Abschied von Manfred Groß
- Freitag, 19. Oktober 2007 @ 17:15
Liebe Trauergemeinde, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mit großer Betroffenheit haben wir am 3. Oktober die Nachricht erhalten, dass Manfred Groß, unser langjähriger Bundesvorsitzende des Gewerkschaftlichen Linksblocks, gestorben ist. Wenige Wochen vorher war er noch beim „Volksstimme“-Fest unterwegs gewesen und hatte sich dort trotz seiner angeschlagenen Gesundheit sehr optimistisch für seine Zukunft geäußert. Umso überraschender für uns alle hat der Tod Manfred als Spätfolge des 2003 erlittenen Schlaganfalls aus dem Leben gerissen.
Ich kam mit Manfred Groß erstmals Mitte der 70er Jahre in der Kommunistischen Jugend in Kontakt, deren oberösterreichischer Landesvorsitzender er damals war. Obwohl ihm als Betriebsratsobmann des Innviertler Verlages und aktiven Gewerkschafter wahrscheinlich auch andere Möglichkeiten offen gestanden wären, hatte er sich schon frühzeitig für den anderen Weg entschieden und sich der politischen Linken, der KPÖ zugewendet.
1979 übernahm Manfred Groß die Funktion als Landessekretär des Gewerkschaftlichen Linksblocks in Oberösterreich und vertrat den GLB auch sehr engagiert in der ÖGB-Landesexekutive. Mit seiner Tätigkeit verbunden sind auch der damalige Wiedereinzug des GLB in die oö Arbeiterkammer bei der AK-Wahl 1984 und der Höhepunkt der Protestbewegung gegen die Privatisierung der Verstaatlichten mit der Großkundgebung von über 40.000 TeilnehmerInnen am 18. Jänner 1986 in Linz sowie der Kampf um die Standorterhaltung der AMAG in Ranshofen.
1987 ging Manfred Groß nach Wien und war als Sekretär für Betriebsarbeit tätig. Im September 1989 folgte er Anton Hofer als Bundesvorsitzender des GLB und als Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes sowie als Vertreter im Weltgewerkschaftsbund nach und übte diese Funktionen mit großem Engagement aus, bis er Ende April 2003 durch einen Schlaganfall jäh aus seiner gewerkschaftlichen und politischen Arbeit gerissen wurde und er sich aus allen Funktionen zurückziehen musste.
Manfreds politische Aufmerksamkeit war stets in erster Linie auf die österreichische Gewerkschaftsbewegung und ihren linken, kritischen Pol, den Gewerkschaftlichen Linksblock gerichtet. Obwohl oder gerade weil er überzeugter Kommunist war, nahm er die organisatorische Eigenständigkeit des GLB sehr ernst und trat gleichzeitig für die Öffnung, etwa durch die Einbeziehung von MigrantInnen in die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit und für eine gewerkschaftliche Bündnispolitik mit sozialen Bewegungen ein.
Er war ein leidenschaftlicher Gewerkschafter: In der Gewerkschaftsjugend, als Betriebsrat, als Betriebratsobmann und als führender Gewerkschaftsfunktionär. Seine kritische Einstellung zu den sozialpartnerschaftlich bedingten Fehlentwicklungen in den österreichischen Gewerkschaften brachte er überall in seinem Wirken in der Gewerkschaft ein. Er verstand es aber gleichzeitig sich durch seine Geradlinigkeit und Kollegialität viel Respekt und Achtung zu erwerben.
Manfred Groß war, ganz im Sinne von Gramsci, ein „organischer Intellektueller“, ein Mensch mit einem enormen Wissensdurst, der Bereitschaft sich ständig weiterzubilden, seine Kenntnisse aber auch an möglichst viele andere weiterzugeben. Als Schriftsetzer, ein Beruf der heute durch die technische Entwicklung überholt ist, war er dafür wohl prädestiniert.
Manfred verband wie wenige die Theorie mit der praktischen politischen Arbeit und die Formulierung prinzipieller Standpunkte mit der Bereitschaft zur Diskussion und dem Eingehen auf die Argumente anderer. In unzähligen Artikeln analysierte er die Entwicklung der Lage der ArbeiterInnenklasse in Österreich, zeigte Wege der Veränderung auf, setzte sich kritisch mit der Gewerkschaftspolitik auseinander und prägte über einen langen Zeitraum hinweg als Bundesvorsitzender den GLB.
Obwohl er viel mit der Schreibmaschine und später mit dem Computer arbeitete, war sein Arbeitsplatz weniger der Schreibtisch, sondern seine unzähligen Betriebsbesuche, Treffen und Aussprachen mit BetriebsrätInnen, seine Hilfe und Mitarbeit vor Ort bei kritischen Situationen, bei Betriebsratswahlen oder einfach bei der Organisierung von Unterstützung und Hilfe jeglicher Art, wenn Kolleginnen und Kollegen diese brauchten.
