Die Milliarden rollen – und dann?
- Mittwoch, 26. September 2007 @ 08:20
Von Hubert Schmiedbauer
Der Euro rollt. Ein Teil der Kleinaktionäre von Böhler-Uddeholm hat sich im letzten Moment entschieden, ihre BU-Aktien der Voestalpine AG zu verkaufen, was am letzten Tag der Wartefrist den Anteil am Böhler-Konzern von 64 auf 79 Prozent schnellen ließ. Nur: Was haben die -zigtausend Beschäftigten des neuen Großkonzerns davon? Österreich hat wieder einen Eisen- und Stahl-Riesen von Weltmaßstab - weniger was Produktionsmengen und Beschäftigtenzahlen betrifft, als die Qualitäten in den einzelnen Konzernsegmenten, die zur Weltspitze gehören. Da muss man den KollegInnen nichts erzählen, was sie nicht schon wissen: Sie leisten hervorragende Arbeit.
Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (also von April bis Juni, denn die Voestalpine AG bilanziert von April bis zum nächsten März) stieg das Ergebnis vor Steuern gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 202 auf 301,6 Mio. Euro, also fast um die Hälfte; der Jahresüberschuss ergab mit 242 Mio. gegenüber 153 Mio. gar um fast zwei Drittel mehr. Das Eigenkapital legte von 2,7 Mrd. Euro auf 3,13 Mrd. zu. Wegen des Böhler-Kaufs erhöhte sich die Nettofinanzverschuldung von 314 Mio. auf 2,71 Mrd. Euro. Im Juli wurde die so genannte Mitarbeiterbeteiligung auf 10,72 Prozent vom neuen Grundkapital erhöht.
Die Aktienkurse lagen Ende September etwa bei 59 €, verglichen mit der Spitze der letzten 52 Wochen von 66 Euro zwar niedriger, gegenüber dem tiefsten Kurs in diesem Zeitraum mit unter 30 Euro um fast 100 Prozent höher. Das spielt natürlich nur dann eine Rolle, wenn Aktien gehandelt werden, aber auch die Bewertung des Unternehmens wächst, wenn die Aktienkurse steigen. Das hat Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung eines Unternehmens auf dem Geldmarkt – höhere Bewertung, weniger Risken, bessere Konditionen.
Die Voestalpine denkt schon weiter: sie will alles haben. Kein Wunder: Nahezu jeder Geschäftsbericht von Böhler-Uddeholm bietet einen neuen Umsatz- und Gewinnrekord. Der Auftragsstand am 30.6.07 war um 31% höher als der am 30.6.06. Als eine der ersten Auswirkungen der Fusion mit der Voestalpine AG ist BU gezwungen, das Bilanzjahr – bisher Jänner-Dezember – auf April-März umzustellen…
Das letzte Halbjahr war das Beste in der Konzerngeschichte von Böhler-Uddeholm. Der Umsatz stieg um 18 Prozent, die Gewinne um 32 Prozent. Als Gründe werden genannt: hohe Nachfrage; hohes Preisniveau; der Produktenmix; die Kostenreduktion. Gibt es für die Euphorie des Gesamtkonzerns keine Risiken?
Die rosige Lage der Eisen- und Stahlwirtschaft ist eine Auswirkung der asiatischen Konjunktur auf den Weltmarkt. Es gibt aus Angst vor Inflation aber bereits Bremsversuche, z.B. in China. Der starke Euro-Kurs wird die Exporte auf Dollar-Rechnung zusätzlich verteuern, und wenn zugleich die Nachfrage schrumpft, ist es mit der Euphorie vorbei. Auch die Entwicklung der asiatischen Wirtschaft wird ohne Stärkung der eigenen Massenkaufkraft nicht problemlos weitergehen.
Gewinne verteilen – aber wie?
Jetzt wäre es gut, ein Wort zum Begriff „Leistungsträger“ zu verlieren, vor allem wenn wir an die bevorstehenden Lohnverhandlungen denken. Es gibt nämlich eine kleine Gruppe von Privilegierten, deren Einkommen nicht in langwierigen Verhandlungen um die Kollektivvertragslöhne festgelegt werden. Sie werden von Gremien bestimmt, gegen die die ideologisch neoliberal vergatterte Medienlandschaft keine kritische „Privilegien“hascherei veranstaltet; das sind die Vorstandsetagen, die Aufsichtsräte – besetzt von privilegierten Minderheiten – und die Macht ausübenden Organe des Staates und der Länder.
