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Preisauftrieb bremst Kaufkraft und Konjunktur

  • Sonntag, 21. Oktober 2007 @ 20:00
Meinung Von Hubert Schmiedbauer

Die Wirtschaft floriert. Neue Rekorde liefert der Export. Die Auftragsbücher der Industrie sind voll. Die Investitionstätigkeit gewinnt Schwung. Konzern- und Bankengewinne schäumen über, Managerbezüge werden aufgefettet – nur eines bleibt seit Jahren zurück: die Massenkaufkraft. Die Wirtschaftsforscher haben Ende September die Prognosen für das laufende Jahr leicht angehoben, für das Jahr 2008 allerdings um denselben Faktor nach unten korrigiert. Berichte von WIFO und IHS enthalten bereits aufschlussreiche Zahlen über die Zuwächse an Beschäftigung, Produktivität und Gewinnen. (Siehe nebenstehenden Kasten.)

Täglich verlangen Unternehmervertretungen und Regierung Zurückhaltung bei Löhnen und öffentlichen Ausgaben, dafür aber neue Privilegien für das Kapital und die MillionärInnen. Finanzminister Molterer lobt die Gemeinden und die Sozialversicherungen für die Einsparung von 350 Mio. Euro - also für die Verschlechterung sozialer und kommunaler Dienstleistungen -, und er rügt die Länder, denn die Landeshaushalte hätten 600 Mio. Euro an Einsparungen beitragen sollen.

Stichworte für diese Politik kommen immer wieder aus der neoliberalen Ecke der Wirtschaftstheorie. Prof. Bernhard Felderer z.B. sieht bedeutende Einsparungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen und im Unterrichtswesen. In der jüngsten Wirtschaftsprognose des IHS heißt es zur Lohnpolitik, „durch ein hohes Ausmaß an Koordinierung“ sei es in der Vergangenheit gelungen, „sowohl auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse wie Wettbewerbsfähigkeit und ein hohes Beschäftigungsniveau Rücksicht zu nehmen, als auch ein ausreichendes Maß an Flexibilität sicherzustellen. Das Institut geht davon aus, dass auch die kommende Herbstlohnrunde diese erfolgreiche Tradition fortsetzen wird.“

Das WIFO zeigt sich besorgt über das seit sieben Jahren nachhinkende Konsumwachstum. Das bewirke einen stark dämpfenden Effekt auf das Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Ursachen seien u.a. „die ungünstige Entwicklung der Einkommen“ sowie „die Ausweitung der Pensionsvorsorge“. 2008 werde es eine leichte Belebung der Konsumnachfrage geben, „die Nettorealeinkommen werden aber dennoch nur sehr schwach expandieren (+0,3 Prozent)“, heißt es in der WIFO-Prognose vom 28. September. Angesichts der Welle von Preiserhöhungen in diesem Herbst werden die Zahlen am Ende des Jahres wohl wieder einmal zu korrigieren sein…

Soziale Partner

Statt kollektivvertraglichen Lohn- und Gehaltserhöhungen wollen die Unternehmer je nach Betriebserfolg Einmalzahlungen ausschütten. Die Wirtschaft hat stets neue Ideen, die die lieben MitarbeiterInnen, vor allem die Kleinen und Schwachen, zu schröpfen. Der oberste „Sozialpartner“ Christoph Leitl (Präsident der Bundeswirtschaftskammer) schlug kürzlich vor, für Ältere und Behinderte den Kündigungsschutz aufzuheben, denn er schrecke die Unternehmer ab. So ähnlich hat man es schon mit den Lehrlingen gemacht. Zugleich werden „Lohnerhöhungen“ für die Privilegierten gefordert, indem der Spitzensteuersatz von 50 Prozent auf Einkommensteile über 50.000 Euro pro Jahr zumindest auf 40 Prozent gesenkt wird. In diesem Fall würden z.B. für 60.000 Euro Jahreseinkommen um 1000 Euro weniger Steuer abgezogen; wer im Jahr 100.000 Euro „verdient“, würde sich dann 5000 Euro Steuer ersparen usw.

Von Gewerkschaftsseite kommen heftige Worte: Eine „Steuerreform im Ausmaß von zwei Milliarden Euro, um die Belastung der ArbeitnehmerInnen endlich zu senken“ und „die Einführung der Wertschöpfungsabgabe“ verlangte ÖGB-Präsident Hundstorfer. Zum neuen EU-Vertrag meinte er, „der dringend notwendige Kurswechsel der EU wird damit nicht möglich sein“, die EU brauche „dringend eine sozial ausgerichtete Vorwärtsstrategie“. ÖGB-Europasprecher und GPA-DJP-Vorsitzender Katzian kritisiert, im Vertrag dominierten „weiterhin wirtschaftsliberale Ideen, die schon bisher nicht geeignet waren, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen und der Skepsis großer Teile der europäischen Bevölkerung … zu begegnen“.

Also was tun? „Die Einbeziehung der Bestimmungen über den sozialen Dialog in das Demokratiekapitel“, aber der wurde „im Kapitel Sozialpolitik versteckt“ und damit ist „der zukunftsweisende Weg der österreichischen Sozialpartner“ – längst von der Industrie- und Finanzwelt ignoriert – kein Bestandteil der EU-Politik. Aber nicht deswegen demonstrierten in Lissabon 200.000 portugiesische KollegInnen gegen den EU-Gipfel… Statt „Sozialpartnerschaft“ als angebliches Allheilmittel gegen den Neoliberalismus würden Volksabstimmungen in den meisten Ländern die verbindliche Absicherung der Kapitalmacht stoppen.

Hubert Schmiedbauer ist Journalist in Wien