Gewinnbeteiligung statt Lohnerhöhung? Notwendig wie ein Kropf
- Sonntag, 21. Oktober 2007 @ 19:55
Von Lutz Holzinger
In Zeiten steigender Unternehmergewinne und stagnierender Lohn- und Gehaltseinkommen hat das Angebot einen gewissen Charme; Tariferhöhungen am Lohnsektor durch die Beteiligung am Gewinn von Unternehmen zu ersetzen oder zu ergänzen. Tatsächlich ist das eine mehr als halbseidene Angelegenheit. Für den Lohn überlässt der einzelne unselbständig Erwerbstätige seine Arbeitskraft dem jeweiligen Unternehmen, das ihn engagiert. Über die Höhe dieses Entgelts, das ein bestimmtes historisches und moralisches Niveau erreicht und der Wiederherstellung (Reproduktion) der Arbeitskraft dient, kann individuell (persönliche Vorsprache bei Vorgesetzten bis hin zum Firmeneigentümer) und kollektiv (Betriebsrat, Fachgewerkschaft) verhandelt werden.
Es ist Gang und Gäbe, Lohn- und Gehaltserhöhungen damit zu begründen, dass in einem bestimmten Zeitraum einerseits die Lebenshaltungskosten (Inflation) gestiegen und anderseits das Produktionsvolumen (durch Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit, Rationalisierung usw.) angewachsen ist. Gewöhnlich verlangen die Gewerkschaften für ihre Mitglieder bzw. sämtliche Werktätige einer Branche, für die sie Lohnverhandlungen führen, einen „gerechten Anteil“ am gestiegenen gesellschaftlichen Reichtum, der von ihnen erarbeitet wurde.
Bekanntlich ist die lebendige Arbeitskraft einzige relevante Quelle des Reichtums: Er entspringt aus der Differenz zwischen dem für die Reproduktion der Arbeitskraft gezahlten variablen Kapital und dem Neuwert der gesamten Produktion (nach Abzug der Sach- und anteiligen Investitionskosten). Der einzelne Werktätige hat normalerweise keinerlei Einfluss darauf, ob der Verwertungsprozess des Kapitals bzw. die Organisation der Produktions-. und Dienstleistungsprozesse rationell und dem Stand der Technik entsprechend ablaufen.
Daher ist Gewinnbeteiligung in der gesamten kapitalistischen Welt für Spitzenfunktionäre üblich, die als Manager den Eigentümern die Mühe abnehmen, die Ausbeutung der Beschäftigten zu organisieren. Vertrauenswürdige Messgrößen für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen gibt es lediglich für börsennotierte Aktiengesellschaften. Nur bei ihnen haben die Eigentümer als Aktienbesitzer Interesse daran, dass der reale ökonomische Erfolg der jeweiligen Firma im Wert der Aktien sichtbar wird.
Alle anderen Unternehmen – Aktiengesellschaften ohne Börsennotiz, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, einfache Personengesellschaften – haben nicht das geringste Interesse, ihre realen Geschäftszahlen publik werden zu lassen. Sowohl gegenüber der eigenen Belegschaft als auch gegenüber dem Finanzamt gilt Tarnen und Täuschen zur Gewinnverschleierung als oberstes Gebot. Das erlaubt es, nach dem englischen Prinzip, der Gentleman genießt und schweigt, Gewinne einzufahren.
Ein Blick auf die Gesamtwirtschaft zeigt, dass Vorschläge zur Gewinnbeteiligung auf den Versuch hinauslaufen, die solidarische Lohnpolitik der Gewerkschaften weiter zu schwächen, weil derartigen Gratifikationen lediglich in einer Minderheit von Betreiben ausgezahlt bzw. von Beschäftigten zugute käme. Darüber hinaus, würden derartige Prämien nicht in Lohnbestandteile umgewandelt und damit künftig außer Diskussion stehen.
Als ähnliche trojanische Pferde müssen Vorschläge wie die Rückführung von Lohnabschlüssen auf die betriebliche Ebene und die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage von Einzelbetrieben betrachtet werden. Marx hat den Begriff der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit entwickelt, die – bei der jeweiligen Entfaltung der Produktivkräfte - für die Produktion einer Ware (Produkt oder Dienstleistung) benötigt wird.
Würde das Zurückbleiben von Betrieben hinter dem Stand der Technik durch niedrigere Lohnabschlüsse belohnt, käme das einer Rationalisierungsbremse und der Subventionierung von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit gleich. Um beim Beispiel von Marx im ersten Band des „Kapital“ zu bleiben, würde honoriert, wenn ein Schuster für die Verfertigung eines Paars Schuhe vierzehn Tage benötigt, obwohl im gesellschaftlichen Schnitt dafür bloß eine Woche aufgewendet wird.
Nach dem gewaltigen Fall der Lohnquote in den letzten 15 Jahren sind die Gewerkschaftsspitzen gut beraten, sich darauf zu konzentrieren, hohe Lohnabschlüsse durchzusetzen und notfalls zu erkämpfen. Die Auseinandersetzung über Gewinnbeteiligung, betriebliche Abschlüsse und dergl. sind vor diesem Hintergrund so notwendig wie ein Kropf.
