Weiterbildung schafft Chancen? Lernen ein Leben lang
- Donnerstag, 18. Oktober 2007 @ 10:19
Von Stefan Vater
Eigentlich erinnern mich die Lern-Aufforderungen der EU und anderer Institutionen und Personen an einen Stammbucheintrag aus Volksschultagen: „Übe, lerne, leiste was. Dann bist du hast du wirst du was.“ – Als würde Erfolg nur von den eigenen Lernanstrengungen abhängen. Gelernt werden soll neuerdings von der „Wiege bis zur Bahre“, das bedeutet ein niemals endendes lernen, von dem nur der Tod erlöst. Historisch entstand das Konzept des Lebenslangen Lernens aus einem emanzipatorischen Konzept (UNESCO) und wurde Mitte der 90er von der EU und OECD aufgegriffen als Lernnotwendigkeiten für den Wirtschaftsstandort.
Aber sichert Bildung Beschäftigung? Abgesehen davon, dass Bildung nicht für alle gleich zugänglich ist, ist dies eine Frage die in der Euphorie für den Wirtschaftsstandort und „Unternehmertum“ (Entrepreneurship – vgl. Memorandum LLL) oft untergeht. Grundsätzlich wäre gegen Bildung die aktiviert, zugänglich ist und unternehmungslustig macht nichts einzuwenden. Gemeint ist aber etwas anderes: Ein auf umfassende Selbstverantwortung zugeschnittenes „Bildungsideal“, passend zu einer neoliberalen Gesellschaft in der Solidarität und Sozialstaat ausgehöhlt werden.
Bildung kann nur dann Beschäftigung sichern, wenn genug Arbeitsplätze vorhanden sind, bei bestehender relativ hoher Arbeitslosigkeit führt Bildung (etwas verkürzt formuliert) nur zu einem verstärkten Verdrängungswettbewerb – und wofür früher eine Matura reichte, bedarf unterdessen eines Studienabschlusses, bei ähnlicher Bezahlung.
Die Beteiligungsstatistiken zeigen auf der anderen Seite: Bildung wird vor allem von Gebildeten wahrgenommen. Es ist eine Art Matthäus-Effekt, der ja ein Grundprinzip kapitalistischer Gesellschaften ist: Wer hat, der bekommt noch mehr dazu.
Höhere Bildung führt, wie bereits angedeutet, zu einem Verdrängungsprozess auf dem Arbeitsmarkt. Höhere Bildung führt nicht allgemein zu höherem Status, zu besseren Chancen. Bildung ermöglicht individuell durchaus Aufstiegsperspektiven. Dazu ist Glück nötig, der richtige soziale Hintergrund oder der richtige Onkel. Aus der Perspektive eines Lebensministers mit einem Landeshauptmann-Onkel lässt sich leicht behaupten, es gäbe im österreichischen Bildungssystem keine sozialen Barrieren (BM Pröll im Standard vom 2. Oktober). Vom Bauernbub zum Minister schaffen es nicht alle Bauernbuben. Eine individuelle Aufstiegsversprechung gehört zum Kapitalismus, wie der Tellerwäscher zu den USA. Funktional verdecken diese Märchen und Illusionen die schlichte Tatsache ungleicher Chancen auf Bildung und mit Bildung.
Lebenslanges Lernen, wie es diskutiert, gefordert wird, bezieht sich kaum auf den antiquierten Begriff der Bildung, nie auf Emanzipation und wer in den EU-Papieren und nationalen Bildungsvorschlägen den Begriff Kritik sucht wird nicht fündig werden. Dafür ist vom Wirtschaftsstandort und von Anpassungslernen genug zu hören. Gleichzeitig wird dort von Kompetenzen gesprochen. Gemeint ist damit folgendes: ArbeitnehmerInnen sollen, ja beinahe UnternehmerInnen ihrer selbst geworden, sogar manche Putzkräfte sind ja unterdessen UnternehmerInnen, immer alle Anforderungen des Arbeitslebens kompetent bewältigen. Es ist nicht der Staat, die Schule der Betrieb, der Kompetenzen vermittelt und für deren Brauchbarkeit verantwortlich ist. Diese Verantwortung wurde auf die arbeitenden Menschen abgewälzt, in der Verpflichtung up to date zu bleiben.