Als passioniertem Bahnreisenden war ihm keine Strecke in Österreich fremd, Bahnhöfe waren für ihn Knotenpunkte gewerkschaftlicher Arbeit nicht nur durch seine Kontakte mit Eisenbahnern, sondern durch Treffen und Besprechungen. Und in den wenigen Mußestunden frequentierte er auch gerne Museumsbahnen nach Groß Gerungs oder anderen abgelegenen Orten.
Manfred Groß konnte auch auf den Tisch hauen, ja richtig wütend werden – vor allem aber konnte er zuhören und nahm Einwände und Kritik ernst. Trotz seines enormen Arbeitspensums war er aber auch ein Genussmensch, der ganz im Sinne von Pablo Nerudas „Ich bekenne, ich habe gelebt“ nicht nur die gesellschaftliche Vision, sondern auch das Leben hier und heute liebte und gutes Essen und Trinken nicht verachtete. In Erinnerung bleibt er uns auch als eifriger Kaffeehausbesucher, der sich entsprechend seinem enormen Wissensdurst dort einer intensiven Zeitungslektüre widmen konnte. Als seine zweite Heimat sah er seinen langjährigen Urlaubsort in Griechenland ebenso wie die „Singvögel“.
So sehr sich Manfred für andere engagierte und Ratschläge von gewerkschaftlichen Fragen bis hin zur Gesundheit und Ernährung parat hatte, so wenig schaute er leider auf sich selbst. Wir haben uns über diesen Widerspruch einige Male unterhalten und mussten leider erkennen, dass es eine für viele Linke selbstverständliche Haltung ist, zwar genau Bescheid darüber zu wissen, dass die Menschen u.a. Entspannung, Muße und Freizeit brauchen, um gesund zu bleiben – dies aber oft für sich selbst nicht ernsthaft leben. In diesem Zusammenhang nannte Manfred einmal sein ungesundes Leben als eine Ursache für seinen tragischen Schlaganfall.
Manfred Groß hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke in der politischen und gewerkschaftlichen Linken. Lieber Manfred, in dieser schweren Stunde unseres Abschiednehmens kann ich dir versichern: Wir werden dich in allen Facetten deiner Persönlichkeit in bleibender Erinnerung behalten.
Rede der GLB-Bundesvorsitzenden Karin Antlanger bei der Verabschiedung von Manfred Groß am 19. Oktober 2007 im Zentralfriedhof in Wien-Simmering.
Mit großer Betroffenheit haben wir am 3. Oktober die Nachricht erhalten, dass Manfred Groß, unser langjähriger Bundesvorsitzende des Gewerkschaftlichen Linksblocks, gestorben ist. Wenige Wochen vorher war er noch beim „Volksstimme“-Fest unterwegs gewesen und hatte sich dort trotz seiner angeschlagenen Gesundheit sehr optimistisch für seine Zukunft geäußert. Umso überraschender für uns alle hat der Tod Manfred als Spätfolge des 2003 erlittenen Schlaganfalls aus dem Leben gerissen.
Ich kam mit Manfred Groß erstmals Mitte der 70er Jahre in der Kommunistischen Jugend in Kontakt, deren oberösterreichischer Landesvorsitzender er damals war. Obwohl ihm als Betriebsratsobmann des Innviertler Verlages und aktiven Gewerkschafter wahrscheinlich auch andere Möglichkeiten offen gestanden wären, hatte er sich schon frühzeitig für den anderen Weg entschieden und sich der politischen Linken, der KPÖ zugewendet.
1979 übernahm Manfred Groß die Funktion als Landessekretär des Gewerkschaftlichen Linksblocks in Oberösterreich und vertrat den GLB auch sehr engagiert in der ÖGB-Landesexekutive. Mit seiner Tätigkeit verbunden sind auch der damalige Wiedereinzug des GLB in die oö Arbeiterkammer bei der AK-Wahl 1984 und der Höhepunkt der Protestbewegung gegen die Privatisierung der Verstaatlichten mit der Großkundgebung von über 40.000 TeilnehmerInnen am 18. Jänner 1986 in Linz sowie der Kampf um die Standorterhaltung der AMAG in Ranshofen.
1987 ging Manfred Groß nach Wien und war als Sekretär für Betriebsarbeit tätig. Im September 1989 folgte er Anton Hofer als Bundesvorsitzender des GLB und als Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes sowie als Vertreter im Weltgewerkschaftsbund nach und übte diese Funktionen mit großem Engagement aus, bis er Ende April 2003 durch einen Schlaganfall jäh aus seiner gewerkschaftlichen und politischen Arbeit gerissen wurde und er sich aus allen Funktionen zurückziehen musste.
