Flexicurity - neuer Angriff der EU auf die Beschäftigten
- Dienstag, 26. Juni 2007 @ 08:54
Von Oliver Jonischkeit
Bereits im Januar letzten Jahres gab es vom für Beschäftigung zuständigen EU-Kommissar Spidla großes Lob für die damalige österreichischen Bundesregierung und Minister Bartenstein: „Wir können viel von Österreich lernen. Österreich ist es gelungen, durch „Flexicurity“ Arbeitsmarktflexibilität und soziale Sicherheit miteinander zu verbinden“, so Spidla im Rahmen einer informellen Ministertagung im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs. So viel Lob tut gut – und so empfiehlt ÖGB-Präsident Hundstorfer, „die beste Gewähr für ausgewogene Lösungen im Sinne der Flexicurity bieten jene, die die Sozialpartner autonom ausverhandeln“. Das Gerede von der mit der verstärkten Flexibilität des Arbeitsmarktes verbundenen sozialen Sicherheit dürfte wohl eher der Beruhigung der Gewerkschaften dienen, wie die bisherige Erfahrung mit der immer wieder heraufbeschworenen Notwendigkeit einer „Beschäftigungs- und Sozialunion“ zeigt.
Gerne wird dafür das „dänische Modell“ herangezogen – mit der Möglichkeit, Beschäftigte rasch zu kündigen, die dafür aber bis zu 90 Prozent des letzten Bezugs als Arbeitslosengeld erhalten. Beides ist so nicht ganz richtig – auch in Dänemark gibt es Regelungen zum Kündigungsschutz, allerdings wird dies dort in den Tarifverträgen ausverhandelt. Und 90 Prozent Arbeitslosengeld erhalten nur wenige aus dem Niedriglohnbereich, da alle anderen rasch die dafür festgesetzten Bezugsgrenzen überschreiten.
Bereits heute gelten EU-weit 40 Prozent der Arbeitsverhältnisse als atypisch – sei es in Form von Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung, Werkverträgen, Leiharbeit etc. – der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt. Betroffen sind davon vor allem Frauen. Weiters steigt der Anteil der „Scheinselbständigen“, auf die Betriebe und Konzerne das „Unternehmerrisiko“ abwälzen.
Wenn nun flexible Arbeitsformen mit Flexicurity weiter forciert werden sollen, so bedeutet das letztlich auf EU-Ebene die gesetzliche Verankerung der Abweichung vom bisherigen, ohnehin schwindenden „Standardarbeitsmodell“ und der weiteren Flucht aus dem Arbeitsrecht.
Immerhin stellt der ÖGB in seiner Stellungnahme zum EU-Grünbuch Arbeitsrecht fest: „Unser Kernanliegen ist die Einbeziehung aller wirtschaftlich abhängig Beschäftigten in den Schutzbereich des Arbeitsrechts. Das wäre ein wirksamer Schritt gegen die zunehmende Umgehung sozialer Standards und die rasante Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse in ganz Europa“, so ÖGB-Präsident Hundstorfer.
Das wird mit der in der Realität ohnehin nicht vorhandenen „Sozialpartnerschaft“ allerdings nicht zu erreichen sein – dazu bedarf es den massiven Widerstand der europäischen Gewerkschaften gegen das Flexicurity-Modell, das – wie auch das gesamte EU-Grünbuch Arbeitsrecht eher das Gegenteil anstrebt. Und die Zeit drängt – immerhin soll es auf EU-Ebene bezüglich des Flexicurity-Modells bereits bis Jahresende zu einer Einigung kommen.
Oliver Jonischkeit ist ÖGB-Sekretär und Bundessekretär des GLB
Bereits im Januar letzten Jahres gab es vom für Beschäftigung zuständigen EU-Kommissar Spidla großes Lob für die damalige österreichischen Bundesregierung und Minister Bartenstein: „Wir können viel von Österreich lernen. Österreich ist es gelungen, durch „Flexicurity“ Arbeitsmarktflexibilität und soziale Sicherheit miteinander zu verbinden“, so Spidla im Rahmen einer informellen Ministertagung im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs. So viel Lob tut gut – und so empfiehlt ÖGB-Präsident Hundstorfer, „die beste Gewähr für ausgewogene Lösungen im Sinne der Flexicurity bieten jene, die die Sozialpartner autonom ausverhandeln“. Das Gerede von der mit der verstärkten Flexibilität des Arbeitsmarktes verbundenen sozialen Sicherheit dürfte wohl eher der Beruhigung der Gewerkschaften dienen, wie die bisherige Erfahrung mit der immer wieder heraufbeschworenen Notwendigkeit einer „Beschäftigungs- und Sozialunion“ zeigt.
Gerne wird dafür das „dänische Modell“ herangezogen – mit der Möglichkeit, Beschäftigte rasch zu kündigen, die dafür aber bis zu 90 Prozent des letzten Bezugs als Arbeitslosengeld erhalten. Beides ist so nicht ganz richtig – auch in Dänemark gibt es Regelungen zum Kündigungsschutz, allerdings wird dies dort in den Tarifverträgen ausverhandelt. Und 90 Prozent Arbeitslosengeld erhalten nur wenige aus dem Niedriglohnbereich, da alle anderen rasch die dafür festgesetzten Bezugsgrenzen überschreiten.
Bereits heute gelten EU-weit 40 Prozent der Arbeitsverhältnisse als atypisch – sei es in Form von Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung, Werkverträgen, Leiharbeit etc. – der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt. Betroffen sind davon vor allem Frauen. Weiters steigt der Anteil der „Scheinselbständigen“, auf die Betriebe und Konzerne das „Unternehmerrisiko“ abwälzen.
Wenn nun flexible Arbeitsformen mit Flexicurity weiter forciert werden sollen, so bedeutet das letztlich auf EU-Ebene die gesetzliche Verankerung der Abweichung vom bisherigen, ohnehin schwindenden „Standardarbeitsmodell“ und der weiteren Flucht aus dem Arbeitsrecht.
Immerhin stellt der ÖGB in seiner Stellungnahme zum EU-Grünbuch Arbeitsrecht fest: „Unser Kernanliegen ist die Einbeziehung aller wirtschaftlich abhängig Beschäftigten in den Schutzbereich des Arbeitsrechts. Das wäre ein wirksamer Schritt gegen die zunehmende Umgehung sozialer Standards und die rasante Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse in ganz Europa“, so ÖGB-Präsident Hundstorfer.
Das wird mit der in der Realität ohnehin nicht vorhandenen „Sozialpartnerschaft“ allerdings nicht zu erreichen sein – dazu bedarf es den massiven Widerstand der europäischen Gewerkschaften gegen das Flexicurity-Modell, das – wie auch das gesamte EU-Grünbuch Arbeitsrecht eher das Gegenteil anstrebt. Und die Zeit drängt – immerhin soll es auf EU-Ebene bezüglich des Flexicurity-Modells bereits bis Jahresende zu einer Einigung kommen.
Oliver Jonischkeit ist ÖGB-Sekretär und Bundessekretär des GLB