Stefan Vater ist Bildungssoziologe und Betriebsrat in Wien
Eigentlich erinnern mich die Lern-Aufforderungen der EU und anderer Institutionen und Personen an einen Stammbucheintrag aus Volksschultagen: „Übe, lerne, leiste was. Dann bist du hast du wirst du was.“ – Als würde Erfolg nur von den eigenen Lernanstrengungen abhängen. Gelernt werden soll neuerdings von der „Wiege bis zur Bahre“, das bedeutet ein niemals endendes lernen, von dem nur der Tod erlöst. Historisch entstand das Konzept des Lebenslangen Lernens aus einem emanzipatorischen Konzept (UNESCO) und wurde Mitte der 90er von der EU und OECD aufgegriffen als Lernnotwendigkeiten für den Wirtschaftsstandort.
Aber sichert Bildung Beschäftigung? Abgesehen davon, dass Bildung nicht für alle gleich zugänglich ist, ist dies eine Frage die in der Euphorie für den Wirtschaftsstandort und „Unternehmertum“ (Entrepreneurship – vgl. Memorandum LLL) oft untergeht. Grundsätzlich wäre gegen Bildung die aktiviert, zugänglich ist und unternehmungslustig macht nichts einzuwenden. Gemeint ist aber etwas anderes: Ein auf umfassende Selbstverantwortung zugeschnittenes „Bildungsideal“, passend zu einer neoliberalen Gesellschaft in der Solidarität und Sozialstaat ausgehöhlt werden.
Bildung kann nur dann Beschäftigung sichern, wenn genug Arbeitsplätze vorhanden sind, bei bestehender relativ hoher Arbeitslosigkeit führt Bildung (etwas verkürzt formuliert) nur zu einem verstärkten Verdrängungswettbewerb – und wofür früher eine Matura reichte, bedarf unterdessen eines Studienabschlusses, bei ähnlicher Bezahlung.
Die Beteiligungsstatistiken zeigen auf der anderen Seite: Bildung wird vor allem von Gebildeten wahrgenommen. Es ist eine Art Matthäus-Effekt, der ja ein Grundprinzip kapitalistischer Gesellschaften ist: Wer hat, der bekommt noch mehr dazu.
Höhere Bildung führt, wie bereits angedeutet, zu einem Verdrängungsprozess auf dem Arbeitsmarkt. Höhere Bildung führt nicht allgemein zu höherem Status, zu besseren Chancen. Bildung ermöglicht individuell durchaus Aufstiegsperspektiven. Dazu ist Glück nötig, der richtige soziale Hintergrund oder der richtige Onkel. Aus der Perspektive eines Lebensministers mit einem Landeshauptmann-Onkel lässt sich leicht behaupten, es gäbe im österreichischen Bildungssystem keine sozialen Barrieren (BM Pröll im Standard vom 2. Oktober). Vom Bauernbub zum Minister schaffen es nicht alle Bauernbuben. Eine individuelle Aufstiegsversprechung gehört zum Kapitalismus, wie der Tellerwäscher zu den USA. Funktional verdecken diese Märchen und Illusionen die schlichte Tatsache ungleicher Chancen auf Bildung und mit Bildung.
Lebenslanges Lernen, wie es diskutiert, gefordert wird, bezieht sich kaum auf den antiquierten Begriff der Bildung, nie auf Emanzipation und wer in den EU-Papieren und nationalen Bildungsvorschlägen den Begriff Kritik sucht wird nicht fündig werden. Dafür ist vom Wirtschaftsstandort und von Anpassungslernen genug zu hören. Gleichzeitig wird dort von Kompetenzen gesprochen. Gemeint ist damit folgendes: ArbeitnehmerInnen sollen, ja beinahe UnternehmerInnen ihrer selbst geworden, sogar manche Putzkräfte sind ja unterdessen UnternehmerInnen, immer alle Anforderungen des Arbeitslebens kompetent bewältigen. Es ist nicht der Staat, die Schule der Betrieb, der Kompetenzen vermittelt und für deren Brauchbarkeit verantwortlich ist. Diese Verantwortung wurde auf die arbeitenden Menschen abgewälzt, in der Verpflichtung up to date zu bleiben.
Stefan Vater ist Bildungssoziologe und Betriebsrat in Wien