und kommunaler Dienstleistungen -, und er rügt die Länder, denn die Landeshaushalte hätten 600 Mio. Euro an Einsparungen beitragen sollen. Die „Trickserei“ der Länder mit Ausgliederungen und ähnlichen Maßnahmen sei keine Maastricht-gerechte Verringerung der Lasten. Molterer schwebt eine eigene Steuer-Autonomie der Länder vor – wohl damit die Bundesregierung nicht mehr für die Belastungspolitik verantwortlich gemacht werden kann…
Knüppel aus dem Sack
Stichworte für diese Politik kommen immer wieder aus der neoliberalen Ecke der Wirtschaftstheorie. Prof. Bernhard Felderer z.B. sieht bedeutende Einsparungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen und im Unterrichtswesen. In der jüngsten Wirtschaftsprognose des IHS heißt es zur Lohnpolitik, „durch ein hohes Ausmaß an Koordinierung“ sei es in der Vergangenheit gelungen, „sowohl auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse wie Wettbewerbsfähigkeit und ein hohes Beschäftigungsniveau Rücksicht zu nehmen, als auch ein ausreichendes Maß an Flexibilität sicherzustellen. Das Institut geht davon aus, dass auch die kommende Herbstlohnrunde diese erfolgreiche Tradition fortsetzen wird.“
Das WIFO zeigt sich besorgt über das seit sieben Jahren nachhinkende Konsumwachstum. Das bewirke einen stark dämpfenden Effekt auf das Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Ursachen seien u.a. „die ungünstige Entwicklung der Einkommen“ sowie „die Ausweitung der Pensionsvorsorge“. 2008 werde es eine leichte Belebung der Konsumnachfrage geben, „die Nettorealeinkommen werden aber dennoch nur sehr schwach expandieren (+0,3 Prozent)“, heißt es in der WIFO-Prognose vom 28. September.
Zur Praxis ist es nicht weit. Außer KV-Verhandlungen mit dem Ziel, statt Lohn- und Gehaltserhöhungen für erfolgreiche Geschäftsjahre Einmalzahlungen auszuschütten, ist man immer bereit, die Kleinen und Schwachen zu prügeln. Der oberste „Sozialpartner“ Christoph Leitl schlug vor, für Ältere und Behinderte den Kündigungsschutz aufzuheben, denn er schrecke die Unternehmer ab.
So ähnlich hat man es schon mit den Lehrlingen gemacht. Außerdem sollen für verschiedene Gruppen die „Lohnnebenkosten“ verringert werden – über Verzicht auf Sozialabgaben, Steuervorteile, Direktförderungen usw. Da wäre noch über die „Negativsteuer“ zu reden – in Wirklichkeit alles Förderungen der Unternehmer, denen man die Zahlung anständiger Löhne und Gehälter erspart. Dafür werden „Lohnerhöhungen“ für die Privilegierten gefordert, indem der Spitzensteuersatz von 50 Prozent auf Einkommensteile über 50.000 Euro pro Jahr zumindest auf 40 Prozent gesenkt wird – z.B. für den Einkommensteil von 51.000 bis 60.000 Euro würden dann statt 5000 Euro nur mehr 4000 Euro abgezogen; wer im Jahr 100.000 Euro „verdient“, würde sich 5000 Euro Steuer ersparen.
Die Frage bleibt aktuell: Es geht aufwärts – für wen?
Hubert Schmiedbauer ist Journalist in Wien