Lutz Holzinger ist Journalist in Wien
In Zeiten steigender Unternehmergewinne und stagnierender Lohn- und Gehaltseinkommen hat das Angebot einen gewissen Charme; Tariferhöhungen am Lohnsektor durch die Beteiligung am Gewinn von Unternehmen zu ersetzen oder zu ergänzen. Tatsächlich ist das eine mehr als halbseidene Angelegenheit. Für den Lohn überlässt der einzelne unselbständig Erwerbstätige seine Arbeitskraft dem jeweiligen Unternehmen, das ihn engagiert. Über die Höhe dieses Entgelts, das ein bestimmtes historisches und moralisches Niveau erreicht und der Wiederherstellung (Reproduktion) der Arbeitskraft dient, kann individuell (persönliche Vorsprache bei Vorgesetzten bis hin zum Firmeneigentümer) und kollektiv (Betriebsrat, Fachgewerkschaft) verhandelt werden.
Es ist Gang und Gäbe, Lohn- und Gehaltserhöhungen damit zu begründen, dass in einem bestimmten Zeitraum einerseits die Lebenshaltungskosten (Inflation) gestiegen und anderseits das Produktionsvolumen (durch Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit, Rationalisierung usw.) angewachsen ist. Gewöhnlich verlangen die Gewerkschaften für ihre Mitglieder bzw. sämtliche Werktätige einer Branche, für die sie Lohnverhandlungen führen, einen „gerechten Anteil“ am gestiegenen gesellschaftlichen Reichtum, der von ihnen erarbeitet wurde.
Bekanntlich ist die lebendige Arbeitskraft einzige relevante Quelle des Reichtums: Er entspringt aus der Differenz zwischen dem für die Reproduktion der Arbeitskraft gezahlten variablen Kapital und dem Neuwert der gesamten Produktion (nach Abzug der Sach- und anteiligen Investitionskosten). Der einzelne Werktätige hat normalerweise keinerlei Einfluss darauf, ob der Verwertungsprozess des Kapitals bzw. die Organisation der Produktions-. und Dienstleistungsprozesse rationell und dem Stand der Technik entsprechend ablaufen.
Daher ist Gewinnbeteiligung in der gesamten kapitalistischen Welt für Spitzenfunktionäre üblich, die als Manager den Eigentümern die Mühe abnehmen, die Ausbeutung der Beschäftigten zu organisieren. Vertrauenswürdige Messgrößen für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen gibt es lediglich für börsennotierte Aktiengesellschaften. Nur bei ihnen haben die Eigentümer als Aktienbesitzer Interesse daran, dass der reale ökonomische Erfolg der jeweiligen Firma im Wert der Aktien sichtbar wird.
Alle anderen Unternehmen – Aktiengesellschaften ohne Börsennotiz, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, einfache Personengesellschaften – haben nicht das geringste Interesse, ihre realen Geschäftszahlen publik werden zu lassen. Sowohl gegenüber der eigenen Belegschaft als auch gegenüber dem Finanzamt gilt Tarnen und Täuschen zur Gewinnverschleierung als oberstes Gebot. Das erlaubt es, nach dem englischen Prinzip, der Gentleman genießt und schweigt, Gewinne einzufahren.
Ein Blick auf die Gesamtwirtschaft zeigt, dass Vorschläge zur Gewinnbeteiligung auf den Versuch hinauslaufen, die solidarische Lohnpolitik der Gewerkschaften weiter zu schwächen, weil derartigen Gratifikationen lediglich in einer Minderheit von Betreiben ausgezahlt bzw. von Beschäftigten zugute käme. Darüber hinaus, würden derartige Prämien nicht in Lohnbestandteile umgewandelt und damit künftig außer Diskussion stehen.
Als ähnliche trojanische Pferde müssen Vorschläge wie die Rückführung von Lohnabschlüssen auf die betriebliche Ebene und die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage von Einzelbetrieben betrachtet werden. Marx hat den Begriff der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit entwickelt, die – bei der jeweiligen Entfaltung der Produktivkräfte - für die Produktion einer Ware (Produkt oder Dienstleistung) benötigt wird.
Würde das Zurückbleiben von Betrieben hinter dem Stand der Technik durch niedrigere Lohnabschlüsse belohnt, käme das einer Rationalisierungsbremse und der Subventionierung von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit gleich. Um beim Beispiel von Marx im ersten Band des „Kapital“ zu bleiben, würde honoriert, wenn ein Schuster für die Verfertigung eines Paars Schuhe vierzehn Tage benötigt, obwohl im gesellschaftlichen Schnitt dafür bloß eine Woche aufgewendet wird.
Nach dem gewaltigen Fall der Lohnquote in den letzten 15 Jahren sind die Gewerkschaftsspitzen gut beraten, sich darauf zu konzentrieren, hohe Lohnabschlüsse durchzusetzen und notfalls zu erkämpfen. Die Auseinandersetzung über Gewinnbeteiligung, betriebliche Abschlüsse und dergl. sind vor diesem Hintergrund so notwendig wie ein Kropf.
Lutz Holzinger ist Journalist in Wien