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Offener Brief an Post-GD Anton Wais

  • Mittwoch, 27. Juni 2007 @ 15:06
Aktionen Ein alltägliches Bild: Postamt Engerthstraße, 1020 Wien. 2 Schalter von insgesamt 8 oder 9 sind für den Kundenverkehr geöffnet, die übrigen verweisen mit einer Taferlaufschrift auf die (noch) geöffneten. Vor diesen bildet sich jeweils eine Menschenschlange. „Personalnot“ heißt es lapidar auf den Wunsch hin doch noch einen Schalter zu öffnen. Der Kunde als Schaf, das geduldig wartet, nicht als König. Wen wundert es, wurden in den letzten Jahren doch tausende Arbeitsplätze vernichtet. Ein Mann will ein Paket für eine Bekannte mittels einer Vollmacht abholen. Er sei zum Zeitpunkt der Zustellung zwar zu Hause gewesen, aber der Bote habe den (offensichtlich für ihn zu mühsamen) Weg zur Wohnungstüre gar nicht angetreten, sondern einfach eine Benachrichtigung ins Postfach gelegt. Dafür sei man nicht mehr zuständig, heißt es seitens der Postangestellten. Dieser Dienst sei ausgegliedert. Man könne aber gerne eine Telefonnummer haben, um sich an anderer Stelle zu beschweren. Das habe er bereits zum wiederholten Male gemacht, beteuert der Kunde, ohne Erfolg.

Auf der Homepage der Österreichischen Post kann man dazu lesen: „Grenzenloses Paket-Service Ob Privat- oder Business-Kunde, bei der Österreichischen Post AG sind Sie auch in Sachen Paket an der richtigen Adresse.“ Leere Versprechungen, Herr Generaldirektor. Denn in Wahrheit kümmert sich die Post um diesen ausgegliederten Bereich nicht mehr, sämtliche Versäumnisse an dieser Stelle gehen zu Lasten der Kunden!

Die Dame am Schalter möchte, dass der Herr, der das Paket für seine Bekannte abholt, neben der Unterschrift auch noch die Anmerkung „Lebenspartner“ dazuschreibt. Warum, fragt sich dieser, hat er doch eine schriftliche Vollmacht vorgezeigt und sich ausgewiesen. Was die Dame seine persönlichen Verhältnisse angehen, möchte er in Erfahrung bringen. Keine Antwort.

Schlecht ausgebildetes Personal, wahrscheinlich auch noch schlecht entlohntes, Herr Dr. Wais. Wie sieht es eigentlich mit Ihrem Einkommen aus? „Der Konzernumsatz erhöhte sich auf Basis von Zuwächsen in allen Divisionen um 2,1% auf 1.736,7 Mio. EUR. Die Umsätze der Division Brief wuchsen dabei um 1,6%, jene der Division Paket & Logistik um 7,2% und jene der Division Filialnetz um 0,3%“, heißt es auf der Homepage. Da wird wohl auch Ihr Gehalt gestiegen sein. Haben Sie doch Außerordentliches vollbracht:
• Tausende von Mitarbeitern entlassen und damit Ressourcen vernichtet, einen volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet und Lebensschicksale nachhaltig negativ bestimmt
• Mehr als 950 Postämter haben Sie schließen lassen
• 2800 Postkästen haben Sie entfernen lassen
• Postbuslinien haben Sie eingestellt
• Die Gebühren haben Sie saftig erhöht.

Aber nein. Ich tue Ihnen unrecht. Nicht nur Sie, die Personalvertreter, die gesamte Gewerkschaftsbewegung hatte Ihren Liberalisierungstendenzen nichts entgegenzusetzen. Die Regierungen haben Sie nicht daran gehindert.

So kam es zur „neuen Post“. – Leichen wohin man schaut, massive Einschränkungen im Service, erhöhter Druck auf die Belegschaft, Bedrohung der Nahversorgung, Verteuerungen. Aber unter dem Strich wohl eine positive Bilanz aus Ihrer Sicht, wenn man diese Rumpfpost nach einer Ein- und Ausgabenrechnung bewertet. Und positiv sind wohl auch die Gehälter der Aufsichtsräte und der Führungsspitze, davon kann ausgegangen werden.

Und nun – denn es ist noch immer nicht genug getan, die Bevölkerung kann doch noch ein wenig ertragen – steht ja noch die Liberalisierung des gesamten Briefverkehrs an. Und da werden Sie und Ihresgleichen sicherlich wieder sehr innovativ sein, davon gehe ich aus.

Aus der Sicht der Kunden sieht die Bilanz jedoch anders aus: Nachteile im Vergleich zur „alten Post“ wohin man schaut. Daher, sehr geehrter Herr Generaldirektor, muss endlich Schluss sein mit dieser Art von Politik zu Lasten der Bevölkerung. Leistung misst sich nicht ausschließlich im Gewinnstreben, sondern bei einem Serviceunternehmen, das eine wichtige Einrichtung der Infrastruktur eines Staates darstellt, an der Zufriedenheit der Kunden und der Angestellten. Ihre Leistung – und die Ihrer politischen Unterstützer – ist daher mehr als in Frage zu stellen.

Machen Sie sich stark für die Menschen, für die Angestellten, die Kunden, denn sie sind es, welche den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens Post ausmachen, nicht die Gewinne für eine Minderheit, die auf Kosten der Bedürfnisse der Allgemeinheit erwirtschaftet werden! Oder aber treten Sie zurück, wenn Sie diese Qualifikation nicht haben!

Wien, 27. Juni 2007
Mag. Gerhard Kohlmaier
Steuerinitiative im ÖGB, www.steuerini.at