Manfreds politische Aufmerksamkeit war stets in erster Linie auf die österreichische Gewerkschaftsbewegung und ihren linken, kritischen Pol, den Gewerkschaftlichen Linksblock gerichtet. Obwohl oder gerade weil er überzeugter Kommunist war, nahm er die organisatorische Eigenständigkeit des GLB sehr ernst und trat gleichzeitig für die Öffnung, etwa durch die Einbeziehung von MigrantInnen in die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit und für eine gewerkschaftliche Bündnispolitik mit sozialen Bewegungen ein.
Er war ein leidenschaftlicher Gewerkschafter: In der Gewerkschaftsjugend, als Betriebsrat, als Betriebratsobmann und als führender Gewerkschaftsfunktionär. Seine kritische Einstellung zu den sozialpartnerschaftlich bedingten Fehlentwicklungen in den österreichischen Gewerkschaften brachte er überall in seinem Wirken in der Gewerkschaft ein. Er verstand es aber gleichzeitig sich durch seine Geradlinigkeit und Kollegialität viel Respekt und Achtung zu erwerben.
Manfred Groß war, ganz im Sinne von Gramsci, ein „organischer Intellektueller“, ein Mensch mit einem enormen Wissensdurst, der Bereitschaft sich ständig weiterzubilden, seine Kenntnisse aber auch an möglichst viele andere weiterzugeben. Als Schriftsetzer, ein Beruf der heute durch die technische Entwicklung überholt ist, war er dafür wohl prädestiniert.
Manfred verband wie wenige die Theorie mit der praktischen politischen Arbeit und die Formulierung prinzipieller Standpunkte mit der Bereitschaft zur Diskussion und dem Eingehen auf die Argumente anderer. In unzähligen Artikeln analysierte er die Entwicklung der Lage der ArbeiterInnenklasse in Österreich, zeigte Wege der Veränderung auf, setzte sich kritisch mit der Gewerkschaftspolitik auseinander und prägte über einen langen Zeitraum hinweg als Bundesvorsitzender den GLB.
Obwohl er viel mit der Schreibmaschine und später mit dem Computer arbeitete, war sein Arbeitsplatz weniger der Schreibtisch, sondern seine unzähligen Betriebsbesuche, Treffen und Aussprachen mit BetriebsrätInnen, seine Hilfe und Mitarbeit vor Ort bei kritischen Situationen, bei Betriebsratswahlen oder einfach bei der Organisierung von Unterstützung und Hilfe jeglicher Art, wenn Kolleginnen und Kollegen diese brauchten.
Als passioniertem Bahnreisenden war ihm keine Strecke in Österreich fremd, Bahnhöfe waren für ihn Knotenpunkte gewerkschaftlicher Arbeit nicht nur durch seine Kontakte mit Eisenbahnern, sondern durch Treffen und Besprechungen. Und in den wenigen Mußestunden frequentierte er auch gerne Museumsbahnen nach Groß Gerungs oder anderen abgelegenen Orten.
Manfred Groß konnte auch auf den Tisch hauen, ja richtig wütend werden – vor allem aber konnte er zuhören und nahm Einwände und Kritik ernst. Trotz seines enormen Arbeitspensums war er aber auch ein Genussmensch, der ganz im Sinne von Pablo Nerudas „Ich bekenne, ich habe gelebt“ nicht nur die gesellschaftliche Vision, sondern auch das Leben hier und heute liebte und gutes Essen und Trinken nicht verachtete. In Erinnerung bleibt er uns auch als eifriger Kaffeehausbesucher, der sich entsprechend seinem enormen Wissensdurst dort einer intensiven Zeitungslektüre widmen konnte. Als seine zweite Heimat sah er seinen langjährigen Urlaubsort in Griechenland ebenso wie die „Singvögel“.
So sehr sich Manfred für andere engagierte und Ratschläge von gewerkschaftlichen Fragen bis hin zur Gesundheit und Ernährung parat hatte, so wenig schaute er leider auf sich selbst. Wir haben uns über diesen Widerspruch einige Male unterhalten und mussten leider erkennen, dass es eine für viele Linke selbstverständliche Haltung ist, zwar genau Bescheid darüber zu wissen, dass die Menschen u.a. Entspannung, Muße und Freizeit brauchen, um gesund zu bleiben – dies aber oft für sich selbst nicht ernsthaft leben. In diesem Zusammenhang nannte Manfred einmal sein ungesundes Leben als eine Ursache für seinen tragischen Schlaganfall.
Manfred Groß hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke in der politischen und gewerkschaftlichen Linken. Lieber Manfred, in dieser schweren Stunde unseres Abschiednehmens kann ich dir versichern: Wir werden dich in allen Facetten deiner Persönlichkeit in bleibender Erinnerung behalten.
Rede der GLB-Bundesvorsitzenden Karin Antlanger bei der Verabschiedung von Manfred Groß am 19. Oktober 2007 im Zentralfriedhof in Wien-Simmering.