Während also die Gewerkschaften sich auf die Lohnverhandlungen für die Arbeiterklasse vorbereiten, haben die Kapital- und Management-„Eliten“ das Fell des Bären schon zerlegt und sich ihr Teil geholt, z.B. über mehr als 40 Millionen Aktien, die der Voestalpine AG um 50 bis 100 Prozent teurer verkauft wurden, als die BU-Aktionäre vor gar nicht langer Zeit dafür gezahlt haben. Bitte, das sind Gewinne im Umfang von einer bis zwei Milliarden Euro, abgezweigt von den Erträgnissen der Voestalpine zu den bisherigen Aktionären von Böhler-Uddeholm Banken, Fonds, Privatpersonen usw. Nicht Belohnung für „Leistungsträger“, sondern arbeitslose Einkommen von Leuten, für die jegliche Verteilung oder Beteiligung an ihren Profiten ein Fremdwort ist.
Die Herbstlohnrunde steht unter dem Zeichen massiver Kapitalgewinne. Aus den Gewerkschaften kommen scharfe Töne gegen das Modewort „Mitarbeiterbeteiligung“. Es müsse in erster Linie über die Kollektivverträge – also die Löhne für alle Beschäftigten – verhandelt werden und nicht über die Ausgrenzung eines Teils der ArbeiterInnen und Angestellten von der Beteiligung an einer Konjunktur, die alle erarbeitet haben und die dann auch von allen als Kaufkraftschub gestützt werden müsse.
Das ist nur über eine konsequente Kollektivvertragspolitik möglich. Und noch etwas: über eine Reform des Sozialsystems, die für dessen Finanzierung an den Gewinnen und Spekulationsprofiten ansetzt, durch eine Abgabe nach Maß der Wertschöpfung und nicht nach pro Kopf der Beschäftigten. Ein alter, aber guter Hut…
Hubert Schmiedbauer ist Journalist in Wien
Der Euro rollt. Ein Teil der Kleinaktionäre von Böhler-Uddeholm hat sich im letzten Moment entschieden, ihre BU-Aktien der Voestalpine AG zu verkaufen, was am letzten Tag der Wartefrist den Anteil am Böhler-Konzern von 64 auf 79 Prozent schnellen ließ. Nur: Was haben die -zigtausend Beschäftigten des neuen Großkonzerns davon? Österreich hat wieder einen Eisen- und Stahl-Riesen von Weltmaßstab - weniger was Produktionsmengen und Beschäftigtenzahlen betrifft, als die Qualitäten in den einzelnen Konzernsegmenten, die zur Weltspitze gehören. Da muss man den KollegInnen nichts erzählen, was sie nicht schon wissen: Sie leisten hervorragende Arbeit.
Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (also von April bis Juni, denn die Voestalpine AG bilanziert von April bis zum nächsten März) stieg das Ergebnis vor Steuern gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 202 auf 301,6 Mio. Euro, also fast um die Hälfte; der Jahresüberschuss ergab mit 242 Mio. gegenüber 153 Mio. gar um fast zwei Drittel mehr. Das Eigenkapital legte von 2,7 Mrd. Euro auf 3,13 Mrd. zu. Wegen des Böhler-Kaufs erhöhte sich die Nettofinanzverschuldung von 314 Mio. auf 2,71 Mrd. Euro. Im Juli wurde die so genannte Mitarbeiterbeteiligung auf 10,72 Prozent vom neuen Grundkapital erhöht.
Die Aktienkurse lagen Ende September etwa bei 59 €, verglichen mit der Spitze der letzten 52 Wochen von 66 Euro zwar niedriger, gegenüber dem tiefsten Kurs in diesem Zeitraum mit unter 30 Euro um fast 100 Prozent höher. Das spielt natürlich nur dann eine Rolle, wenn Aktien gehandelt werden, aber auch die Bewertung des Unternehmens wächst, wenn die Aktienkurse steigen. Das hat Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung eines Unternehmens auf dem Geldmarkt – höhere Bewertung, weniger Risken, bessere Konditionen.
