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Flexicurity-Konzept nützt erfahrungsgemäß nur den Unternehmen

  • Mittwoch, 27. Juni 2007 @ 14:36
News Als Wunschkonzert bezeichnet die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) die Haltung von ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer und des EU-Abgeordneten und Gewerkschafters Harald Ettl zum Konzept der Flexicurity, dem zentralen Element im EU-Grünbuch zum Arbeitsrecht: „Alle bisherigen Erfahrungen haben zur Genüge gezeigt, dass bei Flexicurity die von den Unternehmen gewünschte maximale Flexibilität der Arbeitskräfte Vorrang hat, die versprochene soziale Sicherheit hingegen auf der Strecke bleibt“, so GLB-Bundesvorsitzende Karin Antlanger. Die von Ettl erhoffte „Win-Win-Situation“ gibt es nicht, realpolitisch sind als Ergebnis zunehmender Flexibilisierung die Konzerne die „Winner“, die Beschäftigten hingegen die „Loser“. Das dem Flexicurity-Konzept zugrunde liegende EU-Grünbuch zum Arbeitsrecht zielt zum einen auf die Zertrümmerung des bisherigen Normalarbeitsverhältnisses. Bereits jetzt arbeiten EU-weit über 40 Prozent in atypischen Beschäftigungsverhältnissen als Teilzeitbeschäftigte, Arbeit auf Abruf, geringfügig Beschäftigte, Leiharbeitskräfte, Scheinselbständige usw., in wenigen Jahren wird gerechnet, dass bereits die Mehrheit atypisch beschäftigt sein wird. Zum anderen geht es der EU-Kommission mit dem Grünbuch aber auch darum den Einfluss der Gewerkschaften zu demontieren, indem immer stärker individuelle Vereinbarungen anstelle kollektivvertraglicher oder gesetzlicher Regelungen Platz greifen.

Bezeichnend für die Haltung der SpitzengewerkschafterInnen ist nach Meinung des GLB, dass eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung als Alternative zur ständigen Flexibilisierung und Ausweitung der Arbeitszeiten überhaupt nicht angedacht wird. Seit 1986 verlangt zwar jeder ÖGB-Bundeskongress die 35-Stundenwoche, realpolitisch hat sich die ÖGB-Führung hingegen auf die Flexibilisierung eingelassen. Mit dem Ergebnis, dass Österreich heute mit 44,1 Stunden realer Wochenarbeitszeit EU-weit an der Spitze steht.

Es spricht für die Versumpfung führender Gewerkschafter im Morast der Sozialpartnerschaft, wenn etwa GMTN-Vorsitzender Erich Foglar in der Arbeitsgemeinschaft „Wirtschaft“ zum ÖGB-Kongress erklärte, dass er eine Arbeitszeitverkürzung gar nicht mehr als Forderung aufnehmen wolle, „weil wir das eh nicht derheben, wo in Deutschland schon die Verlängerung der Arbeitszeit ansteht…“ Diese Haltung der österreichischen SozialdemokratInnen hat vor Jahrzehnten bereits die deutsche Sozialistin Clara Zetkin mit dem Ausspruch „Wo gibt`s denn das, dass man eine Forderung nicht mehr stellt, nur weil man glaubt, dass sie nicht gleich durchsetzbar ist?“ sarkastisch aufs Korn genommen.

„Es wird immer widersinniger, wenn auf der einen Seite immer mehr Menschen erwerbsarbeitslos oder prekarisiert sind, auf der anderen hingegen die Beschäftigten immer mehr Überstunden leisten müssen“, so Antlanger als Begründung für eine Arbeitszeitverkürzung und zur Ablehnung des Flexicurity-Konzepts durch den GLB. Laut Arbeiterkammer würden die heute wöchentlich geleisteten 7,04 Millionen Überstunden umgerechnet auf eine 40-Stundenwoche 175.900 zusätzliche Arbeitsplätze ergeben.

Die ÖGB-Spitze hat mit der Sozialpartnervorlage zur Verlängerung der Tages- und Wochenarbeitszeit einen kräftigen Vorgriff auf die EU-Regelungen getätigt, indem sie dabei nicht nur zu einer weiteren kräftigen Flexibilisierung beiträgt, sondern auch Einzelvereinbarung in Betrieben ohne Betriebsrat ermöglicht und damit die Gewerkschaften entmachtet. Der GLB fordert daher die GewerkschafterInnen im Parlament auf, dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung zu verweigern: „Wenn sie dort ihre Nützlichkeit beweisen wollen, dann nur indem sie alle Verschlechterungen für die Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Prekarisierten ablehnen“, so Antlanger abschließend.