Die Voestalpine denkt schon weiter: sie will alles haben. Kein Wunder: Nahezu jeder Geschäftsbericht von Böhler-Uddeholm bietet einen neuen Umsatz- und Gewinnrekord. Der Auftragsstand am 30.6.07 war um 31% höher als der am 30.6.06. Als eine der ersten Auswirkungen der Fusion mit der Voestalpine AG ist BU gezwungen, das Bilanzjahr – bisher Jänner-Dezember – auf April-März umzustellen…
Das letzte Halbjahr war das Beste in der Konzerngeschichte von Böhler-Uddeholm. Der Umsatz stieg um 18 Prozent, die Gewinne um 32 Prozent. Als Gründe werden genannt: hohe Nachfrage; hohes Preisniveau; der Produktenmix; die Kostenreduktion. Gibt es für die Euphorie des Gesamtkonzerns keine Risiken?
Die rosige Lage der Eisen- und Stahlwirtschaft ist eine Auswirkung der asiatischen Konjunktur auf den Weltmarkt. Es gibt aus Angst vor Inflation aber bereits Bremsversuche, z.B. in China. Der starke Euro-Kurs wird die Exporte auf Dollar-Rechnung zusätzlich verteuern, und wenn zugleich die Nachfrage schrumpft, ist es mit der Euphorie vorbei. Auch die Entwicklung der asiatischen Wirtschaft wird ohne Stärkung der eigenen Massenkaufkraft nicht problemlos weitergehen.
Gewinne verteilen – aber wie?
Jetzt wäre es gut, ein Wort zum Begriff „Leistungsträger“ zu verlieren, vor allem wenn wir an die bevorstehenden Lohnverhandlungen denken. Es gibt nämlich eine kleine Gruppe von Privilegierten, deren Einkommen nicht in langwierigen Verhandlungen um die Kollektivvertragslöhne festgelegt werden. Sie werden von Gremien bestimmt, gegen die die ideologisch neoliberal vergatterte Medienlandschaft keine kritische „Privilegien“hascherei veranstaltet; das sind die Vorstandsetagen, die Aufsichtsräte – besetzt von privilegierten Minderheiten – und die Macht ausübenden Organe des Staates und der Länder.
Während also die Gewerkschaften sich auf die Lohnverhandlungen für die Arbeiterklasse vorbereiten, haben die Kapital- und Management-„Eliten“ das Fell des Bären schon zerlegt und sich ihr Teil geholt, z.B. über mehr als 40 Millionen Aktien, die der Voestalpine AG um 50 bis 100 Prozent teurer verkauft wurden, als die BU-Aktionäre vor gar nicht langer Zeit dafür gezahlt haben. Bitte, das sind Gewinne im Umfang von einer bis zwei Milliarden Euro, abgezweigt von den Erträgnissen der Voestalpine zu den bisherigen Aktionären von Böhler-Uddeholm Banken, Fonds, Privatpersonen usw. Nicht Belohnung für „Leistungsträger“, sondern arbeitslose Einkommen von Leuten, für die jegliche Verteilung oder Beteiligung an ihren Profiten ein Fremdwort ist.
Die Herbstlohnrunde steht unter dem Zeichen massiver Kapitalgewinne. Aus den Gewerkschaften kommen scharfe Töne gegen das Modewort „Mitarbeiterbeteiligung“. Es müsse in erster Linie über die Kollektivverträge – also die Löhne für alle Beschäftigten – verhandelt werden und nicht über die Ausgrenzung eines Teils der ArbeiterInnen und Angestellten von der Beteiligung an einer Konjunktur, die alle erarbeitet haben und die dann auch von allen als Kaufkraftschub gestützt werden müsse.
Das ist nur über eine konsequente Kollektivvertragspolitik möglich. Und noch etwas: über eine Reform des Sozialsystems, die für dessen Finanzierung an den Gewinnen und Spekulationsprofiten ansetzt, durch eine Abgabe nach Maß der Wertschöpfung und nicht nach pro Kopf der Beschäftigten. Ein alter, aber guter Hut…
Hubert Schmiedbauer ist Journalist in Wien